282Die GleichheitNr. 18zu machen. Die Mitglieder der Kinderschutzkommission aber habensich mit dieser mühevollen Arbeit ein unstreitiges Verdienst er.worden, das nicht hoch genug anzuschlagen ist. Jeder aufgeklärteArbeiter und vor allem jede proletarische Mutter wird ihnen dafürDank wissen. Die Arbeiterschaft muß es sich angelegen sein lassen,die Kinderschutzkommission in ihrer verdienstvollen Tätigkeit kräftigzu unterstützen. Lob.Wilhelmine Lehmann-Mannheim 1-.Du bist nicht tot! Schloß auch dein Auge sich,In unseren Herzen lebst du ewiglich.Diese letzten Abschiedsworte wurden in Mannheim einerwackeren Parteigenossin und braven Frau gewidmet. Die Galtinunseres Reichstagsabgeordneten Lehmann ist am S. Mai den Folgeneines Schlagansalles erlegen, den sie vor Jahresfrist erlitten hatte.Zahlreich hatten sich die Genossinnen und Genossen auf dem Friedhof eingefunden, um der teuren Entschlafenen das letzte Ehrengeleitzu geben. Wilhelmine Lehmann war Mitbegründerin der sozialdemokratischen Frauenorganisation, mit der 1905 die proletarischeFrauenbewegung in Mannheim einen neuen Ausschwung nahm undeinen festen Mittelpunkt erhielt. Sie gehörte zu den Genossinnen,die auch weiterhin eifrig tätig für die junge Organisation eintraten,und gab ein leuchtendes Beispiel, wie die Frau die Pflichten gegendie Familie mit der Arbeit für die große Sache ihrer Klasse verbinden kann. Allezeit folgte unsere Genossin ohne Zögern demRufe, zur Förderung der Bewegung zu wirken. Längere Zeit warsie Vorsitzende der organisierten Genossinnen für den Bezirk Neckarvorstadt. An Erfahrungen reich, hals sie uns oft bei Versammlungen durch ihr geschicktes Eingreifen in die Debatten über schwierige Situationen hinweg und gab uns Anregung und Belehrung.Schon während des Sozialistengesetzes hatte Genossin Lehmann ihresozialistische Überzeugung betätigt. Ihr Gatte kämpfte in den vordersten Reihen, Gefahren, Opfer und Bitternisse blieben nicht aus.Was immer die Härte der Zeit über die Familie brachte, trug Genossin Lehmann mit gefestigter Überzeugung. Wie ost hat sie nichtgefaßt bei Haussuchungen standgehalten, die in ihren Folgen mitder bescheidenen wirtschaftlichen Existenz das häusliche Glück zuzerstören drohten! In ihrem Leben haben die Tage nicht gefehlt,an denen es nicht bloß sparen hieß, nein, verzichten und darben,weil der Kampf für das erkorene Ideal seine Anforderungen stellte.Mit der Beredsamkeit, die Erlebtes und tief Empfundenes gibt, erzählte sie uns jüngeren Genossinnen Ernstes und Heiteres aus derZeit des Schandgesetzes, immer wieder den unerschütterlichenKampfesmut, die frohe Siegeszuversicht betonend, die die damals„Geächteten" beseelten. In atemloser Stille lauschten wir ihrenWorten, das feierliche Gelöbnis im Herzen, dem leuchtenden Vorbild jener Zeit zu folgen und niemals im Kampfe für das hehresozialistische Ideal zu erlahmen, mit Anspannung all unserer Kräftefortzusetzen, was die„Alten" begonnen.— Als sich im vorigenJahre herausstellte, daß Genossin Lehmann wohl längere Zeit andas Krankenbett gefesselt sein würde, sehnten wir alle den Tagherbei, wo sie wieder gesund in unsere Reihen zurückkehren könnte.Der Allbezwinger Tod hat sie für immer von uns genommen. IhrScheiden ist ein bitteres Weh für uns alle, die wir ihren edlen,aufrichtigen Charakter, ihr hingebungsvolles Wirken gekannt haben.Mögen die trauernden Hinterbliebenen in dem Bewußtsein Trostfinden, daß viele mit ihnen den schweren Verlust beklagen. DasAndenken der zu früh Verstorbenen werden die Mannheimer Genossinnen und Genossen stets in Ehren halten. Therese Blase.Politische Rundschau.Schnell wechseln heute die Erscheinungen auf der politischenBühne. Die letzte Rundschau berichtete, die Verfassungsvorlagefür Elsaß-Lothringen sei in der Kommission gefallen und esbestehe wenig Aussicht, daß sie wieder auf die Füße komme. Undjetzt ist der totgesagte Entwurf schon Gesetz— er hat die dritteLesung des Reichstags passiert und die Zustimmung des Bundesrats erhalten. Im scharfen Gegensatz zu der volksfeindlichen Reichsversicherungsordnung, bei der sich fast sämtliche bürgerliche Parteien zum Schlag gegen die Arbeiterklasse zusammenfanden, stehtdie Vollendung der Verfassung für Elsaß?Lothringen und die Gruppierung der Parteien bei diesem Werk. Konservative, ein Teil derFreikonservativen und Polen waren die Opposition, die Mehrheilwurde gebildet von Zentrum, Nationalliberalen, Fortschrittlern undSozialdemokratie. Das ist eine ganz außerordentliche Stellung derParteien, und außerordentlich sind auch die Umstünde, denen sie ihreEntstehung verdankt. Es war eine Zwangslage, daraus sie entstand,wie das ganze elsaß-lothringische Verfassungswerk aus solcherZwangs-lage entsprang. Die elsaß-lothringische SIegierung, die im Grunde genommen nur eine Filiale der preußischen Regierung ist, mußte dieVerfassungsreform haben, da sie mit dem aus einem schändlichenWahlsystem geborenen Landesausschuß nicht mehr auskam. DiesesWahlsystem gab den rückständigsten und zugleich den französelndenElementen des Landes das Übergewicht im Landesparlament derReichslande. Die Wahl der Abgeordneten lag zumeist in der Handkleiner Cliquen von„Notabeln", das heißt der wohlhabenderenkleinbürgerlichen und bäuerlichen Schichten, die sich durch einen besonders beschränkten Gesichtskreis und zähes Festhalten an ererbtenVorurteilen auszeichnen. So wurde denn der Landesausschuß einerseits zum Tummelplatz des ödesten nationalistischen Protestlertumsund andererseits zum Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklungdes Landes. Denn die Notabeln widersetzten sich jeder Maßregel,die die kleinbürgerliche Gemütlichkeit stören und ihre herrschendeStellung im Lande mindern konnte und ihnen auch nur das geringste Opfer auferlegt hätte. Gegenüber diesem Notabelntum konntesich die Regierung, die, soweit sich das mit den Interessen der Landjunker vereinbaren läßt, die Sachwalterin der an der Förderungder wirtschaftlichen Entwicklung interessierten Industriellen und desGroßkapitals ist, als Vertreterin des Fortschritts aufspielen.Außerdem aber mußte sie erkennen, daß die herrschende Stellungdes Notabelntums im Landesausschuß die protestlerische, parti-kularistische Strömung stärkte. Das rückständige Wahlsystem, daskleinen Kreisen der Bevölkerung die Macht gab, hinderte dieEntfaltung eines kräftigen politische» Lebens, das die nationalistischen Tendenzen überwunden hätte. So wurde der Landesausschuß zu einem Hemmnis des innerlichen Anschlusses der Neichs-lande an das Reich. Die Regierung mußte daher aus allgemeinpolitischen wie aus wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten seine Beseitigung erstreben. Und am besten erreichte sie ihre Zwecke, wennsie ein verhältnismäßig demokratisches Wahlrecht vorschlug. Hättedie Reichsregierung den Elsaß-Lothringern ein Klassenwahlsystemnach preußischem oder ein Pluralwahlrecht nach sächsischem Mustergeboten, so würde sie dadurch die Notabelnwirtschaft erst recht befestigt haben, während der Abscheu der demokratisch gestimmten,aus der französischen Zeit her an das gleiche Wahlrecht gewöhntenBevölkerung vor solchen Wahlrechtsungeheuer» die Hinneigung zuFrankreich nur gestärkt hätte.Das allgemeine gleiche Wahlrecht vorzuschlagen, brachte die Negierung des Herrn v. Bethmann Hollweg, der seinerzeit bei derBeratung der preußischen Wahlrechtsvorlage dieses Wahlrecht nichtgenug herabsetzen konnte, doch nicht übers Herz. Sie legte einZwitlerding zwischen gleichem Wahlrecht und Pluralwahlrechtsächsischer Färbung vor, das gleiche Wahlrecht, verkümmert durchzwei Zusatzstimmen für das Aller. Dieses System hätte die Arbeiterklasse stark beeinträchtigt, deren Angehörige durchschnittlich frühersterben als die Bourgeois. Die Sozialdemokratie mußte diesesSystem also auf alle Fälle ablehnen, während Zentrum und Fort-schrittler Miene machten, sich damit abzufinden. Den Junkern wardieses eigenartige Wahlrecht natürlich viel zu demolralisch, inschroffste Opposition zur Vorlage stellten sie sich aber, als die Verfassung in der Kommission eine Bestimmung erhielt, die sie für eineBeschimpfung Preußens erklärten. Elsaß-Lothringen hatte bisherkeine Vertretung im Bundesrat, ein Ausnahmezustand, der denElsaß-Lothringern gerechten Grund zur Beschwerde gab. Die Regierungsvorlage suchte nun einen Ausgleich zu schaffen zwischenden Interessen der Elsaß-Lothringer und der Abneigung der nichtpreußischen Bundesstaatsregierungen gegen eine Verstärkung desEinflusses Preußens im Bundesrat. Denn Preußen wären ja schließlich in allen wichtigen Angelegenheiten die Stimmen Elsaß-Lothringenszugute gekommen, da der vom Kaiser ernannte und jeden Tag absetzbare Statthalter die Vertreter Elsaß-Lothringens in den Bundesrat zu delegieren hat. Der Entwurf sah deshalb nur beratendeBundesratsstimmen für Elsaß-Lothringen vor— die Kommissionsetzte indeß drei beschließende Stinimen ei»; um jedoch die nicht-preußifcheu Regierungen zu beruhigen, sollten diese drei Stimmendann nicht gezählt werden, wenn sie, mit den preußische» übereinstimmend, diesen gerade die Mehrheit im Bundesrat verschaffe»würden. Große praktische Bedeutung hat das nicht. Gemeinhin istder Einfluß Preußens auf die kleineren Bundesstaaten so groß, daßes fast immer eine Mehrheit im Bundesrat findet, die erheblichgrößer ist, als daß die elsaß-lothringischen Stimmen gerade denAusschlag geben könnten. Die Junker aber benutzten diese Bestimmung als Vorwand, um, von einer Verletzung der Ehre Preußensfaselnd, die ihnen unangenehme Vorlage gänzlich abzulehnen. Zentrum und Liberale gerieten sich dann in die Haare, weil jeder Teilfür sich besondere Vorteile wünschte, und so scheiterte die Vorlagezunächst in der Kommission. In dieser Not suchte man mit Hilfe