Nr. 5 Die Gleichheit 75 wünschten wir eine weit regere Beteiligung der Genossinnen an der Bewegung. Eine ganz planmäßige Agitation zu diesem Zwecke wird notwendig werden. Im Auftrag des Landesvorstandes der schlesischen Parteiorganisation sprach die Unterzeichnete in 18 Versammlungen in den Wahl- kreisenHirschberg,Schwcidnitz-StriegauundLandesh«t-Bolken- Hain-Jauer über„Steuersragen und Kaiserworte". Sie wies im Rahmen dieses Themas nach, daß der Staat den Proletariern und Proletarierinnen außer den Lasten an direkten Steuern die ungeheure Bürde der indirekten Abgaben auflädt, dagegen die oberen Zehntausend nicht im entferntesten zu so hohem Tribut heranzieht. Als die Referentin das Einkommen der Steuerfreien in Deutsch land , der Instrumente des Himmels kritisierte und deren Stundenlohn berechnete, war auf jedem Gesicht Entrüstung zu lesen, die sich in zahlreichen Zwischenrufen Luft machte. Während die Versammlungen in Grünau, Herischdorf und Cunnersdorf im Hirschberger Revier einen schlechten Besuch aufwiesen und deshalb zusammen nur 52 neue Mitglieder brachten, war die Beteiligung an den Versammlungen in den anderen Kreisen mit wenigen Ausnahmen desto größer. In Freiburg wurden 2« neue Mitglieder gewonnen, in Stanovitz desgleichen, in Ströbel 56, Etrieg au 38, Girlachsdorf 34, Lassan 13, Groß-Rosen 15, Königszelt 22, Iauer 45, Rothenbach 32, Liebersdorf 23, Bolkenhain 46 und in Oberleutmannsdorf 16. Die Besucher derPrittwitzdorfer Versammlung gehörten sämtlich schon der Organisation an. Schlecht war der Besuch der Versammlung in Landeshut , wo das Lokal am Ende der Stadt lag und am Versammlungsabcnd ein furchtbarer Schneesturm tobte. Nur 15 Personen ließen sich hier in die Partei aufnehmen. Zu besonderer Freude gibt der Erfolg von Königszelt Anlaß. Dort war die Versammlung am Mittag noch nicht bekannt; nachdem sie durch eine Verständigung auf den Abend festgelegt worden war, entfaltete unsere Genossin Gehre in einem halben Tage eine so rührige Agitation, daß die Referentin in vollbesetztem Lokal sprechen konnte. Von den Erfolgen für die Parteiorganisation, die„Volksmacht" und die„Gleichheit" abgesehen, haben die Versammlungen sicherlich eine gute Wirkung auf noch Fernstehende ausgeübt, indem sie diese zum Nachdenken anregien. In allen Orten gelobten die Genossinnen, tüchtig für die Partei und deren Presse zu agitieren und bei der nöchste» Neichslagswahl ihre Schuldigkeit zu tun, damit Kapitalistensippe und Junkertum in Schlesien den Lohn für ihre Taten erhalten und in allen Wahlkreisen die Fahne des Sozialismus gehißt wird. Agnes Fahrenwald. Von der tiefen Mißstimmung, die in weiten Volkskreisen über die jetzige Teuerung herrscht, legten auch die großartig besuchten Frauenversammlungen Zeugnis ab, die im siebten schleswig - holsteinschen Wahlkreis stattgefunden haben, und die vom Agitationskomitee einberufen worden waren. In Kiel , Neumünsber, Preetz und Gaarden sprach Genossin Kahler über„Brot- und Fleischteuerung und Frauenpflichten". Von den Genossen und Genossinnen war eine gute Vorarbeit durch Verbreitung von Handzetteln und Agitation von Person zu Person geleistet worden, die die Frauen aus ihrer Gleichgültigkeit geweckt und zum Besuch der Versammlungen angeregt hatte. Die Beteiligung war glänzend; in Kiel waren zum Beispiel weit über 1600 Frauen zum Protest erschienen, wovon 73 der Parteiorganisation beitraten. 233 neue Parteimitglieder und eine Anzahl Leserinnen für die„Gleichheit" wurden in den vier Versammlungen gewonnen. In Rendsburg , Hassee, Kopperpahl , Ditrichsdorf und Elmschenhagen behandelte Genossin Baumann das Thema„Lebensmittelwncher N�uenpflichten". Auch diese Versammlungen waren durch Verbreitung des Flugblatts über die Fleischnot gut vorbereitet worden und brachten der Partei 44 neue Mitstreiterinnen und der „Gleichheit" neue Abonnenten. I» Anschluß an diese Agitation im Wahlkreis Kiel -Rendsburg hielt Genossin Kähler noch eine Versammlung in Lübeck ab mit der Tagesordnung„Teure Zeiten für den Arbeiterhaushalt". In der Debatte sprach Genossin Schlomer im Sinne der Neferentin. Auch hier waren Besuch und Erfolg der Veranstaltung gut. Außer 42 neuen Parteimitgliedern wurden Abonnenten für die„Gleichheit" gewonnen. XV. lk. Bericht über die Mainzer Frauenorganisation. Es sind drei Jahre her, daß unter verschiedenen Mainzer Genossinnen der Wunsch laut wurde, eine Frauenorganisation zu gründen. Zunächst »ahm der Vorstand der hiesigen Parteiorganisation die Gründung und Leitung in die Hand. Er beschloß auch, daß eine Genossin Sitz und Stimme im Vorstand haben solle. Leider wurde der Beschluß aber nicht durchgeführt, und so trat der sonderbare und unhaltbare Zustand ein, daß die Genossinnen in ihrer eigenen Organisation nichts zu sagen hatten. Die„Rebellion" blieb nicht aus. Nach reichlich einem halben Jahre waren die Genossinnen so weit geschult, daß sie die Leitung ihrer Gruppe selbst übernehmen konnten. Die Vorsitzende erhielt nunmehr Sitz und Stimme im Vorstand der Parteiorganisation. Eine rührige Agitation zur Erweckung der Frauen wurde entfaltet. Zwei große öffentliche Frauenversammlungen mit dem Thema:„Gesundheitspflege des Kindes" waren überaus stark besucht. Dagegen wiesen die folgenden öffentlichen Versammlungen mit politischem Referat, in denen die Genossinnen Kähler, Fahrenwald, Zieh undBauman n sprachen, einen nur mäßigen Besuch auf. Trotzdem war die Mühe nicht umsonst, jede Versammlung brachte unserer Organisation neue Mitglieder. Die Leitung machte es sich zur Aufgabe, die neugewonnenen Genossinnen tiefer in die Gedankenwelt des Sozialismus einzuführen. Es wurde zu diesem BeHufe eine Reihe von Einzelvorträgen gehalten und ein Vortragszyklus veranstaltet:„Ziele und Bestrebungen der Sozialdemokratie, das Erfurter Programm." Genosse Adelung halte dankenswerterweise die Erläuterung des Erfurter Programms übernommen. Es beteiligten sich durchschnittlich 35 bis 40 Personen an dem Kursus. Wir wissen, daß die meisten Proletarierinnen mit abgerackertem Körper und müdem, durch Sorgen gedrückten Geist zu unseren Veranstaltungen kommen. Die theoretischen Vorträge aber stellen größere Anforderungen an Aufmerksamkeit und Denkkraft. Wir sahen es manch einer eifrigen ZuHörerin an, wie anstrengend es für sie war, den Darlegungen zu folgen. Um so mehr freut es uns, daß trotzdem ein Stamm neuer Genossinnen dem Unterricht treu geblieben ist. Es muß hervorgehoben werden, daß die proletarische Frauenbewegung in Mainz bereits über einheimische Referentinnen verfügt, ein gutes Zeichen das für ihren inneren Wert. Unter den Vortragenden befanden sich unsere Genossinnen Kahl und Eis in g er. Die Gruppe, die eine besondere Sektion der Parteiorganisation bildet, zählt jetzt 168 Mitglieder, der Monals- beitrag beträgt 35 Pf. Die Lieferung der„Gleichheit" ist obligatorisch eingeführt. Trotz der vielen Versammlungen und Vorträge müssen wir ehrlich sagen, daß der Erfolg uns»och nicht befriedigt. Es wurde geplant, unsere Veranstaltungen in Vortrags-, Lese- und Diskussionsabende einzuteilen. Woran scheiterte der Plan? Zunächst an der Überlastung der geeigneten Referenten und dann an unseren Genossinnen. Die Versammlungen, in denen Genossinnen aus unserer eigenen Organisation sprachen, waren mäßig besucht; es waren fast mehr Genossen als Genossinnen anwesend. Nur wenn eine hervorragende rednerische Kraft spricht,„zieht es". Das ist aber nicht nur bei den Frauenversammlungen der Fall. Um die Frauen anzuziehen und sie zu fesseln, sollten wir auch nicht nur wissenschaftliche Vorträge veranstalten. Diese stellen Anforderungen, denen die Frauen aus Gründen nicht immer gewachsen sind, auf die wir bereits hingewiesen haben. Außerdem verlangt das Gemüt der Frauen auch ihr Recht. Wir müssen daher Abwechslung in das Gebotene bringen. Literarische Vorträge mit Rezitationen aus den Werken unserer großen freiheitlichen Dichter wirken anregend und erwecken Idealismus und Kampffreudigleit. Es ist eine schwere Aufgabe, die proletarischen Frauen aufzurütteln und für unsere Sache zu gewinnen. Wir müssen dazu alle Kräfte anspannen und jede Möglichkeit ausnutzen. Endlich muß der Erfolg kommen: „Zum Amboß hat es einer gesagt, daß er aus demselben Stoffe gemacht sei wie der Hamnier. Und stehe! Er will nicht länger Amboß sein." Olga Gerlinger. Eine Frnuenkonferenz für de» Regierungsbezirk Magde burg tagte am 22. Oktober in Magdeburg . Bezirkssekretär Genosse Beims eröffnete sie mit einer kurzen Ansprache an die Delegierten. 26 Ortschaften aus 7 Wahlkreisen waren durch 40 Delegierte vertreten. Nur ein Kreis, Jerichow I und II, hatte keine Vertreter entsandt. Als Vorsitzende der Konferenz wurden die Genossinnen Kaßner und Knöfl er- Magdeburg und Genossin Banse- Wernigerode gewählt. Zum ersten Punkt der Tagesordnung hielt Genossin Zieh einen Vortrag über„Die Aufgaben der Frau in der sozialdemokratischen Parteiorganisation". Die Rednerin führte aus, daß die Schwierigkeiten, die manchenorts durch den übertritt der Frauenbildungsvereine zu der Parteiorganisation entstanden wären, nunmehr behoben seien. Die gemeinsame Organisation beschränke zwar die frühere Bewegungsfreiheit der Genossinnen, stelle aber auch hinter ihre Arbeiten und Forderungen die gesamte Partei. Die Genossinnen in den Vorständen der gemeinsamen Organisation seien nicht bloß Dekorationen. Sie hätten die schwierige Anfgabe, die Genossinnen in lebendiger Fühlung mit der Organisation zu halten. Sie legte dann die Hemmnisse dar, die sich den praktisch tätigen Genossinnen in den Weg stellen. Diese seien hauptsächlich in den mannigfachen Anforderungen an die Frauen als Arbeiterin, Hausfrau, Mutter und Erzieherin begründet. Man solle daher
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21 (5.12.1910) 5
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