Nr. 9

Die Gleichheit

rinnen, in Paris , 9000 im Norddepartement, 4000 in Lyon . Diese Vereine aber sind als unabhängige Gewerkschaften nicht anzu­sehen, sondern stehen unter dem Einfluß der besitzenden Klassen. Besonders in der französischen Provinz liegt die gewerkschaftliche Organisation der Arbeiterinnen im argen. In Lyon gibt es zwei Frauengewerkschaften, die an die Arbeitsbörse angeschlossen find. Sonst zeigen in der Provinz bloß noch die Spigenarbeiterinnen, Spinnerinnen und Handschuhmacherinnen Anfäße zur Or ganisation. Wie Georges Renard in einem Artikel in der letzten Dezembernummer der Grande Revue" darlegt, bietet nur die eine größere Anzahl von Arbeitern vereinigende Fabrit einen Boden für die gewerkschaftliche Organisation. Der Pariser Gewerkschaft der Wäschearbeiterinnen gehört nicht eine einzige Heimarbeiterin, den fatholischen Gewerkschaften ein halbes Dutzend an. Dabei sind die Bersuche, die Frauen zu organisieren, feineswegs neuen Datums. Eine eigentliche Gewerkschaftsbewegung hat allerdings erst seit bem Infrafttreten des Gewerkschaftsgesetzes von 1884 begonnen. 1886 und 1887 entstand eine Bewegung der Tabakarbeite rinnen. Zwei Drittel von ihnen organisierten sich und eroberten Altersrenten und höhere Löhne. 1892 folgten die Zündhölzchen­arbeiterinnen ihrem Beispiel und setzten die Unterdrückung ber Verwendung des weißen Phosphors, die Einrichtung von Ruhe­fälen und Kinderkrippen in den Betrieben durch. Die Spigen arbeiterinnen von Alençon errangen gleichfalls durch ihre ge­werkschaftliche Vereinigung bedeutende Verbesserungen ihrer Arbeits­verhältnisse. Von 1896 an fämpsten die Blumen- und Federn schmückerinnen von Paris gegen die tote Saison und erzielten einen beinahe vollständigen Erfolg, indem sie sich durch Abwechslung mit beiden Gewerben eine ständige Beschäftigung sicherten. Das gegen fand bei den Modistinnen, die sich zum Teil aus bürger lichen Familien refrutieren und eine teure Lehrzeit durchzumachen haben, die gewerkschaftliche Aktion leinen Anklang. Übrigens gibt es in Frankreich wenig lediglich aus Frauen bestehende Gemert­schaften. Zu erwähnen sind neben den ungefähr 150 organisierten Blumen- und Federnschmückerinnen die Schneiderinnen, Buch­halterinnen und Stenotypistinnen, deren jede Gruppe etwa 800 Organisierte zählt. Die übrigen organisierten Arbeiterinnen gehören Gewertschaften an, die Mitglieder beider Geschlechter auf nehmen. In früheren Jahren war die Stellung der Frauen in biesen wenig angesehen. Sie sprachen in den Versammlungen nicht felbst, sondern mußten ihre Wünsche durch männliche Wortführer vorbringen lassen. Heute sind die Frauen fast in allen Gewerk schaften gleichberechtigt. 1909 waren nur noch von den Gewerk schaften der Buchdrucker, Konditoren und Köche die Frauen ausgeschlossen. Seither haben auch die Buchdrucker auf ihrem Rongreß im Juli 1910 beschlossen, die als Hand- und Maschinen fegerinnen beschäftigten Frauen aufzunehmen. Nach einer fünf fährigen Übergangsperiode aber sollen bloß solche Frauen der Ge werkschaft angehören dürfen, die zum Gewerkschaftstarif arbeiten. Gleichzeitig wurde beschlossen, die Sektionen zu unterstützen, die gegen die Ausbeutung der Frauen und zugunsten eines für diese geltenden Minimaltarifs fämpfen. Aus den Erfahrungen der Aus den Erfahrungen der französischen und ausländischen Gewerkschaftsbewegung glaubt Renard den Schluß ziehen zu dürfen, daß Aussicht auf Erfolg in den Kämpfen um Besserung ihrer Lage nur die Frauen haben, die den Organisationen ihrer männlichen Berufsgenossen angeschlossen find. Die übrigen, meint er mit Berufung auf Fräulein Margarete Behmes Erklärungen auf der Genfer Konferenz der sozialen Käufer verbände" 1908, seien fremder, privater oder staatlicher Unterstüßung bedürftig.

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Genossenschaftliche Rundschaut.

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In ihrem Bemühen, die Konkurrenz der Konsumvereine wirksam zu befämpfen, sind die Krämer bekanntlich auf den schlauen Ges banten verfallen, die Konsumvereine nachzumachen. Aber nicht etwa so, daß sie es in Güte und Preis der Waren den Genossenschaften gleich zu tun versuchten, was ja bei der Form ihrer Betriebe auch ausgeschlossen ist, sondern indem sie eine rein äußerliche Seite der Geschäftsführung kopierten: die Gewährung von Rabatt. Die Leute glauben das zwar selbst nicht, aber sie suchen es den Käufern, und nicht ohne Erfolg, weiszumachen, wenn der Krämer auf die Waren Rabatt gebe, so sei das dasselbe, wie wenn der Konsum verein seinen Mitgliedern die sogenannte Dividende gewährt. Zwischen beiden Dingen mit gemeinsamer oder doch sehr ähnlicher Form herrscht aber ein großer Unterschied. Ein so großer Unterschied, daß er geradezu das Wesen der Konfumvereine gegenüber dem Klein­handel offenbart. Die Dividende" des Konsumvereins beruht auf feiner wirtschaftlichen überlegenheit, auf der Ausschaltung des un

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nötigen warenverteuernden Zwischenhandels, während der Rabatt des Krämers nichts weiter ist als ein preissteigerndes Manöver, be­rechnet auf die Täuschung des Publikums. Denn der Rabatt wird nur dadurch erzielt, daß man um seinen Betrag die betreffende Ware verteuert. Ein Vergleich der Qualitäten und Preise der ein­zelnen Artikel wird immer dieses Resultat ergeben. Es kann auch gar nicht anders sein, sofern man nicht ein ganz allgemeingültiges ökonomisches Gesetz der kapitalistischen Wirtschaft als null und nichtig erklären will. Vor einiger Zeit ist eine reichlich 50 Seiten starte Broschüre Das Rabattunwesen" erschienen, deren In­halt auch den deutschen Hausfrauen zur Bcherzigung" empfohlen wird. Verfasser ist ein Herr Dr. Albin Möhring in Leipzig . Das fehr lesenswerte Schriftchen geht dem Rabattunfug fräftig zu Leibe und betrachtet die Frage von allen Seiten. Was Rabatt ist, was er bezweckt, welche Wirkungen er gegenüber den Käufern und den Kaufleuten hat, wie er von maßgebenden Personen beurteilt wird, alles das ist in leicht verständlicher und überzeugender Weise dar­gelegt. Der Verfasser besitzt Verständnis für die Erfordernisse des modernen Wirtschaftslebens, und scheut sich nicht, den Mittelstands. schreiern, die eine Knebelung der Konsumvereine verlangen, bittere Wahrheiten zu sagen. Er zeigt ihnen, wie sie das genossen­schaftliche Prinzip nur dadurch vorteilhaft verwerten können, daß fie es in der Organisation des Großeinkaufs betätigen. So können also auch die Krämer aus der Broschüre lernen, wenn sie wollen. Wir haben schon früher einmal auf die Veränderung hingewiesen, die sich in bezug auf die Kreditgenossenschaften, die wichtigsten und zahlreichsten fleinbürgerlichen Genossenschaften, vollzieht. Sie werden in der Erfüllung der ihnen zufallenden Aufgabe der Geld­und Kreditversorgung immer mehr verdrängt durch Banken und Attiengesellschaften. Der Kreditverein verkörpert den Kleinbetrieb auf diesem Gebiet, das mit der Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft immer mehr die Großbetriebe beherrschen. Das gibt auch der Leiter des Allgemeinen Verbandes in dessen Verbandsorgan zu, indem er refigniert schreibt: Die Kreditgenossenschaften fönnen nicht mehr die Befriedigung des Kreditbedürfnisses in ihren Kreisen als ihre Domäne betrachten. Die Spar- und Darlehenskassen auf dem Lande und auch in den Städten sind mit ihnen in Wettbewerb getreten.... Zu dieser Konkurrenz ist nun noch die Konkurrenz ber Banten gekommen. Sie hat auf die Genossenschaften zum Teil ähnlich wie die Konkurrenz der Warenhäuser auf den Kleinhandel gewirkt. Die Plötzlichkeit hat zuweilen erschreckend gewirkt. Die Ent wicklung der Sparkassen und Darlehenskaffen sah man sich vorbereiten, die Filialen der Banten entstanden plöglich." Herr Dr. Grüger spricht dann von verfehlten Mitteln, die gegen diese Entwicklung von den Kreditvereinlern vorgeschlagen werden, kann aber bessere, wie es scheint, auch nicht angeben. Für ihn ist vielmehr die Sache damit entschieden, daß von den 972 Kreditvereinen des Allgemeinen Ver bandes bereits 700 geschäftliche Beziehungen mit der Dresdener Bank haben, die bekanntlich eines der bedeutendsten Geldinstitute der Welt ist. Wenn wir nicht irren, ist übrigens Herr Dr. Crüger seit dem Krache der Sörgelschen Genossenschaftsbant Aufsichtsrat der Dresdener Bant. Der Vorgang zeigt, daß die Kreditvereine schon heute einen guten Zeil ihrer Selbständigkeit und damit ihrer Bedeutung eingebüßt haben. Auch der Übergang zur Form der Aktiengesellschaft macht sich in ihren Reihen stärker geltend.

In Lübeck ist vor furzem ein Gewerbesteuergesetz beschlossen worden, das als ein Ausnahmegesetz gegen den Konsumverein an zusprechen ist. Tritt dieser Charakter auch nicht so scharf hervor, wie in ähnlichen Gesetzen anderer Staaten und Gemeinden, so ist die Absicht doch deutlich erkennbar, denn die Bestimmungen sind derart, daß der Konsumverein verhältnismäßig schärfer zur Steuer herangezogen wird als gleichartige Einzelbetriebe. Den Lübecker Staatsmännern genügte auch das noch nicht, sondern sie wollten ganze Arbeit machen, indem sie zu gleicher Zeit eine Warenhaus steuer vorschlugen, die den Konsumverein mit/ Prozent vom Um­satz belastet haben würde. Diese Vorlage wurde jedoch abgelehnt.

Auch im preußischen Abgeordnetenhaus rühren sich die Konsumvereinsfeinde wieder. Ihr Wortführer, der bekannte Abge ordnete Hammer, hat folgenden Antrag eingebracht: Die königliche Staatsregierung zu ersuchen, baldtunlichst, spätestens bei der orga nischen Neuregelung des Einkommensteuergesetzes, einen Gesetzs entwurf vorzulegen, der dem§ 15 des Cinfommensteuergesetzes folgende Bestimmung einfügt: Als verteilte Dividende gilt, bei den nichtphysischen Personen, jede an ihre Mitglieder in Form von Rabatten oder in sonstiger Art gewährte Rückvergütung." So nieder trächtig wie der Stil dieses Antrags, ist auch das Ziel, das er an­strebt. Der Antragsteller scheint sich aber nicht überlegt zu haben, daß er damit zugleich die trifft, denen er helsen will. Diese Leute machen Politik ins Blaue hinein.