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Die Gleichheit
Arbeiterklasse im wirtschaftlichen und politischen Kampfe den vollen Sieg erringen helfen.
Was die Lohnbewegung der Bergarbeiter im Ruhrrevier anbetrifft, so hat eine Konferenz der Vorstände des alten Verbandes, der Hirsch- Dunckerschen und polnischen Organisation zu der ablehnenden Antwort der Zechenherren und der Bergdirektion Stellung genommen. Die Beauftragten waren sich einig darüber, daß die Begründung des Zechenverbandes und der Königl. Bergdirektion für ihre Ablehnung gänzlich haltlos fei. Es wurde beschlossen, in kürzester Frist Vertreterkonferenzen abzuhalten und mit den Vertrauensleuten die weiteren Schritte zu beraten.
In dem großen Kampf in der Pforzheimer Edelmetall. industrie ist die Lage unverändert. Die Arbeiter werden in einer demnächst stattfindenden Urabstimmung darüber entscheiden, ob der Streit fortzusetzen oder abzubrechen und auf eine günstigere Zeit zu verschieben ist. Hervorzuheben ist, daß das Unternehmertum in diesem Kampfe die Hilfe der„ liberalen" Regierungen Badens und Württembergs genießt. Der Unternehmerverband hatte sich an die Ministerien in Karlsruhe und Stuttgart mit der Klage gewandt, daß das Gesetz die Arbeitswilligen nur ungenügend beschirme. Natürlich verlangten die Herren ausgiebigeren Schutz für ihre ,, Rausreißer". Daraufhin wurden unter anderem in einer kleinen württembergischen Gemeinde neun Gendarmen zum Schuße eines einzigen Arbeitswilligen stationiert.
Das Zentralschiedsgericht für das Baugewerbe, das aus Anlaß der letzten großen Bauarbeiterbewegung ins Leben treten sollte, wird sich nun konstituieren. Es erhebt sich als die oberste Tarifinstanz über den Schlichtungskommissionen und örtlichen Schiedsgerichten. Zusammensetzen soll sich das Zentralschiedsgericht aus 3 von den Unternehmern und 4 von den Arbeitern gewählten Vertretern, sowie 3 gemeinsam gewählten Unparteiischen. Können sich die Parteien über die 3 Personen der Unparteiischen nicht einigen, so soll sie das Reichsamt des Innern ernennen. Eine Einigung über diese 3 Personen fonnte nicht erzielt werden, und so hat das Reichsamt des Innern, außer dem Geheimrat Wiedfeldt, den die Parteien selbst wünschten, Oberregierungsrat Mayr- München und Magistratsrat Wölbling- Berlin als Unparteiische ernannt. In Arbeiterkreisen ist der Wunsch sehr lebhaft, daß das Zentralschiedsgericht mit seiner Tätigkeit bald beginnen möge.
Eine Regelung der Arbeitszeit in den Rechtsanwaltsbureaus fetzte der Verband der Bureauangestellten in Berlin durch. Der Berliner Anwaltsverein, der sich früher auf keinerlei Verhand lungen mit der Organisation der Angestellten einlassen wollte, hat nicht nur mit dem Verband verhandelt, sondern auch dessen Grundsätze über die generelle Regelung der Arbeitszeit angenommen. Danach soll die Arbeitszeit in Rechtsanwaltsbureaus nur noch 8 Stunden täglich betragen, Überstunden sollen vermieden und wenn nicht zu umgehen, höher vergütet werden; der Bureauschluß soll tunlichst um 7 Uhr abends erfolgen.
Es wird versucht, in die Handelsgehilfenbewegung einen neuen Keil einzutreiben. Der Bund der technisch- industriellen Beamten" hatte es sich gern gefallen lassen, daß die Arbeiterpresse seine Organisationsbestrebungen tatkräftigst unterstützte. Nunmehr gibt er seit November eine besondere Zeitung für die Handlungs gehilfen heraus:„ Der kaufmännische Angestellte". Gleich in der ersten Nummer gibt dieses Blatt den Handlungsangestellten den guten Rat, sich fern von den organisatorischen Bestrebungen der Arbeiter zu halten. Der„ Zentralverband der Handlungsgehilfen " habe den Fehler gemacht, sich den freien Gewerkschaften anzu schließen, deren enge Beziehungen zu einer einzelnen politischen Partei allgemein bekannt sei". Dadurch hätten die Handlungss gehilfen naturgemäß abgeschreckt" werden müssen. So widers sinnig diese Abschreckungstheorie„ naturgemäß" ist, so zeigt sie doch unseren Gewerkschaften und unserer Presse, woran sie mit dem Bund der technisch- industriellen Beamten sind. Freilich wird es auch betreffs des Geistes heißen, der aus der angezogenen Stellungnahme spricht, daß noch nicht aller Tage Abend ist.
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Aus der Textilarbeiterbewegung. Die preußischen Machts haber haben jezt den Legitimationstartenzwang auch auf die in der Industrie beschäftigten ausländischen Arbeiter ausgedehnt. Mit preußischer Brutalität werden die hilflosen Arbeiter mit ihren Familien nach Ablauf der Gültigkeitsdauer der Karte abgeschoben. So wurden in Landeshut i. Scht. die tschechischen Industries arbeiter ausgewiesen, soweit sie sich erst nach dem 1. Januar 1909 dort niedergelassen hatten. Sie mußten über die Grenze und dürfen, wenn sie danach Lust haben sollten, in etwa einem Monat wiederkommen. Auch in Leobschütz bereitete die Junkerregierung dem ausländischen Arbeiter kurz vor dem Fest der Liebe" das
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gleiche Schicksal. Die ohnehin mittellofen Arbeiter geraten selbstverständlich durch die Ausweisung in die entsetzlichste Not. Die Drganisation fann bei der großen Zahl der Ausweisungen Unterstüßung nicht gewähren. Sie wird es sich angelegen sein lassen, fünftig durch Aufklärung syftematischer und energischer als bisher den Zuzug ausländischer Arbeiter im Interesse dieser Proletarier selbst fernzuhalten. Wie frivol deutsche Bureaukraten mit Arbeiterexistenzen spielen, beweist auch die Ausweisung einer tschechischen Arbeiterfamilie aus Vechelde . Die Familie wohnt seit zwölf Jahren im Orte und arbeitet in der Jutefabrit. Die Mutter hat das letzte Wochenbett kaum verlassen. Die Kinder haben sich nun in einem Obstgarten einige Apfel geholt. Sie haben weiter mit Bleistücken einem Schokoladeautomaten Schokolade entnommen. Diese Streiche von Kindern, für deren Erziehung die ausgebeuteten Eltern keine Zeit hatten, genügten der Kreisdirektion, um die ganze Familie am 16. Dezember aus dem Herzogtum Braunschweig auszuweisen.- Der Streit der Arbeiter der Feinweberei Steiger& Deschler in Krumbach in Schwaben ist nach 13 wöchiger Dauer beendet worden. Die Lohnerhöhung der Spulerinnen durchzusetzen, ist nicht gelungen. Die Spulerinnen waren mangelhaft organisiert und infolgedessen wurden mehr als die Hälfte zu Streitbrecherinnen. Die Kettenandreherinnen erhalten fünftig für 1000 Faden 32 Pf. statt 30 Pf. wie bisher. Schließer bekommen 10 Prozent und Weber 8 bis 18 Prozent Lohnerhöhung. In Berlin wurde der Streif der Axminsterweber und Hilfsarbeiterinnen der Firma Feibisch mit schönem Erfolg durchgeführt. Herr Feibisch zahlt künftig 10 Prozent mehr Lohn als bisher. h. j.
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Ein erfolgreicher Streik Münchener Kellnerinnen ist zu verzeichnen. In dem bekannten Bierrestaurant des Kindlkeller wurden die Kellnerinnen mit 50 Pf. Lohn pro Abend werktags und 1 Mr. an den Sonntagen abgespeist. Da sie im Verband der Gastwirts gehilfen und gehilfinnen" organisiert sind, ließen sie durch den Sekretär dieser Organisation vor einiger Zeit eine Entlohnung von 1,50 Mt. werktags und 2,50 Mt. Sonntags fordern. Der Geschäftss führer des Restaurants lehnte die Forderung ab und erklärte, er werde zunächst über eine Lohnerhöhung mit der Freien Vereini gung der Gastwirte" verhandeln. Die Unterhandlungen kamen zu feinem Abschluß. Daraufhin stellten die Kellnerinnen am Nachmittag des katholischen Feiertags Mariä Empfängnis die Arbeit ein. Die sofort aufgenommenen Verhandlungen endigten mit der Anerkennung ihrer Forderungen.
Genossenschaftliche Rundschau.
In den ersten Tagen des Dezember gab es im Reichstag wieder einmal eine Mittelstandsdebatte. Diese Gelegenheit, gegen die viel beneideten Konsumvereine der Arbeiter loszuziehen, ließen die bürgerlichen Parteien natürlich nicht ungenutzt. Neues tann man in dieser Beziehung zwar beim bösesten Willen nicht vorbringen. Tut nichts. Wenn die auf die Stimmen der Krämer spekulierenden Abgeord neten nur zeigen können, daß sie stets bereit sind, mit dem Maul den Mittelstand zu retten. Den Anlaß zu der Debatte gab ein konservativer Antrag. Abgeordneter Pauli, der ihn begründete", stimmte ein großes Klagelied über die Konsumvereine an, die mitschuldig seien, daß die kleinen Betriebe bald vollständig aufgerieben" seien. Daß es den Arbeitern viel schlechter geht als dem Mittelstand, und daß daher die Konsumvereine von großem wirtschaftlichen Werte für sie sind, dürfen Leute vom Schlage des Herrn Pauli nicht gelten lassen. Ihr Egoismus läßt soziale Gefühle für andere Unterdrückte überhaupt nicht aufkommen. Der nationalliberale Abgeordnete Findel schlug in dieselbe Kerbe. Seiner Meinung nach sind die Konsumvereine, auch die der Beamten usw.- der Mann ist wenigstens fonsequent, am gefährlichsten" für den Mittelstand, viel gefährlicher als private Großbetriebe gleicher Art und Warenhäuser. Sie paßten überhaupt nicht in den Rahmen des Genossenschaftsgesetzes, denn die Genossenschaftsform dürfe nicht dazu dienen, einen Teil des deutschen Volkes zu ruinieren". Diesem Herrn Liberalen" scheint also eine Verschlechterung des Genossenschaftsgesetzes zuungunsten der Konsumvereine vorzuschweben. Sehr liberal, das muß man sagen! Die einfachste Formel aber fand der Reichsparteiler Linz . Frisch, fromm und frei erklärte er: „ Die Konsumvereine sind eine wirtschaftliche Ergänzung der Sozialdemokratie." In den Berichten der Presse ist Näheres über die Begründung dieses glänzenden und funkelnagelneuen Gedankens nicht zu lesen. Das ist auch gar nicht nötig. Mit diesen lapidaren Worten hätte der Herr Abgeordnete, bislang eine unbekannte Größe, seiner Pflicht, zu schimpfen und zu denunzieren, vollauf genügt. Der sozialdemokratische Redner, Genosse Brühne, fertigte die Hetzerei der Herren mit einigen treffenden Bemerkungen ab. Soweit aus
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