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Die Gleichheit

Daß die vielgerühmte Neutralität der englischen Konsums vereine sich stark unterscheidet von der, die von leitender Stelle des Zentralverbandes Deutscher Konsumvereine aus proklamiert wird, zeigt ein Artikel von F. Wichmann- London . Es wird dort unter anderem ausgeführt: Mit ungewohnter Schärfe wütete der Wahlkampf, der alle Schichten der Bevölkerung mit sich riß. Selbst die strikt neutrale britische Genossenschaftsbewegung wurde in diesen politischen Kampf hineingerissen, indem der aus Mitgliedern des britischen Genossenschaftsbundes, der beiden Großeinkaufsgesells schaften und dem Verband der Produktivgenossenschaften gebildete parlamentarische Genossenschaftsausschuß an alle Genossen­schaften des Landes ein Zirfular erließ, in dem die Genossenschafter noch einmal darauf aufmerksam gemacht wurden, was in diesem Wahlkampf auf dem Spiele stehe, daß Genossenschafter, die als solche in allen ihren Institutionen die Grundsätze der Demokratie als erstes Prinzip festhielten und die weiter als Konsumgenossen­schafter eine preiswerte Beschaffung aller Lebensmittel anstrebten, unmöglich einem Kandidaten ihre Stimme geben könnten, der einer Partei angehöre, die, wenn sie zur Regierung fäme, nicht nur gegen die Grundsätze der Demokratie verstoßen, sondern auch durch eine Einführung von Schutzöllen eine Verteuerung des Lebensunterhaltes herbeiführen würden." Das war beim vorletzten Wahlkampf; in dem legten Wahlkampf ist in derselben Weise vom parlamentarischen Genossenschaftsausschuß eingegriffen worden, obwohl von verschie denen Genossenschaftern im Interesse der Neutralität dagegen Wider­spruch erhoben wurde. Das englische Beispiel wird man uns in Deutschland also nicht mehr vorhalten können.

Ein Kongreß italienischer Konsumgenossenschaften fand in Mailand im November v. J. statt. Zu diesem Kongreß waren an fämtliche 2500 in Italien vorhandenen Konsumvereine Einladungen ergangen, von denen über 600, die durch 480 Delegierte vertreten waren, der Einladung gefolgt sind. Ausgenommen Sardinien und die Basilicata , die ärmsten und wenigst bevölkerten Teile Italiens , waren sämtliche Provinzen Italiens auf dem Kongreß vertreten. Der Ministerpräsident Luzzati hatte einen Unterstaatssekretär ent­sandt, der den Kongreß des Wohlwollens" der italienischen Re­gierung versicherte. Auf dem Kongreß wurde zunächst ein Referat gehalten von Vergnanini über die Organisation der Konsumenten. Im Anschluß daran wurde eine Resolution angenommen, die die Notwendigkeit der Organisation des Konsums und die Organisation der Eigenproduktion betonte. Dann sprach Ponti über die Groß­einkaufsgenossenschaft. Weitere Referate befaßten sich mit Bes fteuerungsfragen. Der wichtigste Beschluß ist die Einiegung einer Kommission, die das Statut einer Großeinkaufsgesellschaft zu ent­werfen hat. Die geplante Großeinkaufsgesellschaft soll als Genossen schaft errichtet werden. Ihre Aufgaben bestehen im Großeintauf für die einzelnen Genossenschaften, der Bildung eines Genossen­schaftskapitals und in der Schaffung industrieller und landwirt­schaftlicher Eigenproduktionsbetriebe. Die Verzinsung des Kapitals, welches man unter anderem auch durch Ausgabe von Obligationen ansammeln will, soll 5 Prozent nicht übersteigen. 40 Prozent des Reinertrags find den Reserven zuzuweisen, 10 Prozent dem Auf­sichtsrat, 10 Prozent einem Personalunterstützungsfonds, und der Rest wird an die angeschlossenen Vereine nach dem Verhältnis ihres Warenbezugs durch die Großeinkaufsgesellschaft verteilt. Hoffentlich ist dem Unternehmen Erfolg beschieden.

Notizenteil.

Dienstbotenfrage.

H. F.

Jahresbericht der Ortsgruppe Hamburg des Verbandes der Hausangestellten. Auf das vierte Jahr ihres Bestehens kann die Ortsgruppe Hamburg nunmehr zurückblicken. Viel Arbeit liegt hinter uns, aber noch mehr Arbeit ist zu leisten, ehe wir mit dem Erfolg zufrieden sein dürfen. Noch gilt es, Tausende von Hauss angestellten aufzuklären, noch gilt es, in Taufenden von ihnen das Gefühl der Solidarität und des Klassenbewußtseins zu wecken, das bisher nur in einzelnen von ihnen lebendig ist. Im Anfang des vergangenen Jahres nahm die Ortsgruppe zu verschiedenen Fragen in öffentlichen Versammlungen Stellung. So zu dem eigenen Stellen­nachweis der Organisation, zu den Forderungen der Dienstboten zur Reichs- und Krankenversicherung usw. Leider waren die Vers sammlungen nicht so besucht, wie es wünschenswert gewesen wäre. Im Januar gelang es der Ortsgruppe, mit dem Konsum, Bau­und Sparverein Produktion" einen einheitlichen Lohntarif für die dort beschäftigten 80 Reinmachefrauen zu vereinbaren. Danach übernehmen die in den Läden der Production" tätigen Reinmache­frauen die Verpflichtung, die Läden in der vom Lagerhalter bes

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ziehungsweise Ladenmeister angegebenen Zeit zu reinigen. Der Lohn für die Reinigung eines Ladens beträgt pro Woche 6 Mt. Die Lohnzahlung erfolgt Freitags. Extraarbeiten werden nicht in Anrechnung gebracht. Die Reinmachefrauen sind verpflichtet, den ihnen zugeteilten Laden ständig in einem sauberen Zustand zu halten, so daß sich Extraarbeiten erübrigen. Sämtliche Reinmachefrauen werden innerhalb dreier Tage seitens des Lagerhalters beziehungs­weise Ladenmeisters zur Kranken- und Invalidenversicherung an­gemeldet. Die Produktion" zahlt ein Drittel der Beiträge für die Kranten und die Hälfte der Beiträge für die Invalidenversicherung. Die restlichen Beiträge haben die Frauen selbst zu zahlen, sie wer den wöchentlich vom Lohn in Abzug gebracht. Die Kündigungsfrist beträgt für beide Teile acht Tage. Bei neuen Anstellungen von Reinmachefrauen ist der Arbeitsnachweis des Zentralverbandes der Hausangestellten Deutschlands , Ortsgruppe Hamburg , zu benutzen.

Unter unseren Mitgliedern, soweit sie im Hause der Herrschaft" wohnen, haben wir im Februar 1910 eine Umfrage angestellt über die Beschaffenheit ihrer Schlafräume. 231 Mitglieder gaben uns Auskunft. Nach ihr hatten nur 166 Mädchen ein Zimmer für sich allein, 51 schliefen mit Nebenmädchen in einem Zimmer, 9 im Kinderzimmer, 2 in der Küche und je 1 Mädchen schlief mit der Dame, im Korridor und im Badezimmer. 196 Mädchen hatten ein verschließbares Schlafzimmer, 93 ein heizbares Zimmer. Zwei Mäd chen durften nicht heizen, trotzdem Gelegenheit dazu vorhanden war. Von großer Bedeutung für die Hausangestellten war der außer ordentliche Gewerkschaftstongreß, der am 24. und 25. April 1910 in Berlin tagte und sich eingehend mit der Frage der Reichsvers sicherung beschäftigte. Auch die Hausangestellten waren daher auf ihm vertreten. Die organisierten Hausangestellten beteiligten sich am Demonstrationszug der Maifeier, leider marschierten die meisten einzeln bei ihren Freunden, so daß es nicht zu einer großen ge­schloffenen Gruppe der Hausangestellten fam, die die Bedeutung des Achtstundentags gerade auch für diese Arbeiterschicht zum Aus­druck gebracht hätte. Hoffentlich beherzigen das die Mitglieder bet der diesjährigen Maifeier.

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Von größter Wichtigkeit für die Hausangestellten ist das im verflossenen Jahre in Kraft getretene Stellenvermittlergesetz. In der Gleichheit" hat es schon eingehende Beleuchtung gefunden, weil gerade Hamburg - Altonas Hausangestellte außerordentlich schlecht dabei weggekommen sind. In einer öffentlichen Versammlung nahmen wir dazu Stellung. Bei der Vorarbeit für diese Versammlung haben uns die Genossen von Harvestehude , Hohenfelde und Uhlenhorst tat­fräitig durch Verbreitung von Flugblättern unterstüßt. Außer den öffentlichen Versammlungen tagten noch 12 Mitgliederversamm lungen, die teils der Aufklärung, teils geschäftlichen Angelegen heiten gewidmet waren, zu deren Erledigung auch noch 19 Vor­standssitungen dienten. Die Zahl der Mitglieder betrug am Anfang des Zahres 1421 und am Schlusse des Jahres 1398. Erklärlicher­weise findet ein Auf- und Abschwanken in dem Bestand und ein Wechsel in den Personen unserer Mitglieder statt; kommen doch die meisten zunächst nur zu uns, um Arbeit und Stellung zu finden, und nicht alle sehen sofort ein, welchen Wert die Organisation für sie noch besitzt, wenn sie in einer Stellung sind. 1058 Mitglieder ließen sich in den Verband aufnehmen, 1081 traten aus, darunter waren 125, die wir wegen Nichtbezahlung der Beiträge ausschließen mußten, und 306, die verzogen. Im Stellennachweis meldeten sich vom 1. Januar bis zum 31. Dezember 1910 1908 Hausfrauen, die Mädchen, und 800 Mädchen, die eine Stellung suchten. Es wurden vermittelt: 428 Wlädchen bei voller Station, 66 Tagmädchen und 59 Aushilfen. 2541 Frauen suchten Beschäftigung als Hausarbeite rinnen; vermittelt wurden 69 Morgenfrauen, 2 Wärterinnen, 3 Haus­hälterinnen, 1 Plätterin, 3 Näherinnen, 2 Koch rauen und Arbeit an 1384 Tagen. Nun gilt es, weiterzuarbeiten und aufzuklären. Pflicht jeder organisierten Hausgehilfin ist es, dem Verband neue Mitglieder zuzuführen. Für den Nugen der Organisation sprechen die vielen Beschwerden von Mädchen über Herrschaften, die von der Ortsgruppe eriedigt wurden. Auf einige schwere Fälle davon L. K. werden wir noch zurückkommen.

Frauenarbeit auf dem Gebiet der Industrie,

des Handels- und Verkehrswesens.

Die weibliche Arbeitskraft in der Schokoladen- und Zucker­warenindustrie. Die vorliegenden Ergebnisse der Gewerbe- und Berufszählung vom Jahre 1907 haben eine starle Steigerung der Verwendung der weiblichen Arbeitstrait in allen Industriezweigen festgestellt. Eine solche Steigerung ist namentlich auch in der Schokoladen- und Zuckerwaren industrie eingetreten. Diese Industrie gelangte erst im letzten Jahrzehnt zur Blüte, und zu ihrem starken