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Die Gleichheit

würden. Der unmittelbare Erfolg der Versammlung war, daß 45 neue Mitglieder, zumeist Frauen, dem sozialdemokratischen Verein beitraten. Um die neugewonnenen weiblichen Mitglieder festzuhalten und zu schulen, fand bereits am 3. Dezember in Hockenheim   die erste Frauenversammlung statt, in der Genossin Blase über Agi­tation und Organisation" sprach. Sie legte dar, welche besondere Aufgaben für die neugegründete Frauenfektion des sozialdemokra tischen Vereins erwachsen. Zum Schlusse wurde Genossin Konze zur Vorsitzenden und Genossin Kraus zur Schriftführerin dieser Seftion gewählt. Demnächst soll auch in Ladenburg   eine Zu­sammenkunft der neugewonnenen Genossinnen stattfinden. Des gleichen in dem benachbarten Neckarhausen  , wo bei der Weih­nachtsfeier die ersten weiblichen Parteimitglieder aufgenommen wurden. Bei dieser Veranstaltung hatte Genossin Blase die Festrede übernommen. In ihr wandte sie sich besonders an die Frauen und wies auf die Notwendigkeit hin, daß auch. sie sich am politischen Leben beteiligen müßten. Fünfzehn Frauen traten daraufhin der Parteiorganisation bei. Gelingt es uns weiter, in diesem Tempo unter den Frauen des elften badischen Reichstagswahlkreises festen Boden zu gewinnen, so wird die dortige Parteiorganisation bald über eine stattliche Zahl weiblicher Mitglieder verfügen.

In Bruchsal  , im dreizehnten badischen Reichstagswahlkreis, sprach Ende November Genossin Blase in öffentlichen Volksver­sammlungen über Die Frau im Rampfe gegen die Lebensmittel­teuerung". Das Versammlungslokal war bis auf den letzten Platz besetzt, auch viele Frauen waren erschienen. Die Rednerin betonte, daß gerade die Frauen unter den heutigen Zuständen am meisten leiden. Daher sei es auch die Pflicht aller Arbeiterfrauen, an dem Kampfe gegen diese Zustände teilzunehmen und sich zum Sozialis mus zu bekennen. Die Frauen dürften nicht wie bisher den Be­strebungen der Sozialdemokratie gleichgültig gegenüberstehen, son dern sie müßten Schulter an Schulter mit den Männern um bessere Lebensbedingungen ringen. Nach dem Referat konnten der kürzlich gegründeten Frauenfektion neue Mitglieder zugeführt werden, so daß deren Zahl nunmehr 35 beträgt.

Auf einer besonderen Agitationstour durch ganz Baden wurden für die sozialdemokratische Partei zahlreiche weibliche Mitglieder geworben. Unsere fernere Tätigkeit muß darauf gerichtet sein, die geschaffenen Anfäße zur politischen Organisation der Frauen weiter zu entwickeln und die neu gewonnenen weiblichen Mitglieder ganz mit sozialistischem Geist zu erfüllen. In dieser Zeit, wo dank der Wirtschaftspolitik der Regierung und der Reichsfinanzreform die Frauen überall zu erwachen beginnen, ist es Pflicht jeder Genossin, mit allen Kräften mitzuarbeiten, zu agitieren, zu organisieren, zu studieren. Therese Blase.

In der Zeit vom 20. bis 27. November fanden im Wahlkreis Görlitz  - Lauban   Frauenversammlungen statt in Görlig, Reichen bach, Weißwasser  , Bernsdorf  , Mustau, Niesky   und Neu falz. Genoffin Weyl behandelte das Thema Die Kulturaufgaben der Frauen in der heutigen Gesellschaft". Die Versammlungen waren gut besucht. Die Frauen zeigten ein reges Interesse an den Darlegungen der Rednerin. Es konnten für unsere Parteiorgani­sation wieder neue Mitglieder gewonnen werden. In Reichen bach war der Reichsverband durch einen Amtsrichter und einen Lehrer in der Versammlung vertreten. Diese versuchten in der De­batte mit ihren allbekannten Einwendungen die Wirkung der Rede abzuschwächen. Dem Genossen Taubudel und der Referentin war es jedoch ein leichtes, ihre Behauptungen zu widerlegen. Die Reichs­verbändler haben keine Lorbeeren bei uns gepflückt, sondern nur dafür gesorgt, daß die nächste Versammlung noch besser besucht sein wird.

K. W.

Auch in Württemberg   marschiert die proletarische Frauen­bewegung. Zwar bilden die politisch organisierten Frauen noch ein geringes Häuftein im Verhältnis zur Zahl der organisierten Parteigenossen. Aber durch eifrige Aufklärungsarbeit unter dem weiblichen Proletariat gelang es im letzten Jahre, die Zahl der weiblichen Parteimitglieder mehr als zu verdoppeln. Die Verteuerung und Verschlechterung der Lebenshaltung durch Zölle und Steuern, die sich immer schärfer zuspitzenden Gegensätze unserer inneren Politit schaffen eine Atmosphäre, die es uns ermöglicht, unsere Agitation auch unter die rückständigsten Schichten der Bevölkerung zu tragen, die Gleichgültigkeit auch der Frauen zu brechen und diese für die Ziele des Sozialismus zu gewinnen. Und vor allem hat die starke Entwicklung, die der Kapitalismus in den letzten Jahren in Württemberg   nahm, den Boden für unsere Arbeit gut vorbereitet. In dieser Erkenntnis beschloß der sozialdemokratische Landesverband, in Württemberg   eine größere Agitationstour zu veranstalten. Mit dieser Aufgabe wurde die Unterzeichnete betraut. Sie behandelte folgende Themata: Der Kampf gegen Voltsaus

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plünderung und Volksknebelung"," Patriotismus und Sozialdemo fratie"," Der proletarische Klassenkampf und seine historische Be deutung"," Die Frauen und die gegenwärtige politische Situation". Die Versammlungen waren mit wenigen Ausnahmen sehr gut be­sucht. Frauenversammlungen wurden abgehalten in Ludwigs­ burg  , Backnang  , Feuerbach  , Heilbronn   und Untertürk­ heim  . In den anderen Orten fanden Volksversammlungen statt, zu denen aber die Frauen besonders eingeladen worden waren und in denen sie meist die Hälfte der Versammlungsbesucher bildeten. Nach dem Referat bemühten sich Genossen und Genossinnen mit guten Erfolg, Mitglieder für die Partei und Leser für unsere lokale Presse und die Gleichheit" zu gewinnen. Besonders hervorzuheben ist die Versammlung in Ulm  . Dort versuchen die Unternehmer, die Proletarier durch Wohltätigkeiten" von der Arbeiterbewegung fernzuhalten. Gerade in Ulm   war die Versammlung start von Frauen besucht, und viele von ihnen traten der Partei bei. Einen schönen Verlauf nahm die Versammlung in Ebingen  , wo schon durch frühere Veranstaltungen ein Stamm von Genossinnen für die Partei gewonnen ist. Hier trat ein Herr für die Fortschrittspartei in die Schranken und behauptete, auch diese sei gegen die indirekten Steuern gewesen. Ein Parteigenosse und die Referentin deckte dann die Volksfreundlichkeit" der Politik dieser Partei in ihrer wahren Gestalt unter der Zustimmung der Versammlung auf. über alles Erwarten glänzend war der Besuch der Versammlungen in Neu­hausen, Fridingen   und Wurmlingen  , überwiegend ländliche Ortschaften in der Nähe von Tuttlingen  , in denen bisher das Zen­trum fast uneingeschränkt sein Zepter schwang. Die Versammlung in Fridingen   fand an einem Sonntagnachmittag statt. Zur ait­gesetzten Zeit war noch kein Mensch im Versammlungslokal zu ent­decken. Die Leute waren in der Kirche. Sobald aber die Kirche aus war, füllte sich der Saal bis auf den letzten Platz. Viele mußten umkehren. Die Frauen trauten sich noch nicht in die Versammlung. herein, sondern blieben unter den Fenstern und im Hausflur des Versammlungslokals stehen, um wenigstens hereinsehen zu können und etwas von dem Gesprochenen zu erhaschen. Doch ist das Inter­esse der Frauen einmal geweckt, so werden ihre Vorurteile und Schüchternheit auch überwunden werden. Hoffentlich halten die Ge­nossen in Neuhausen ihr Wort, die versprachen, in die nächste Versammlung auch die Frauen mitzubringen. In Stuttgart   fanden aus Anlaß der bevorstehenden Bürgerausschußwahlen acht Frauen­versammlungen statt mit dem Thema: Hat die Frau in der Ge­meinde zu schweigen?" Diese Versammlungen beweisen, daß unsere Partei den Wahlkampf nicht auf die Eroberung von Mandaten be­schränkt, sondern daß sie ihn ausnutzt, um Aufklärung in die weitesten Schichten zu tragen. Die Versammlungen waren, mit Ausnahme der Cannstatter  , gut besucht, und in allen konnten neue Kämpfe­rinnen für den Sozialismus geworben werden. Auch in Württem­ berg   reißt die Entwicklung des Wirtschaftslebens wachsende Scharen von Frauen und Mädchen aus dem Familienhaushalt in das Er­werbsleben hinaus. In der Leder- und Textilindustrie namentlich findet die weibliche Arbeitskraft immer stärkere Anwendung. Ein gemeinsames Schicksal verknüpft die proletarischen Männer und Frauen in der Fronde für den Kapitalismus und macht es auch den Frauen zur Pflicht und Notwendigkeit, sich den Reihen ihrer für ein freies Leben kämpfenden Brüder in der Arbeiterbewegung anzuschließen. Geschieht das, so werden die Organisationen au Macht und Schlagkraft gewinnen, um heute schon der kapitalistischen  Ordnung Reformen für die Ausgebeuteten zu entreißen und diese dadurch wehrlustiger und wehrtüchtiger zu machen, ihr Endziel zu erreichen: die Befreiung der Arbeiterklasse als Werk der Arbeiter­tlasse. Elfriede Gewehr.

Dem Beschluß des Magdeburger   Parteitags, überall die Frauen zum Protest gegen den Brot- und Fleischwucher aufzurufen, kanı auch die Parteileitung in Bremen   nach. Sie berief fünf öffent­liche Versammlungen ein, die vom 21. bis 26. November legten Jahres stattfanden und sehr start besucht waren; zwei derselben verliefen geradezu imposant. Das Thema dieser Versammlungen: Lebensmittelwucher und Warenteuerung" behandelte Genossiu E. Gewehr, Elberfeld  .

Am 27. und 28. November v. J. fanden auch im Nachbarkreise Vegesack   und Blumental öffentliche, von Frauen start besuchte Versammlungen statt, in denen die gleiche Rednerin sprach. Das Thema lautete: Die Frauen und die politische Lage". Auch hier brandmarkte die Referentin vornehmlich den Lebensmittelwucher und geißelte das persönliche Regiment, das sich immer hüllenloser zu zeigen wagt. Die Versammlungen hatten neben dem mora lischen auch einen schönen unmittelbaren Erfolg. Es wurden Wit­glieder für die Partei und Abonnenten für die Bremer Bürger­Zeitung" und die Gleichheit" gewonnen. Wahrlich, es ist jetzt

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