Nr. 13
Die Gleichheit
199
Die Frage der Arbeitszeitverkürzung ist allgemein durch
Tariferneuerungen in der Holzinduſtrie. den Schiedsspruch der zentralen Kommission erledigt worden. Aus
Seit vielen Wochen bereits stehen die Vertragsparteien in der Holzindustrie in Unterhandlung, um eine Erneuerung der im November 1910 gekündigten Tarifverträge herbeizuführen. Die Verhandlungen sind durch die Unternehmer ganz ungebührlich in die Länge gezogen worden. In der ersten Zeit schien es, als ob die Herren überhaupt nicht zu Zugeständnissen geneigt seien, zum mindesten waren ihre Angebote so ärmlich, daß die Arbeiter sie kaum ernst nehmen konnten. Von einer Verkürzung der Arbeitszeit wollten die Arbeitgeber an den meisten Orten schon gar nichts wissen. Wenn die Unternehmer aber vielleicht geglaubt haben, durch eigenfinnigen Widerstand und Hinauszögern die Arbeiter mürbe zu machen, so haben sie sich gründlich getäuscht. Soweit bis heute endgültige Abschlüsse vorliegen, sind sie zum Teil so ausgefallen, daß auf dieser Grundlage bei einigem guten Willen der Unternehmer eine Einigung weit früher möglich gewesen wäre.
Allerdings ist unsere Hoffnung nicht in Erfüllung gegangen, schon in dieser Nummer über den endgültigen Abschluß der Tarifbewegung berichten zu können. Vielmehr hat es jetzt sogar den Anschein, als ob erst der Kampf in einigen Orten die Entscheidung bringen sollte. Entbrannt ist der Kampf ja bereits in Lieg nit, wo die Arbeitgeber den zentralen Verhandlungen ganz ferngeblieben sind und schon Mitte Februar die Arbeiter aussperrten. In Finsterwalde steht der Austritt des einzigen in Frage kommenden Fabrikanten aus dem Arbeitgeberschutzverband in Aus ficht, weshalb die Verhandlungen unterbrochen wurden. Für Ham burg deuten die Nachrichten zurzeit noch auf Sturm.
Ein hervorstechendes Merkmal der diesjährigen Bewegung ist überhaupt der bedenkliche Mangel an Disziplin bei den Arbeit gebern. Trotz der gegenteiligen Abmachungen wurden in Kell heim Arbeiter ausgesperrt. In Detmold wollte ein Betrieb den Arbeitern sogar Abzüge machen, worauf diese die Arbeit niederlegten. Die Arbeiter wurden ihrerseits in Forst und Neumünster des ewigen Hinzögerns müde und traten in den Ausstand. Ebenso hatte der anfänglich partielle Streit in Breslau an Ausdehnung zugenommen.
Daß den Arbeitern mancherorts endlich die Geduld riß, und daß sie in anderen Orten an ihren berechtigten Forderungen festhielten, veranlaßte den Arbeitgeberschutzverband, in das Kriegshorn zu stoßen. In der Nummer seines Verbandsorgans vom 12. März wurden die Arbeitgeber in allen in Betracht kommenden 22 Orten aufgefordert, sich auf die Aussperrung vorzubereiten, und zwar auch in den Orten, die bereits eine vollständige Einigung erzielt haben. Diese Aussperrung sollte erfolgen, wenn es nicht gelänge, die Schwierigkeiten zu beseitigen, die der Einigung in einigen Städten noch im Wege stehen. Die Arbeiter lassen sich) aber durch solche Drohungen nicht schrecken. Sie waren sich von Anfang an des Ernstes der Situation bewußt.
Inzwischen haben auch die Verhandlungen wieder einige Fortschritte gezeitigt. Für Bremen haben sich die Vertreter endlich geeinigt, nachdem sie vierzehn Tage fast ununterbrochen in Berlin unterhandelten. Am 1. Oktober 1913 soll die Arbeitszeit um eine Stunde pro Woche herabgesetzt werden. Am 11. März 1911, 15. Februar 1912 und 1. Oktober 1913 werden die Stundenlöhne um je 2 Pf. erhöht. Die Mindestlöhne betragen für Bauanschläger 65 Pf. pro Stunde steigend bis 1913 auf 69 Pf., für Tischler, Drechsler, Polierer und Maschinenarbeiter 56 Pf. steigend bis 60 Pf., für Hilfsarbeiter über 18 Jahre 39 bis 42 Pf., nach einjähriger Tätigkeit 41 bis 44 Pf. Daraufhin ist am 13. März die Arbeit wieder aufgenommen worden.
In Breslau wird am 1. Oktober 1913 die Arbeitszeit von 53 auf 52 Stunden pro Woche herabgesetzt. Die 52 stündige wöchentliche Arbeitszeit tritt auch für die Maschinenarbeiter ein, die seither noch wöchentlich 57 Stunden arbeiten mußten. Der Lohn wird während der Vertragsdauer um 6 Pf. die Stunde, die Affordpreise werden um 10 Prozent erhöht. Der Mindestlohn steigt von 40 auf 48 Pf., und zwar sofort auf 44 Pf. Daraufhin haben auch in Breslau die Arbeiter beschlossen, am 20. März die Arbeit wieder aufzunehmen. Stuttgart erhält gleichfalls am 1. Oktober 1913 die 52 stündige Arbeitszeit. Die Stundenlöhne werden um insgesamt 7 Pf., die Atfordsätze um 12 Prozent erhöht. Der Mindestlohn steigt von 45 auf 52 Pf.
Auch in den übrigen Orten werden, soweit die Ergebnisse der Berhandlungen hierüber vorliegen, die Löhne um 5 bis 7 Pf. pro Stunde erhöht. Die Streits in Chemnitz , Detmold und Neu münster sind aufgehoben, so daß sich zurzeit nur in den Vertragsorten Liegnit, Forst und Kelkheim die Arbeiter im Ausstand befinden.
fast allen Orten ist daher Endgültiges darüber bekannt. Die nach stehende kleine Tabelle zeigt in der Spalte 1914" die Arbeitszeit, welche in der nächsten Vertragsperiode, zum Teil allerdings schon in den Jahren 1911 bis 1913, erreicht wird und gibt gleichzeitig ein Bild von der Verkürzung der Arbeitszeit seit der Gründung des Deutschen Holzarbeiterverbandes. Dabei entsprechen die Zahlen unter„ 1910" dem Zustand, wie er bisher durch Vertrag geregelt war, während für die früheren Jahre zumeist statistische Durchschnittszahlen herangezogen werden mußten. Bei einigen Orten mußten mangels anderer Angaben Arbeitszeiten aus den Jahren 1897 und 1902 zum Vergleich benutzt werden.
Vertragsgebiet
M
Stuttgart Chemnit Elberfeld
•
•
.
•
222233
55
Arbeitszeit in Stunden
1893
1906
1910
1914
Berlürzung feit 1893 Stunden
55
54
53
52
3
64
54
53
52
12
-
60
57
52
60
54
53
52
8
61,5 57
54
53
8,5
59,5 56,5 54
53
6,5
62,1 54
54
53
9
63
57
57
54
9
60
56
55
54
6
61
57
55
54
7
62,5 57
56
54
8,5
60
57
56
54
6
60
57
56
54
6
58
56
54
65,5
58,7 57
55
10,5
64,5
57,6 57
55
9,5
•
65
58
56
55
10
60,5
56,6 56
55
5,5
63
58,5 57
55
63,5 60 63,5 59
58
56
7,5
59
57
6,5
•
.
சுசு
Ein Blick auf die Zusammenstellung zeigt uns, wie sich das Verlangen nach fürzerer Arbeitszeit allmählich verwirklicht hat. Die drei Städte mit der 52 stündigen Arbeitszeit umfassen allein über 5000 Arbeiter, rund 1500 Arbeiter erreichen diesmal die 53 stündige Arbeitszeit und etwa 2500 der nächsten Gruppe den Neunstundentag.
In einer Spanne von 20 Jahren ist in zähem, ausdauerndem gewerkschaftlichen Kampfe die wöchentliche Fronzeit um 6 bis 12 Stunden herabgedrückt worden. Nicht vergessen darf man dabei, daß die gewerkschaftliche Erziehung eine Einschränkung, wo nicht volle Beseitigung der Überstunden gebracht hat, die früher die Regel waren. So ist der Grund geschaffen worden, auf dem sich erst der weitere Aufstieg der Arbeiterschaft vollziehen kann: Zeit ist gewonnen worden für den politischen Kampf, für die Familie und für den Arbeiter selbst. Gewiß sind die Arbeitszeiten noch lang genug; sicher gibt es auch noch viele Arbeiter und Arbeiterinnen in der Holzindustrie, die viel mehr Wochenstunden an die Arbeit gefesselt bleiben. Wenn jedoch am 1. Mai die Forderung des Achtstundentags von neuem erhoben wird, so können die deutschen Holzarbeiter fimmerhin mit Stolz erklären, sich diesem Ziele im laufenden Jahre kämpfend genähert zu haben.
fk.
Die Kundgebung für das Frauenwahlrecht in Deutschland ist nicht nur allgemein gewesen, sondern imposant, überwältigend. Das ist der erhebende, der stolze Eindruck, den die Berichte auslösen, die bis zum Abschluß dieser Nummer vorliegen. Wie viele Hundert tausende von Proletariern und zwar überwiegend Frauen am 19. März ein wirklich demokratisches Wahlrecht forderten, das läßt sich zurzeit kaum ahnen. Noch steht nicht einmal fest, wie viele, viele Hunderte von Versammlungen in allen Teilen des Reiches stattgefunden haben, nicht bloß in den großen Städten und Industriezentren, sondern auch in zahllosen kleineren Orten, wo unsere Bewegung erst festen Fuß zu fassen beginnt. Die Sozialdemokratie hatte seit Wochen ihre organisatorischen Kräfte wie ihre Presse in den Dienst einer planmäßigen Agitation für die Demons stration gestellt; in der Gewerkschaftsbewegung war diese Agitation