174Die GleichheitNr. 11Am 14. April lesen wir:„Schmidt, Franz, wegen Faulheit SO Pf."Ein Mann namens Johann Neukamin ist vom 9. Mai bis 16. November 13 mal mit Beträgen von 50 Pf. bis zu 1 Mk. aufgeführt.Wir müssen uns mit diesem Auszug begnügen.Neben den Einzelstrafen wird versucht, auch Lohnreduktionenfür alle Arbeiter durchzusehen. Ganz besonders bemühen sich Hieriiidie Herren Direktoren der Spitzenfabriken Sachsens. Momentansind solche Differenzen in Doberitz. Daß die Krise den Angriff derArbeiter beeinträchtigt, ist selbstverständlich. In Mittweida kames zur Lohnbewegung. Die Arbeiterschaft verlangte 10 ProzentLohnerhöhung. Sie begnügte sich zunächst mit einer Aufbesserungder Löhne bis zur Höhe der in einer anderen Fabrik gezahlten.In Glauchau-Meerane wurde etwa 4 Prozent Lohnerhöhung zugestanden. Die Appreturarbeiter der Firma Nietzsche in Plauenstreiken. Sie verlangen Lohnerhöhung; der Lohn ist unter 20 Mk.pro Woche. Die Polizei geht mit bekannter Schneidigkeit vor. Esregnet Strafmandate zuin Schutze der Streikbrecher und Unter-nehmer. Streikpostenstehen wird unmöglich gemacht. Beschwerdenbleiben ohne Erfolg. In Eilenburg kam es zum Kampfe, weilEintritt in die gelbe Organisation verlangt wird. Die„Christen"arbeiten bezeichnenderweise weiter. Sehr lebhaft hat in Augsburgeine Bewegung für Freigabe des Sonnabendnachmittag eingesetzt.Die Textilarbeiter wollen dasselbe erreichen, was die Metallarbeiterdes Ortes bereits durchgesetzt haben. Es werden in Augsburg16757 Personen in der Textilindustrie beschäftigt, darunter vieleArbeiterinnen. Zweifellos wäre der freie Sonnabendnachmittageine Wohltat, die frommen Unternehmer wollen jedoch hiervonnichts wissen. In langen Artikeln der bürgerlichen Zeitungen Augsburgs wenden sie sich anit den bekannten Argumenten gegen dasVerlangen der Arbeiter. Erschwerung der Produktionsbedingungen,Erschütterung der Konkurrenzfähigkeit, Verschlechterung der Lagedurch immer höhere Zollmauern des Auslandes und vieles anderewird gegen die Forderung angeführt. Ein Anschlag in den FabrikenAugsburgs setzte am 15. Februar die Arbeiter von der Meinungder gesamten Textilindustriellen Süddeutschlands in Kenntnis, daß„die Einführung des freien Sonnabendnachmittags auf absehbareZeit hinaus nicht möglich ist". Die Arbeiter werden sich nicht abhalten laffen, de» früheren Arbeitsschluß an Sonnabenden weiterzu propagieren. Er ist die Voraussetzung dafür, daß insbesonderefür die Arbeiterinnen der Sonntag wirklich ein Ruhetag, ein Tagder Erholung und Erhebung wird. Iis.Die Tarifbewcgnng in der Holzindustrie, an der 23 Ortebeteiligt sind, hat noch kein endgültiges Ergebnis gezeitigt. Seitlängerer Zeit bereits werden an den einzelnen Orten Verhandlungen gepflogen, die aber bis jetzt keine Einigung Herbeiführten.Neben dem materiellen Inhalt bildete vor allem die Frage desAblaustermins der Verträge den Gegenstand des Streites. Währenddie Arbeiter auf vierjährigen Verträgen bestanden, wollten dieArbeitgeber wohl auf Anweisung ihrer Berliner Zentrale von derdrei- oder sechsjährigen Dauer nicht abgehen. Nunmehr sind Anfang Februar die Vorstände der beiden Organisationen und diezentralen Verhandlungskommissionen in Berlin zusammengetreten,um zwischen den widerstrebenden Interessen einen Weg zur Einigung zu suchen.Aber auch in diesem einen Punkte war es keineswegs einfach,zu einer Vereinbarung zu kommen. Die Arbeitgebervertreter erklärten sich schließlich bereit, auf den Ablauftermin 1915 einzugehen,wenn die Gewerkschaften sich verpflichteten, alle binnen 1914 ablaufenden Tarisverträge ein Jahr weiter gelten zu lassen. DieArbeitgeber boten dafür den beteiligten Orten eine Erhöhung derStundenlöhne um 1 Pf. im Jahre 1914 an. Die'Annahme diesesVorschlags hätte bedeutet, daß innerhalb von vier Jahren jeweilsdrei Vertragsgruppen bestanden hätten, so daß also nach je dreiJahren mit Tarisbewegungen ein viertes ohne solche gefolgt wäre.Die Arbeiter vertraten demgegenüber den Standpunkt, daß wegender möglichen Folgerungen an den bestehenden Verträgen grundsätzlich nicht gerüttelt werden dürfe.Endlich einigte sich die Verhandlungskommission auf einen Vorschlag, der später im Wege des-Schiedsspruchs zum Beschluß erhoben wurde. Danach wird der Ablaustermin der jetzt zur Verhandlung stehenden Verträge auf den 15. Februar 1915 festgesetzt.Als Voraussetzung gilt, daß in Zukunft bei Kündigungen und Erneuerungen der Verträge diese in bezug auf Inhalt und Ablaus-lermin noch einheitlicher zu gestalten sind, entsprechend der industriellen Entwicklung und der geographischen Lage der Verlragsorte.Zur Erklärung diene, daß in der Holzindustrie heute einzelneGebiete, die eine wirtschaftliche, aber keine politische Einheit bilden,verschieden lautende und laufende Tarifverträge aufweisen. Übrigenstrifft dies für verschiedene Zweige dieser Industrie auch noch inpolitisch geschlossenen Gebieten zu. Die Zentralvorstände werdensich nun in Zukunft zu verständigen haben, ob die Arbeitsverhältnisse eines Gebiets oder eines Zweiges der Holzindustrie für eineeinheitliche Regelung bereits reif sind. Mit der Verständigung hierüber ist wenigstens einer der Streitpunkte aus der Welt geschafft.Die Frage der Verkürzung der Arbeitszeit dagegen hat auf derKonferenz eine Erledigung nicht gefunden, sie wurde vielmehrwiederum den örtlichen Parteien zur Verhandlung überwiesen. Zugleich führte Einverständnis von beiden Seiten dazu, daß bis zum1. März die Geltungsdauer der gekündigten Verträge verlängertward, die sich ihrem Ablauftermin bedenklich näherten. Die inzwischen wieder aufgenommenen örtlichen Tarifverhandlungen sindnicht nennenswert weiter vorwärts gekommen. Denn die Arbeitgeber scheuen noch immer vor einer Verkürzung der Arbeitszeit zurück. Jedenfalls ist der Ausgang dieser Tarisbewegung noch unsicher. In vielen Orten versteifen sie sich auf die Behauptung, beiden Verhandlungen im Jahre 1908 sei zugesagt worden, daß inden nächsten sechs Jahren, also bis 1914, eine weitere Arbeitszeitverkürzung nicht gefordert werden würde. Diese Behauptung istaber unrichtig. Die„Holzarbeiter-Zeitung" ist in der Lage, anHand von Auszügen aus damaligen Verhandlungsprotokollen zubeweisen, daß die Arbeitervertreter im Jahre 1908 eine solche Bindung ausdrücklich abgelehnt haben. Es scheint, als ob den Arbeitgebern diese falschen Auffassungen bei ihren Städtekonferenzen eingeimpft worden seien. Ob sie sich nachgiebiger zeigen werden, nachdem ihnen das Irrige ihrer Meinung aktenmäßig nachgewiesen ist,muß abgewartet werde». ttz.Notizenteil.Dienstbotenfracze.Tie Zahl der Nürnberger Hausgehilfinnen. Wieviel Dienstmädchen haben wir wohl in unserer Stadt? Diese Frage ist vonder größten Bedeutung für die weiblichen Hausangestellten. IhreBeantwortung gibt ihnen eine Anschauung von der Macht, die sieausüben könnte», wenn sie alle im Hausangestelltenverband zusammengeschlossen wären, den bereits organisierten Hausangestelltenaber einen Maßstab der Aufgabe, die sie noch zu bewältigen haben.In Nürnberg zählt man 9066 Dienstmädchen, von denen 3816unverheiratet, 50 verheiratet und 200 Witwen sind. Uber die Altersverhältnisse gibt folgende Tabelle Auskunft:Zwischen 14 und 16 Jahre alt sind 618 Dienstmädchen16- 13--- 109918- 20--- 1440-- 20- 25--» 2855-25- 30--> 1402-- 30- 40--- 847-- 40- 50--» 223-- 60» 70--- 98-Außerdem wurden unter den Dienstmädchen 2Z Greisinnenüber 7V Jahre und lt.? Kinder unter 14 Jahren ermittelt.6796 Dienende sind im Alter von 16 bis 30 Jahren und müssenalso die schönsten Jahre des Lebens in einer abhängigen Stellungverbringen, die ihnen wenig Zeit für sich selbst läßt und keine odernur kümmerliche Lebensfreude gewährt. Dazu wird noch häusigihre Gesundheit durch übermäßige Anstrengung, schlechte Kost undungenügende Fürsorge für die Bedingungen der Arbeit untergraben.Man denke an die oft mangelnde Nachtruhe, an den Dunst undZug in der Küche, die dunklen, feuchten Waschküchen, das Hebenschwerer Lasten usw. Noch sehr viele„Herrschaften" sehen in derHausgehilfin nur ein Arbeitstier, das keine Rücksichtnahme zu beanspruchen hat. Von den rund 9000 Nürnberger Dienstmädchendürsten kaum 1000 gute Stellungen haben. Daher der ewige Stellenwechsel, das Wandern von einem Hause in das andere. Unter denMitgliedern des Hausangestelltenverbandes befinden sich verhältnismäßig viele in guten Stellungen; sie wissen am besten, wie langees gedauert hat, bis sie solche Plätze gefunden haben. Das könnensie nicht vergessen, und darum wollen sie ihren schlecht gestellte»Arbeitsschwestern durch den Verband hilfreich zur Seite stehen undsind bestrebt, diese für den Zusammenschluß zu gewinnen. Dennnur durch die Organisation kann eine dauernde Änderung undHebung der Lage der Hausangestellten geschaffen werden. EineRiesenarbeit zur Aufklärung der Dienenden liegt vor uns. Wen»jedoch jede organisierte Hausgehilfin sich vornimmt, in diesem Jahremindestens zehn ihrer Bekannten in dienender Stellung dem Verband zuzuführen, so müssen wir einen gewaltigen Schritt vorwärtskommen. Darum: die Zahl der Hausgehilfinnen festgehalten und andie Arbeit! Steter Tropfen höhlt den Stein. Helene Grünberg.