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Die Gleichheit
sationen auch die Zentralverbände der Gewerkschaften Genofsinnen delegiert. Der Berichterstattung ist zu entnehmen, daß es Ende Juni in Niederösterreich 3617 weibliche Parteimitglieder gegeben hat. Sehr gehemmt wird die Agitationstätigkeit in Nieder österreich dadurch, daß es den Genossinnen an den notwendigen Geldmitteln mangelt. Der Delegierte der Landesparteivertretung fonnte sich überzeugen, daß die Parteitasse mehr als bisher für die Agitation unter den Frauen herangezogen werden muß. Wir zweifeln nicht, daß das geschehen wird, und dann werden wir in Niederösterreich auch größere Erfolge als bisher aufweisen. Es wurde beschlossen, zur sozialistischen Schulung der Mitglieder überall Diskussionsabende einzuführen und zur Propaganda für den in Kopenhagen beschlossenen internationalen Frauentag Versammlungen einzuberufen mit der Tagesordnung: Lebensmittelteuerung und Frauenwahlrecht. Ein Flugblatt über diese beiden Fragen wird demnächst verbreitet werden. Auch den Jugendbibliotheken und der Veranstaltung von Märchenvorlesungen mit Lichtbildern für Kinder soll besondere Aufmerksamkeit zugewendet werden. Ein Landeskomitee wurde wieder gewählt, das die Agitation in Niederösterreich zu leiten hat.
Verschiedenes.
a. p.
Was schenken wir unseren Kindern? Die Geschäfte haben sich für den Weihnachtsverkauf gerüstet. Die Schaufenster sind mit tausenderlei Dingen gefüllt, darunter die herrlichsten Spielsachen für Kinder. Die Kleinen, die vorüberkommen, drücken sich die Näschen platt an den Scheiben und starren verzückt in die wundersame Märchenwelt. Doch ist leichter ausgewählt als gekauft. Schwer ist Wählen und Kaufen für viele, viele Eltern, die ihre Kinder beglücken möchten und doch mit jedem Groschen rechnen müssen. Die Frage, was sie ihren Lieblingen unter die Tanne legen sollen, verdient reifliche Überlegung. Das sauer verdiente Geld darf nicht in brüchigen Tand und wertlosen Krimskrams gesteckt werden. Es gilt, Gegenstände auszusuchen, die dem Alter und Verständnis des Kindes angepaßt sind und ihnen zusammen mit Freude und Unterhaltung auch geistige Anregung bieten. Nicht jeder kindlichen Bitte ist Gehör zu schenken. Kinder besitzen eine lebhafte Phantasie und Lassen sich leicht durch äußere Einwirkung blenden. Es folgt dann rasch die Enttäuschung, und die Freude ist vorbei. Bei einigem Geschick ist es indessen nicht schwer, Kinder von törichten Wünschen abzubringen. Spielsachen sollen zum Denken anregen, sollen Fähigteiten und Neigungen der Kinder erkennen lassen. Stilles Beobachten der Kinder beim Spiele bietet den Eltern manchen guten Wink für die Erziehung. Deshalb ist Sorgfalt bei der Auswahl von Spielsachen am Blaze. Werkzeuge, Bau- und Farbentästen, Wagen, Garten- und Küchengeräte, Puppen und Puppenstuben, Näh-, Stick und Häkelzeug, Bälle, Kegel, Geduldspiele sind einige der Sachen, die Kinder beglücken und bilden können. Was Bücher anbelangt, so fanden und finden die Leserinnen an anderer Stelle Fingerzeige, die ihnen erleichtern, den Weizen von der Spreu zu sondern.
Eins können wir den Proletariereltern nicht dringend genug ans Herz legen: fauft teine. Säbel, Flinten, Uniformen! Pflanzt nicht schon die verderbliche Militärschwärmerei in die zarte, empfängliche Kindesseele! Wer es tut, versündigt sich an seinen Klasseninteressen, an der Kultur und Menschlichkeit. Jugendeindrücke wirken nachhaltig aufs spätere Leben ein! Proletarier und Proletarierinnen, die durch Tand Neigung für den Militarismus in ihren Rindern züchten helfen, binden selbst mit die Ruten, mit denen sie gezüchtigt werden. Viele proletarische Eltern gibt es, die noch nicht fühlen, daß der Kampf gegen den Militarismus beim Kinde anfängt. Ihnen rufen wir zu: Hinaus aus eurem Heim mit der Nachäffung der Mordwerkzeuge! Denkt an die Schmach von Mans feld ! Erinnert euch der Maschinengewehre, die ihre verderbenspeienden Schlünde auf eure hungernden Brüder und Schwestern richteten. Söhne der Mansfelder Bergleute waren es, die nach dem Aussperrungsgebiet gesandt worden waren, auf daß sie eventuell auf Vater, Mutter und Geschwister schießen sollten! Und wird nicht bei allen Arbeiterdemonstrationen das Militär mit scharfer Munition ausgerüstet und bereitgestellt?! Speit nicht die patriotische und gottesfürchtige Presse Gift und Galle , weil in Moabit nicht Militär verwendet wurde, um die Massen niederzumegzeln? Hinaus mit dem Mordspielzeug, hinaus mit der bunten Uniform und all den Kinkerlitzchen, hinaus mit allem aus dem Arbeiterheim, was reaktionäres Empfinden und Denken stärken, was das Auffeimen und Reifen proletarischen Klassenbewußtseins hemmen kann. Die Kinder von heute werden die Kämpfer von morgen sein. Sorgen Emil Unger. wir dafür, daß sie auf der rechten Seite stehen.
Literarisches.
Nr. 5
Schillers Werke, eingeleitet durch eine Biographie des Dichters von Franz Mehring , das ist eine wertvolle literarische Weihnachtsgabe für die Arbeiterklasse, die wir ihr schon längst gewünscht haben. Mit Inappen, fräftigen Strichen läßt Genosse Mehring ein lebenswarmes Bild des großen Dichters erstehen, der seinem dramatischen Erstling das fühne Geleitwort mitgab: Wider die Tyrannen." Und mit dem Bilde der Persönlichkeit zusammen stellt er die Zeit vor unser Auge, aus der Schiller emporgewachsen ist. Das alles mit der Sachkenntnis und dem Talent des Mannes, dem das deutsche Proletariat die Lessinglegende verdankt. Was Schillers Werke anbelangt, so enthalten sie alles, was den Massen den Dichter und Denker näher bringen, was ihnen eine Quelle der Bereicherung und Erhebung ihres Seins werden kann. Fortgelassen sind nur bedeutungslosere Übersetzungen, überlebte, unbehilfliche lyrische Gedichte, Xenien , deren Inhalt weitab vom Interesse des Proletariats liegt, und philosophische Abhandlungen, die nicht tiefer in Schillers Weltanschauung einführen. Die Ausgabe hätte unseres Dafürhaltens nicht verloren, wenn noch manches weitere Gedicht der ersten Periode fortgeblieben wäre. Die drei geschmackvoll ausgestatteten Bände foften nur 3,50 Mt. Sie müssen in Hunderttausenden von Exemplaren in die Massen wandern.
Erlebnisse eines Hamburger Dienstmädchens. Von Doris Viersbeck. Lebensschicksale Band 4. München , Ernst Reinhardt. 103 Seiten. 1 Mt.- Adelheid Popps Jugendgeschichte einer Arbeiterin" zeigt uns, wie ein ganz auf sich allein angewiesenes Rind der Armut aus den Niederungen seiner Umgebung sich durch eigene Kraft zur klassenbewußten Führerin von Tausenden emporarbeitet und in Tausenden wieder den großen Gedanken der Solidarität wedt. Der große Wert dieser Biographie liegt darin, daß in ihr das Leben und Streben des einzelnen mit dem Kampf von Millionen Leidensgefährten verknüpft wird, daß das Einzelschicksal in den großen Strom der Arbeiterbewegung einmündet. Dadurch erlangt das Buch seine Bedeutung für die große Masse der strebenden und kämpfenden Proletarierinnen. Die Verfasserin der„ Erlebnisse eines Hamburger Dienstmädchens" sieht nicht über den engen Kreis der eigenen Leiden hinaus, ihr gelingt der Schritt zur Erkenntnis des Zusammenhangs der sozialen Verhältnisse nicht. Ihre ganze Einsicht gipfelt in den Schlußworten ihres Buches: Allen lieben Mitmenschen, die gezwungen sind, ihr Brot an anderer Leute Tisch zu essen, möchte ich zurufen: Tut immer eure Pflicht, voll und ganz; aber dann verteidigt euch auch, wenn es not tut." Es liegt ihr fern, ihre in gleicher Lage befindlichen Schwestern zum Kampf für die Verteidigung ihres Rechts, zum Kampf für die Erringung eines menschenwürdigen Daseins aufzufordern. Ihnen muß Ermunterung von anderer Seite kommen. Dank unserer unermüdlichen Agitation unter den Hausangestellten sehen immer mehr Hausstlavinnen ein, daß ein Mittel allein zur Besserung ihrer Lage führen kann: der Zusammenschluß aller zu einer machtvollen Dr M. W. ganisation.
Achtung! Genossinnen!
Geschäftsführerin gesucht!
3ur Führung der Geschäfte der Ortsgruppe Hannover des Verbandes der Hausangestellten suchen wir zum 1. Januar 1911 eine in der Agitation und in schriftlichen Arbeiten erfahrene Genossin. Mit dem Bureau ist ein Stellennachweis verbunden. Gehalt nach Übereinfunft. Dem Bewerbungsschreiben ist ein selbstgeschriebener Aufsatz über„ Die Aufgaben einer Geschäftsleiterin für den Verband der Hausangestellten" beizulegen.
Bewerberinnen wollen sich unter Angabe der bisherigen Tätigkeit in der Arbeiterbewegung bis zum 16. Dezember schriftlich an den Gewerkschaftssekretär Kurt Mey, Han nover , Nikolaistraße 7 I wenden.