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Die Gleichheit
-im gewissen Sinne mit den Dichtern der vierziger Revolutionsjahre des vorigen Jahrhunderts ausgeklungen. Mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktion und der sozialen Gegensätze, die sie zur Entfaltung bringt, mit dem Erstarken und Reifen eines tlaffenbewußten Proletariats, das als Ge schöpf und Todfeind dieser Produktion die bürgerliche Ordnung überwinden muß: sterben die bürgerlichen Männerköpfe immer mehr ab für das Verständnis der liberalen Ideologie. In der zeitgenössischen Philosophie und Kunst finden wir ebenso unzweideutig die Bestätigung dafür wie in der Politik. Und daß auch die Frauenköpfe" der Bourgeoisie dem geschicht lichen Schicksal ihrer Klasse nicht entrinnen, dafür ist die Äuße rung selbst ein Beweis. Denn mit ihr bekannte sich Frau v. Forster nicht nur persönlich zu dem nämlichen„ prinzipien lofen Opportunismus" der Fortschrittlichen Volkspartei , der in Frankfurt triumphiert hatte, sie stellte vielmehr von vornherein die Heidelberger Tagung grundsätzlich auf seinen Boden. Das aber ist die zweite charakteristische Seite des Ausspruchs. Was er in dieser Beziehung über die Entwicklung der bürgerlichen Frauenbewegung besagt, wurde durch die Verhandlungen der Generalversammlung über das Wahlrecht der Frauen in der Gemeinde bestätigt. Hier hatte vor allem, ja so gut wie ausschließlich, der bürgerliche Klassenstandpunkt der Damen das Wort.
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Die Beratungen wurden durch zwei Referate eingeleitet. Frau Dr. Altmann- Gottheiner beantwortete in dem ihrigen die Frage: Wie erlangen wir das Gemeindewahlrecht?" Frau Bensheimer sprach über:„ Die Mitarbeit der Frauen in der Gemeinde". Unsere Leserinnen finden die Leitsätze beider Referate an anderer Stelle. Die Thesen über die Mitarbeit der Frau in der Gemeinde gelangten debattelos zur Annahme, dagegen entspann sich eine kurze Erörterung über die Frage, ob mit der Forderung des Gemeindewahlrechts verlangt werden solle, daß das Einkommen der Ehefrau aus eigenem Besitz oder Erwerb persönlich und getrennt von dem Einkommen des Mannes zu versteuern sei oder nicht. Einige Rednerinnen befürworteten das Verlangen als Anerkennung des Rechts der Frau als Persönlichkeit, andere bekämpften es, weil es der Wertung der rein hausmütterlichen Leistungen des Weibes nicht gerecht werde und ein geschäftsmäßiges Moment in die Familie trage. Die Auseinandersetzungen ließen helle Streiflichter auf die wirtschaftliche Basis der heutigen bürger lichen Ehe fallen, wie auf die Gegensätze, welche die kapitalistische Geldwirtschaft in die Familie trägt. Sie endeten mit der Zustimmung zu der umstrittenen Forderung.
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Bescheidene Gemüter haben die beiden Referate über die Beteiligung der Frau am Gemeindeleben als ausgezeichnet" gepriesen. Das Urteil würde nur dann stimmen, wenn man von dem gesamten sozialen Um und Auf absehen wollte, mit dem die Zuerkennung des Wahlrechts an die Frauen und ihre Mitarbeit bei der Armen- und Waisenpflege wie in der Schulver. waltung unlösbar verknüpft ist. Von diesem Um und Auf darf und kann aber niemand abstrahieren, der die einschlägigen Fragen ernstlich und in ihrer Wirklichkeit und nicht als blutlose abstrakte Schemen erfaßt und behandelt. Das letztere aber haben die Referentinnen getan, vorausgesetzt, daß die vorliegenden offiziellen Berichte zuverlässig sind. Die Damen rollten ihre Frage in einem Wolfenfuckucksheim auf, in dem nur ein Gegensatz zwischen Männerrecht und Frauenrecht besteht, in dem aber keine so unbequemen häßlichen Dinge wie Klassengegensäge existieren und das soziale Sein der einzelnen Bevölkerungsgruppen, gesellschaftliche Einrichtungen und Zustände beherrschen. Dieser Kardinalfehler brachte Frau Bensheimers Vortrag- der übrigens reich an guten Einzelheiten warum Tiefe und Weite, er drückte Frau Altmann- Gottheiners Referat den Stempel der Feigheit und Zweideutigkeit auf. In der Tat: kann man ein milderes Urteil über eine Behandlung des fommunalen Frauenwahlrechts fällen, die kein Sterbenswörtchen dafür hat, ob das geforderte Bürgerrecht allgemein oder beschränkt sein soll? Und das in den Zeiten, wo diese Frage der
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brennende Inhalt aller Kämpfe um die Gestaltung des Wahlrechts in der Gemeinde ist, in Zeiten, wo das Proletariat fast überall in Deutschland für das gleiche Recht aller großjährigen Gemeindeeinwohner in die Schranken tritt und sich vielerorts gegen eine weitere Verfümmerung seines färglich bemessenen Rechts wehren muß?
Aber freilich das Schweigen fand seine richtige Deutung, sobald die Forderung erhoben wurde, die Generalversammlung möge sich für das allgemeine, gleiche und direkte Gemeindewahlrecht aussprechen. Den Anlaß dazu gab ein Antrag des Schlesischen Frauenbundes: der Bund deutscher Frauen vereine wolle an die Parlamente aller deutschen Bundesstaaten Petitionen senden, die die Zuerkennung des Gemeindewahlrechts an die Frauen verlangen. Hierzu brachte die eine offizielle Vertreterin des Frauenstimmrechtsverbandes, Fräulein v. Welczek, das Amendement ein, das Gemeindewahlrecht sei auf der Grundlage des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts zu fordern. Der Antrag wirkte äßend wie Scheidewasser. Im Nu war nichts mehr übrig von dem kaum beschworenen Bekenntnis zum„ weltanschauungsmäßigen Kern des Liberalismus", jede Spur jenes zweideutigen Halbdunkels war getilgt, in dem Frau Altmann- Gottheiners Referat die befannte Märchengestalt bürgerlicher Frauenrechtelei: die" Frau an und für sich und als solche", den klassenlosen reinen Engel der Gesellschaft herumsputen ließ. Scharf und klar zeigte das Bild der Verhandlungen die bürgerlichen Damen als Träge rinnen und Verfechterinnen bürgerlicher Klassenfelbstsucht. Man braucht höchstens die Finger einer einzigen Hand, um die Verteidigerinnen aufzuzählen, die der Forderung des allgemeinen Wahlrechts aus der versammelten" Elite" der bürgerlichen Frauenwelt erstanden, und zwei von ihnen Fräulein Zieh und Fräulein Blum haben nach dem offiziellen Bericht es fertig gebracht, einmal„ grundsätzlich" dafür, einmal aber ,, aus Opportunitätsrücksichten" dagegen zu sprechen. Arm in Arm mit dem hochkonservativen Fräulein Müller, der Führerin des Evangelischen Frauenbundes, lehnten es auch so„ entschiedene Liberale" wie Fräulein Bäumer und Fräulein Lischnewska ausdrücklich ab, die Forderung des allgemeinen Wahlrechts auf die Fahne des Bundes zu schreiben. Frau Altmann- Gottheiner fand auf einmal nun die Sprache wieder", um von der Zustimmung zu dem Amendement abzumahnen, dessen Annahme ein taktischer Fehler sein würde". Unsere Mannheimer Genossinnen mögen das Verhalten dieser " Borkämpferin für Frauenrechte" genau buchen, die gelegentlich in öffentlichen Versammlungen Eide auf das allgemeine Wahlrecht leistet, das Gebot der Demokratie aber vor einem bürgerlichen Forum schnöde im Stiche läßt. Das Amendement Welczek erhielt nur armselige 6 Stimmen! Unter denen aber, die es niederreden und niederstimmen halfen, haben sich Mitglieder des Frauenstimmrechtsverbandes befunden, dessen Satzungen die Forderung des allgemeinen Wahlrechts enthalten. Diese Preisgabe des eigenen Programms wurde und wird natürlich mit dem üblichen„ realpolitischen" Gerede von der Notwendigkeit zu beschönigen versucht, sich flug auf die Forderung des„ Erreichbaren zu beschränken". Schade nur, daß die Klugrednerinnen von der einen entscheidenden Kleinigkeit schweigen! Wie die Dinge heute gelagert sind, hatte die Stellungnahme der Generalversammlung überhaupt nur die Bedeutung eines grundsätzlichen Bekenntnisses zur Demokratie und ist vom erhabenen Standpunkt des„ Erreichbaren" aus ohne unmittelbare praftische Tragweite.
Zweideutigkeit sollte nach außen hin den trügerischen Schein des Festhaltens am Prinzip und des Eintretens für die Interessen der breiten Frauenmassen retten. Fräulein Lischnewska beantragte die folgende Resolution: Die Versammlung fordert grundsätzlich im Interesse der arbeitenden und nichtbesitzenden Bevölkerung und im Interesse der besitzenden Ehefrau das allgemeine und gleiche Wahlrecht in der Kommune; aus praktischen Gründen zunächst die Gewährung des kommunalen Wahlrechts an die Frauen in der Form, in der die Männer es besitzen." Mit dürren Worten: Betätigung für das Geld