Nr. 16

Die Gleichheit

Wochen beteiligte sie sich eifrig daran, Unterrichtskurse für russische und polnische Arbeiter im Eril zu organisieren, obwohl sie sich damals schon nur mit Mühe vom Krankenlager erheben konnte,

Das cben war der charatteristische Zug an dieser edlen Frau, daß sie stets und immer zu jedem Opfer für andere und für die Sache der Revolution bereit war. Ihre Krankheit war die unmittelbare Folge des furchtbaren Elends, in dem sie lebte, denn die Privatstunden warfen nicht so viel ab, um auch nur die bescheidensten Lebensbedürfnisse zu befriedigen; Not und Ents behrungen, Hunger im buchstäblichsten Sinne des Wortes waren ihr Los, und doch zögerte sie keinen Augenblick, Zeit und Kraft für andere zu opjern, selbst wenn das eine weitere Schmäle rung des fargen Verdienstes bedeutete. Vergebens mochten dann die Freunde protestieren, Genoffin Wojnarowska forderte ftolz ihr Recht", das einzige Recht, das ihr blieb sich für andere auszuopfern. Ihr durch Hunger und Entbehrung geschwächter Organismus erlag einem Herzschlag.

Eine Schar sozialistischer Kämpfer hat ihr beim Begräbnis auf dem Kirchhof Pere Lachaise   die letzte Ehre erwiesen. Hier, wo die Mauer der Föderierten von dem letzten gewaltigen revolutionären Rampfe des Pariser Proletariats redet, von der Kommune, ruht manches große Herz, das für die Freiheit ge­schlagen hat, fein treueres ist darunter als das der revolutio nären Kämpferin Wanda Cäsarina Wojnarowska.

Aus der Bewegung.

M.

Von der Agitation. Die Forderung des Frauenwahl rechts propagierte die Unterzeichnete in Versammlungen' in Blauenfchen Grund, Lichtenstein- Callenberg, Hohenstein- Ernst­that und Mittweida  . Die Versammlungen, an denen Tausende von Frauen und Mädchen teilnahmen- hier und da auch bürger­liche Frauen, bedeuten große politische Kundgebungen, die die Reife der Proletarierinnen zum Ausdruck brachten. Sie hatten für die Partei- wie für die proletarische Frauenbewegung große Erfolge.

In Dresden   und Umgebung beriefen verschiedene Gewerf­schaften Versammlungen ein, die zum Teil gleich nach Fabrik­schluß stattfanden und den Zweck hatten, weibliche Mitglieder zu gewinnen. Der Metallarbeiterverband hielt fünf solcher Verfammlungen ab, der Fabritarbeiterverband vier, der Textilarbeiterverband zwei, der Verband der Blumen­und Blätterarbeiter fünf. Die alten Klagen über unwürdige Behandlung, hohe Strafen, schlechtes Arbeitsmaterial, unzureichende Entlohnung wurden laut; Ventilationseinrichtungen fehlen, die Aborte sind schlecht und in geringer Anzahl vorhanden, so daß sie von Frauen und Männern ost gemeinsam benutzt werden müssen; Speise und Garderoberäume werden als Lager, oft auch als Ar­beitsraum benutzt oder fehlen völlig. Die Versammlungen brachten den Organisationen gute Erfolge. Recht interessant war die Agi­tation für den Verband der Blumenarbeiter, welche die Landbezirke Mügeln- Dohna, Wehlen  , Postelwig, Birna und Schönau an der Elbe   erfaßte, große Dörfer, in denen Heimarbeit herrscht. In Scharen erschienen die Heimarbeiterinnen in den Versamm lungen. Sie haben einen Tagesverdienst von 18 bis 40 Pf., wenn die Kinder bei der Arbeit helfen. Und da schlägt das Unternehmertum noch Lärm, wenn sich die Armsten rühren. Die Unterzeichnete erhielt folgenden, nicht gezeichneten Brief:

" Frau Wackwitz, Referentin heutiger Versammlung. Aus Jhrer Veriammlung welche im Gasthof zum Müglikthal stattfinden soll, ersehen wir das Sie blos die Frauen welche ge­zwungen sind, Hausarbeit zu nehmen, zur Unzufriedenheit aufreizen wollen, auch sehen wir noch daraus das Sie gar keinen Dunst von Blumenarbeiten und den hiesigen Blumenarbeiterin haben, den sonst würden Sie es gar nicht wagen eine Versamm­lung einzuberuen; fürs erste sind keine geübten und gründlich gelernten Blumenarbeiterin hier, und fürs zweite ist der Haupt­zweck Ihre Taschen zu füllen, und die Frauen in den Ver­band zu zwingen, die Kaffe ist wohl leer?!- den von dem Verdienste was die Frauen mit ihren Kindern verdienen möchten sie wohl noch die Verbandskasse spicen, um anderen das Faulenzen zu ermöglichen, wir wünschen aber das der Brief vorgelesen wird in der heutigen Versammlung, wir werden auch da sein, wehe! Ihnen wenn Sie es unterlassen, denn dann find Sie nur seige, haben nicht den Mut das zuwiederlegen nur Mut zum Aufreizen. Die Mittel und Wege kennen wir schon die

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Sie ergreifen wollen, das ist der Streik, Und der Schutz das soll die Gewerkschaft sein, damit die Arbeiterin fich fügen sollen wie es die Gewerkschaft will. Sie fragen ja gleich selber warum die Klagen an den Gewerbegerichten so zunehmen, eben, weil der Verband mehr verspricht als er hält. Sie gehen mit Ihrer heutigen Versammlung doch nur wieder auf den Fang aus. Ich wünschte aber das Frauen den Mut hätten Ihnen tüchtig für die Zähne zusprechen."

Während des Kampfes der Arbeiter und Arbeiterinnen in den Zeißer Kinderwagenfabriken, der inzwischen erfolgreich beendet wurde, beriefen Partei und Gewerkschaftsfartell für Zeit und Umgebung Versammlungen ein, um die Arbeiterinnen über die Bedeutung des Kampfes zu belehren. Eine Nachmittagsver fammlung in Zeiz war ein glänzender Beweis, daß die Prole­tarierinnen erwacht sind und Solidarität üben. Der geräumige Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt, selbst aus den entlegenen Dörfern waren die streitenden Frauen und Mädchen herbeigekommen. als die Referentin sie zum Aushalten im Kampfe aufforderte, ge lobten fie feierlich: Wir werden aushalten, auch wenn die Männer umfallen sollten." Der Anlaß zn dem langen Stampf waren lange Arbeitszeit; ein Kolonnenunwesen, welches dazu führte, daß die Arbeiter einer Kolonne sich ohne Zutun der Fabrikanten gegen­feitig antrieben; schlechte Löhne und außerdem ein ungleiches Lohn­system. Bei der Millionenfirma Näther herrschten Zuchthausver­hältnisse. Wer ein paar Minuten zu spät fam, zahlte 20 Pr. Strafe und mußte zwei Stunden warten, ehe er beginnen durfte. Frauen erhielten 4, 6, 8 bis 12 Mt. Lohn in der Woche, die Männer 12, 14, 16 und 20 M., selten überstieg der Verdienst 20 Mt. Nur durch Überstunden wurde ein höherer Lohn erzielt. Fabrikanten, Meister und Presse taten während des Streits das Möglichste, Ar­beitswillige heranzuschleppen, die selbstverständlich unter polizeilicher Bedeckung ihren Einzug hielten. Meist kamen die Rausreißer direkt aus Gefängnissen und brachten einen Begleitbrief des Geistlichen mit, oder es waren Gelegenheitsarbeiter, zusammengefucht in den Großstädten, polnische junge Arbeiter, angeblich aus Berlin  , zweifel­hafte Gestalten der berühmten Hintegarde usw. Es war für gewöhn­liche Sterbliche gefährlich, sich in der Nähe der Fabrik in der Straße auszuhalten; die sogenannte Nätherstraße war faft nicht zu pas­sieren, man wurde hier mindestens von einer Polizeipatrouille an­gehalten. Vor jeder Fabrik stand ein Polizeiposten, der ob der langen Dienstzeit während des Streits grimmig dreinschaute. Die Meister flopsten Sonntags mit wohlgefülltem Portemonnaie jedes Dorf nach Arbeitswilligen ab. Ja ja, ihr Zeitzer Arbeiterinnen und Arbeiter, wie fönnt ihr auch bei Näther streifen, dem großen Wohltäter der Stadt Zeit! Ein Voltsbad hat er gestiftet, und die Stadt muß ihm das Kapital verzinsen. Ein Denkmal eine nichts­sagende Steinsäule mit zwei Bogenlampen wurde der Stadt gleichfalls von ihm verehrt. Bei solchen Ausgaben kann man doch nicht auch noch an die Arbeiter denten, die keine Orden und Titel zu vergeben haben.

Die Unterzeichnete referierte außerdem in sehr gut besuchten Versammlungen für den Fabrik und den Tabatarbeiter verband. In einer anderen Versammlung kamen die Arbeiter und Arbeiterinnen der chemischen, Schokoladen, Seifen­und Fliegenfängerfabriken zusammen und protestierten gegen eine ganze Menge von Mißständen in den Betrieben.

Für die Parteiorganisation fanden in Zipsendorf  , Teuchern  , Theiffen und Grötschau gut besuchte Versammlungen statt, in denen das Thema lautete: Die wirtschaftlichen und politischen Kämpfe". In Grötschau war das Lokal so überfüllt, daß viele Frauen und Mädchen wieder umtehren mußten. Das sind gute Anzeichen für das Erwachen des weiblichen Proletariats. M. Wackwitz.

Proletarische Mütter, gedenkt der sozialistischen   Jugend­bewegung! Vor furzem sind viele Tausende von Proletarierkindern, Knaben und Mädchen, aus der Schule entlassen worden, die ihnen bitter wenig von dem Wissen gab, das sie draußen im Leben brauchen. Ihr Mütter hattet meist nicht die Zeit und die Kennt­nisse, dem falschen Bild, das euren Kindern in der Schule von der Welt gegeben wurde, das richtige entgegenzustellen. Auch jetzt, wo eure Kinder dem Schulzwang entwachsen sind, ist es euch zunt größten Teil unmöglich, das zu tun. Aber ihr habt es nur in der Hand, dafür zu sorgen, daß ihnen Wahrheit und nicht mehr Lüge gelehrt wird. Laßt sie nicht von den christlichen und nationalen Jünglings- und Jungfrauenvereinen einfangen, die das Werk der Schule nur fortsetzen, knechtselige Ausbeutungsobjekte und Unter­tanen zu drillen. Ihr wißt es, daß in diesen Organisationen die Arbeiterbewegung beschimpft wird, für die ihr mit Freude und Stolz tätig seid! Führt also eure Kinder der freien Jugendbewe­