42

Die Gleichheit

fomitees sind jene weiblichen Parteimitglieder nicht enthalten, die in den Wahlvereinen als unterstützende Mitglieder ihre Beiträge leisten, weil an ihrem Orte noch zu wenige weibliche Parteimit­glieder sind, um eine eigene Sektion zu bilden. Die Landesver trauenspersonen entrollten ein interessantes, oft fesselndes Bild ihrer Tätigkeit und der mannigfaltigen Schwierigkeiten, die sie zu be wältigen haben. Das hervorstechendste Merkmal ihrer Ausführungen aber ist, daß es überall vorwärts geht, wenn auch nicht überall mit der gleichen wünschenswerten Raschheit. Da auch darüber ge­sprochen wurde, den Arbeiterinnen in allen Krankenkassen eine weibliche Vertretung zu sichern, so wirkte es überraschend, als die Vertreterin Oberösterreichs   mitteilte, daß in ihrem Lande die Frauen seit 16 Jahren im Vorstand der Krankenkasse vertreten sind, und daß sie gegenwärtig drei Mandate besitzen. Ihrem Ein­fluß ist es zuzuschreiben, daß im Refonvaleszentenheim, das nur für die Männer gebaut ist, den Frauen nunmehr mindestens ein Zimmer eingeräumt wurde.

Einen breiten Raum in der Debatte nahm die Organisierung der jugendlichen Arbeiterinnen ein. Über dieses Problem wird bei anderer Gelegenheit mehr zu sagen sein. Tatsache ist, daß es den Frauenorganisationen bisher nicht gelungen ist, die jungen Mädchen an sich zu ziehen; aber auch die Gewerkschaften erreichten in diesem Punkte nicht viel mehr. Eine Konferenz der jugendlichen Arbeiter verlangte vom Frauenreichskomitee einen Bescheid darüber, ob die jungen Mädchen mit den jugendlichen Arbeitern oder mit den Frauen zusammen organisiert werden sollen. Da sich die Partei vertretung ebenso wie die Gewerkschaftskommission vor zwei Jahren gegen den Zusammenschluß der jungen Mädchen mit den jugendlichen Arbeitern ausgesprochen hat, so mußte es das Frauenreichskomitee ablehnen, eine Entscheidung in dieser Frage zu fassen.

In betreff der zukünftigen Arbeit der Frauenorganisationen wurde beschlossen, Versammlungen abzuhalten mit der Tagesord­nung: Lebensmittelteuerung und Frauenwahlrecht; ferner drei Flugblätter vorzubereiten, eines über die Teuerungs­frage, ein weiteres über Mutterschutz und Säuglings­fürsorge und ein drittes über die Bedeutung des von der inter­nationalen Frauenkonferenz beschlossenen Frauentages. Letzteres soll erst dann abgefaßt werden, wenn die Zustimmung von Partei und Gewerkschaft zu der Abhaltung des Frauentags erfolgt ist. Es soll überall Wert gelegt werden auf die Einrichtung von Dis fussionsabenden und die Schulung und Ausbildung von Rednern. Weiter sollen zur Durchführung der Beschlüsse der Landeskonferenzen überall Bezirkskonferenzen abgehalten werden, da sich diese als sehr nüßlich erwiesen haben. Die Konferenz hat einen ganzen Tag ge­dauert und ungemein anregend und befruchtend gewirkt. Die Landes­vertrauenspersonen, die zum Teil erst wenige Monate in ihrem Amte sind, konnten aus den Ausführungen der erfahrenen Ge­nossinnen Belehrung schöpfen, und das Frauenreichskomitee hat einen Überblick bekommen über die Verhältnisse in den einzelnen Ländern. Mit dem Gefühl, Positives geleistet zu haben, konnten die Genossinnen ihre Tagung beendigen.

Aus der Bewegung.

a. p.

"

Von der Agitation. Vom 13. bis 19. Oktober sprach die Unter­zeichnete in fünf zum Wahlkreis Halle gehörenden Orten, in Lettin, Wörmlig, Helle, Dsendorf und Burtdorf über Die Furcht vor der Sozialdemokratie und die Kampfmittel ihrer Gegner". Die Versammlungen waren für unsere Presse und für die politische Organisation agitatorisch sehr wirksam. Wir konnten 70 Neuauf­nahmen von Mitgliedern, zumeist Frauen, verzeichnen. Die mahnen­den Worte des Genossen Reichstagsabgeordneten Albrecht über die Bedeutung der Arbeiterpresse fanden Widerhall: mancher Ver­sammlungsbesucher holte das lange Versäumte nach und wurde Leser des Voltsblattes". So vergrößerte auch diese Agitation die Zahl der Werkleute, die Stein auf Stein zu dem stolzen Gebäude der Zukunftsgesellschaft legen, in dem Menschenrecht für alle wohnen wird. W. Kähler.

Die Geschäftsleitung des Deutschen   Textilarbeiterverbandes Zwickau   und Umgegend veranstaltete einige sehr gut besuchte Versammlungen in Wiltau- Eulisch- Gainsdorf, Zwickau  Pölbiz- Marienthal, Friedrichsgrün- Vielau- Haßlau und Ottmannsdorf- Neudorfel mit der Tagesordnung: ,, Nahrungsmittelwucher, Aussperrungsfieber der Unternehmer, Organisation der arbeitenden Klassen!" In dieser Gegend harrt des Textilarbeiterverbandes, aber auch der anderen in Frage kommenden Organisationen noch eine gewaltige Aufgabe. Ein Zusammengehen aller Organisationen ist dringend

Nr. 3

erforderlich. Was die eine Gewerkschaft tut, gereicht auch den an­deren zum Vorteil. Vor allem gilt es, die Frauen aufzurütteln und für unsere Sache zu gewinnen. In Fabriken wie in Gruben herr­schen die unglaublichsten Zustände. Bei schlechter Behandlung und ungleichen Löhnen werden die Arbeiter und Arbeiterinnen gegen­einander ausgespielt. So verdienen Arbeiterinnen nach ihren An­gaben als Anlegerinnen in den Spinnereien jährlich in Wilkau 500 Mt., in Zwickau   540 Mt. und in Pölbiz 600 Mt. In Wilkau  bekommen die Arbeiterinnen an Weihnachten eine Prämie in der Höhe von 20 bis 24 Mt. ausbezahlt. Rechnen wir das zum jähr­lichen Verdienst, so kommt ein Lohn von 520 bis 524 Mt. heraus; das ist ein Minus gegen Pölbiz von 80 Mt. jährlich. Lassen sich nun die Arbeiterinnen irgend etwas zuschulden kommen, so fällt die Prämie weg. Das ist ein einträgliches Geschäft für den Unter­nehmer; die Betrogenen sind aber die Arbeiterinnen. In den Papierfabriken spart der Unternehmer die Prämie als Heiratsgut auf. Dieses System des Prämienunwesens hält nun die Arbeite­rinnen von den Organisationen zurück. Der den Arbeiterinnen ge­hörige Lohn wird ihnen in der Form eines Almosens gegeben, und um dieses Almosens willen fürchten sie, der Organisation bei­zutreten. Es ist Pflicht der Eltern, der Mütter, ihre Kinder auf dieses Unrecht aufmerksam zu machen, sie aber auch den Organi fationen zuzuführen. In den Versammlungen tam es zum Aus­druck, daß es heute gilt, die Angstlichen aufzumuntern, und daß feine Arbeiterin fehlen, daß keine abseits stehen darf, um ihrer selbst willen. Eine intensive Agitation von Person zu Person ist nötig, ein Auspeitschen der Lauen in den Versammlungen, und der Erfolg wird sich einstellen. Den erwähnten Versammlungen reihten sich zwei weitere für die Parteiorganisation an, in Ober­ hohndorf   und Heinrichsort  ; beide waren stark überfüllt, be­sonders viel Frauen waren anwesend. Partei und Textilarbeiter­verband können sich des Erfolges freuen.

In Dresden   hatte der Verband der Maler und An­streicher eine Versammlung ins Volkshaus einberufen, um den Frauen ihrer Mitglieder Gelegenheit zu geben, sich an der Auf­flärungsarbeit zu beteiligen. Die Versammlung nahm einen glän­zenden Verlauf. Mehr als 700 Personen hatten sich eingefunden. Auf manchem Gesicht konnte man den Gedanken lesen: du redest als Schwester zu uns, und du hast recht, daß du uns russt, helfen mit. Marie Wadwis.

Auf einer vom Textilarbeiterverband eingeleiteten Agita­tionstour durch die Provinz Hannover   und das Herzogtum Braunschweig   hatte die Unterzeichnete Gelegenheit, recht traurige Lohn- und Arbeitsverhältnisse und eine damit verbundene unsäg­lich niedrige Lebenshaltung unter den Arbeitern und Arbeiterinnen der Textilindustrie fennen zu lernen. Wochenlöhne für Familien­väter von 16 bis 18 Mt. und für Frauen und Mädchen von 7 bis 9 Mt. find durchaus keine Seltenheit. Das leider noch vorherrschende Akkordsystem, das durch schifanöse Strafen für Fehler noch ver­werflicher wird, erschwert eine genaue Feststellung der Löhne. Um bei solch elendem Verdienst nicht mit seiner Familie zu verhungern, bebaut in den ländlichen Gebieten der Textilarbeiter nach Feier­abend und Sonntags noch ein Stückchen Acker oder, wenn er es unter Entbehrungen am Notwendigsten möglich machen kann, zieht er eine Ziege oder ein Schwein auf. Das gibt natürlich nur wieder dem Fabrikanten Anlaß, die Löhne auf das Minimum des Lebens­unterhaltes zu drücken. Die Erfahrung, daß je niedriger der Lohn, je länger die Arbeitszeit, desto stumpfer und gleichgültiger der Proletarier für seine eigenen Interessen ist, tritt unter den Textil­arbeitern dieser Gegenden scharf zutage. Das Klassenbewußtsein und Solidaritätsgefühl ist noch unentwickelt. Die Furcht, durch Verrat aus den eigenen Reihen brotlos zu werden, ist mit die Hauptursache, daß der Organisationsgedanke nur schwer Wurzel schlägt. Um so freudiger waren in den Versammlungen das wach werdende Interesse und die spontanen Beifallskundgebungen zu begrüßen. In Stadt Oldendorf  , in der Nähe von Wolfenbüttel  , arbeiten 23 und 24 jährige Weber für 1,80 Mt. pro Tag. Der orts­übliche Taglohn ist auf 2 Mt. festgesetzt. Die Rothschildtsche Leinen­und Appreturfabrik beschäftigt 800 Arbeiter, darunter gegen 500 weibliche. Bei dem Umfang und der komplizierten Art der Pro­duktion, die, der modernen Technik angepaßt, mit geschulten Arbeits­kräften rechnen muß, wäre es den Arbeitern und Arbeiterinnen ein leichtes, dem Prozen Rothschildt bessere Lohn- und Arbeits­bedingungen zu diftieren, wenn sie nur gewerkschaftlich zusammen­geschlossen, einmütig ihre Forderungen stellen würden. Die Ver­sammlung, die in dem genannten Ort stattfand, war sehr gut be­sucht und endete mit reger Diskussion. Das läßt hoffen, daß die Agitation auf fruchtbaren Boden fällt. Es gärt überall im Lande unter den Proletariermassen. Eine ungeheure Unzufriedenheit