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Die Gleichheit

entwickelt hat sich auch die Bäckerei und Konditorei, deren Umsatz von 1330099 Mt. auf 1536 657 Mt. stieg. Der Bericht hebt her vor, daß die Produktion" als erste von allen Hamburger Bäcke­reien bei dem legtjährigen Rückgang der Brotpreise eine Erhöhung des Gewichtes sämtlicher Brotsorten um 10 Prozent eintreten ließ. Die Zahl der Brotläden betrug zu Beginn des Jahres 3, zu Ende 8. Ein dritter eigener Produktionszweig ist die Kaffeerösterei, die 1910 465 433 Pfund Röstkaffee produzierte. Die Mineralwasserfabrik hatte einen Umsatz von fast 200000 Flaschen, zu denen noch 2818 Siphons tamen. Erwähnt seien ferner noch die eigene Tischlerei, Klempnerei, Schlosserei und Schmiede der Genossenschaft. Sehr umfangreich war die Bautätigkeit der Genossenschaft. Es wurden im Berichts jahr neue Bauwerke im Gesamtwert von 750000 Mt. hergestellt, und zwar ein neues Speicher- und Maschinengebäude und mehrere Wohnungs- und Verkaufsstellenanlagen mit insgesamt 122 Woh nungen und 12 Läden. Das Grundstückkonto der Produktion" hat sich damit auf 5561546 Mt. erhöht. 948 Personen waren 1910 in der Produktion" beschäftigt. Davon entfallen 61 auf die Leitung und das Bureaupersonal, 559 auf das Verkaufs- und Lagerpersonal, 73 auf die Bäckerei, 182 auf die Schlächterei, 17 auf die Tischlerei usw. Der Reingewinn stieg von 544555 auf 655847 Mt. Er kam in Form eines feststehenden Rabatts von 4 Prozent und einer nach träglich gezahlten Rückvergütung von 1 Prozent zur Verteilung, was zusammen einer Vergütung auf den Umsatz von 5 Prozent entspricht. Das Geschäftsanteilfonto der Mitglieder beträgt 747405 Mart. Das Notfondskonto( auf dem für jedes Mitglied aus seiner Rückvergütung ein individueller Notfonds von 100 Mt. angesammelt wird) ist auf 682787 Mt. angewachsen. Es sind daran jetzt 19262 Mitglieder beteiligt. In der Spartasse liegen jetzt 5588906 Mt., so daß das Gesamtguthaben der Mitglieder bei ihrer Genossenschaft jegt zirka 7 Millionen Mart beträgt, eine Summe, die sonst die Macht des Privatfapitals gesteigert hätte, jetzt aber die genossen­schaftliche Arbeit befruchtet.

Nach dem letzten Jahrbuch der großbritannischen Großeinkaufs gesellschaften waren der englischen Großeinkaufsgesellschaft 1163 Genossenschaften angeschlossen. Die Mitgliederzahl dieser Ge­nossenschaften beträgt über 2 Millionen. Die Anteile ergeben allein 1657 305 Pfd. Sterl. Ungefähr das Doppelte ist an Depositen vor­handen, dazu kommen verschiedene Fonds, so daß sich das gesamte Rapital auf 6 Millionen Pfund Sterling( 125,7 Millionen Mart) beläuft. Im verflossenen Jahre betrug der Umsatz 530 Millionen Mark. Auch die schottische Großeinkaufsgesellschaft hat eine imposante Entwicklung genommen. Seit 1907 beläuft sich ihr Kapital auf mehr als 60 Millionen Mark. Der Umsatz betrug 1910 145 Millionen Mark.

Die englische Großeinkaufsgesellschaft produziert: Wurst, Schmalz, Käse, sonstige Fleischwaren, Biskuit, Kakes, Schokoladen, Konfitüren, Kalao, Kaffee, Mehl, eingemachte Früchte, eingemachte Gemüse, Marmeladen, Saucen, Essig usw. Gemeinsam mit der schottischen Großeinkaufsgesellschaft betreibt sie ein großes Teegeschäft und eigene Teeplantagen. Ferner produziert sie: Stiefel, Schuhe, alle Sorten Kleider und Unterkleider, Strumpfwaren; für den Haushalt liefert sie aus eigenen Fabriken: Bettstellen, Matratzen, Bürsten, Besen, Matten, Seifen, Stärke, Kerzen, Möbel, Schuhcreme, Metall­puzmittel und allerlei sonstige Haushaltungsgegenstände; ferner stellt fie Rauch- und Schnupftabate sowie Zigarren und Zigaretten in eigenen Fabriken her. Ferner ist hier noch eine Transportabteilung zu nennen, die vier Dampfer besitzt, von denen zwei kleinere der Küstenschiffahrt dienen, während die zwei größeren den Verkehr mit Rouen   vermitteln.

Beinahe zwei Drittel sämtlicher Angestellten der englischen Groß­einkaufsgesellschaft( über 12000 Personen) sind in den Produktiv­abteilungen tätig. Das gesamte Personal zählt 19247 Köpfe. Die größte Arbeiterzahl hat die Schuhfabrik in Leicester   zu verzeichnen, nämlich 1499; außer dieser Schuhfabrik zählt nur noch ein Betrieb über 1000 Personen, nämlich die Buchdruckerei und Buchbinderei in Longsight. Daneben gibt es noch eine ganze Reihe größerer Betriebe: in der Hemdenfabrikation in Broughton sind 486, in den Konfektionswerkstätten 536 Personen beschäftigt. In den großen Betriebswerkstätten läßt hier die Großeinkaufsgesellschaft Waren, die sonst in Heimarbeit hergestellt werden, bei anständigen Löhnen und geringer Arbeitszeit anfertigen. Von den rund 6400 An­gestellten, die im eigentlichen Handelsgeschäft verwendet werden, find allein in der Zentrale 2300 beschäftigt. 135 Angestellte find außerhalb Großbritanniens   tätig. Die größte Niederlassung außer­halb Großbritanniens   besteht in Harring in Dänemart, sie zählt 28 Personen; es werden dort Fleischwaren hergestellt. 19 Angestellte zählt die Filiale in Kopenhagen  . Die Niederlassungen in Aarhus  , Gothenburg  , Odense   und Esbjerg   zählen noch 11 bis 15 Angestellte.

Nr. 17

In New York   und in Sydney  ( Australien  ) sind 8 Personen tätig, während in Montreal  ( Kanada  ) 4 Personen beschäftigt sind. Die Liste der Waren, die die schottische Großeinkaufsgesellschaft in Eigens produktion herstellt, ist ebenfalls recht groß. Die Fabriken, die sich in der Hauptsache in Shieldhall und Glasgow   befinden, sind im allgemeinen kleiner als die der englischen Großeinkaufsgesellschaft. Immerhin gibt es auch hier einen Betrieb, der über 1000 Arbeiter beschäftigt, nämlich die Stiefelfabrik in Shieldhall. Insgesamt sind hier in den Produktivbetrieben 5600 Personen, im Handelsgeschäft H. F. 1700 Personen tätig.

Notizentell.

Dienstbotenfrage.

Friedliche Lösung der Dienstbotenfrage? Du sprichst ein großes Wort gelassen aus", dieses Wort Schillers möchte man den bürgerlichen Frauenvereinigungen zurufen, die unter der Devise: Friedliche Lösung der Dienstbotenfrage" zum 5. Mai eine Ver sammlung nach dem Berliner Rathaus   einberufen hatten. Die pomphafte Ankündigung hatte aber doch nicht die erhoffte Bugkraft bewiesen. Zwar hatten 15 Vereine an ihre Mitglieder und an weitere Kreise appelliert, Schöneberger und Rigdorfer Magistratsmitglieder sowie ein Berliner   Stadtschulrat ihre Mitwirkung an der Lösung der schwierigen Frage zugesagt; allein der Bürgersaal des Rat hauses war faum zur Hälfte gefüllt, und gegen das Ende der Ver sammlung hatten sich die Reihen der Erschienenen bis auf etwa 100 Personen gelichtet.

Zweck der Veranstaltung war, die auf dem Boden der herr schenden Gesellschaftsordnung stehenden" Organisationen der Dienst boten sowohl wie der Hausfrauen für die Gründung eines Haus. dienstausschusses zu interessieren, der unterschiedliche Auf­fassungen flären, Gegensätze ausgleichen, gemeinsame Aftionen ein leiten und als beratendes Zentralorgan der Haushaltungsvorstände wie der Hausangestellten" dienen soll. Wie die Referentin, Fräu-. lein v. Knebel Doeberiz, in ihrem Vortrag betonte, soll der Ausschuß vor allem auch als Schiedsgericht fungieren, denn die Polizei, die Gesindeordnung und das Bürgerliche Gesetzbuch reichten nicht aus, wenn es sich um strittige Fragen zwischen Dienst, berech tigten" und Dienst, verpflichteten" handle. Zu den Aufgaben des Ausschusses sollen ferner gehören: Schaffung eines Dienstvertrags, Regelung der Freizeit, der Lohnfrage, der Kostgeldfrage, Eintreten für eine Kranten- und Unfallversicherung sowie für den Fortbil dungsschulzwang der Dienenden, Anbahnung von allerlei Wohl fahrtseinrichtungen wie Altersheimen   und dergleichen. Der Haus dienstausschuß soll auf paritätischer Grundlage aufgebaut sein, das heißt Dienstboten und Haushaltungsvorstände sollen zu gleichen Teilen in ihm vertreten sein; auch rechnet man darauf, daß die Gemeindeverwaltungen von Groß- Berlin Juristen, Arzte und Arz tinnen in den Ausschuß entsenden werden.

In der sehr lebhaften Diskussion wurde dem Ausschuß als eine Hauptaufgabe die Beseitigung der Gesindeordnung zugewiesen, um damit einer gewissen Organisation den Wind aus den Segeln zu nehmen. Gemeint ist der in glücklicher Entwicklung begriffene Zen tralverband der Hausangestellten, der abseits aller Harmonieduselet die Interessen der Dienenden allein vertritt und des halb den reformbegeisterten Damen der Frauenvereine seit langem ein Dorn im Auge ist. Von allen Seiten wurde der Gründung des Dienstausschusses zugestimmt und Pastor Burckhardt, der Vor­sitzende der Vereine Wohlfahrt der weiblichen Jugend und des Verbandes der evangelischen Jungfrauenvereine mit der Leitung der weiteren Vorbereitungen beauftragt.

Wie man sieht, nahmen die Gründer des Ausschusses die Backen ganz gewaltig voll. Aber wir wissen aus Erfahrung, wie wenig dabei herauskommen wird: bestenfalls ein klägliches Herumdilettieren und Herumpfuschen an all den Aufgaben, deren Größe die Herr schaften naiverweise erheblich unterschäßen, und deren ehrliche Lö­sung darum die zwerghaften Kräfte des Ausschusses weit über­steigen muß. Davon nicht zu reden, daß der Ausschuß von vorn herein auf Flugsand baut, weil er die Dienstbotenfrage vom Stand­punkt der Harmonie zwischen Dienenden und Herrschaften aus lösen will. Man fann den geplanten Großtaten gar nicht mißtrauisch genug entgegensehen. Der Vorsigende hatte die Anwesenden auf das dringendste ermahnt, in der Diskussion nicht etwa ihre persön lichen Hausfrauenschmerzen vorzubringen. Es half nichts: zwei adlige Damen nfußten ihrem gepreßten Herzen Luft machen und klagelieder anstimmen über die ungerechtfertigten Ansprüche der Dienstboten, die den armen geplagten Herrschaften das Leben so sauer machen. Diese Damen standen mit ihren beschränkten An­