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Die Gleichheit

Arbeitswilligen, die immer wieder herbeigelotst, doch auch immer wieder abgeschoben werden. Bei der mustergültigen Geschlossenheit der Bergarbeiter in diesem Kampfe dürste den Ausbeutern der Sieg schwer werden.

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Auch im Streit auf der Schichauwerft in Danzig   ist keine Anderung eingetreten. Dagegen konnte die Lohnbewegung der Rheinschiffer mit Erfolg beendet werden. Bet den Hafen­Bet den Hafen bauten in Wilhelmshaven   legten 400 Erdarbeiter die Arbeit nieder, weil die Firma, die diese Bauten ausführt, niedrigere Löhne zahlt als sie sonst üblich sind.

Einen gut scharfmacherischen Geist, der die Neutralität und die Roalitionsfreiheit mißachtet, bekundet die Dresdener   Stadt­verwaltung. Sie hat in der Arbeitsordnung für die städtischen Arbeiter einen Paragraphen, der bei Strafe der sofortigen Ent­lassung jede Agitation im Betrieb verbietet. Nun waren in allen städtischen Arbeitsplätzen in letzter Zeit Plakate des Militärvereins­bundes aufgehängt, die zum Beitritt zu dieser Organisation auf forderten. Da das nach landläufigen Begriffen zum mindesten Agitation treiben heißt, so wandte sich die Verwaltung des Ge­meindearbeiterverbandes an den Rat der Stadt mit dem Ersuchen, Plakate aufhängen zu dürfen, in denen auf die Einrichtungen dieser Gewerkschaft hingewiesen würde. Das Gesuch wurde vom Rate ab­gelehnt. Trotzdem wird wohl der Militärverein ebensowenig über große Mitgliederzunahme zu flagen haben, als der Gemeindes arbeiterverband über eine Hemmung seiner Entwicklung. Doch bildet das Vorgehen der Stadt immerhin einen netten Beitrag zur Rennzeichnung der Kommune als Arbeitgeberin.

Für die Referate auf dem Gewerkschaftskongreß sind von der Generalfommission die Referenten bestimmt worden. Den Rechen schaftsbericht der Generalkommission wird ihr Vorsitzender Legien  erstatten. Über das Koalitionsrecht in Deutschland   und den Vor­entwurf zu einem deutschen Strafgesetzbuch wird Rechtsanwalt Dr. Heinemann referieren. Das Thema Heimarbeiterschutz und Hausarbeitergesetz soll der Vorsitzende des Tabatarbeiterverbandes Deichmann behandeln. Über Arbeiterschutz und Arbeiterversiche­rung spricht Reichstagsabgeordneter Schmidt und über Arbeits­nachweis und Arbeitslosenunterstützung der Redakteur des Korre­spondenzblattes Umbreit. Die Stellung der Privatangestellten im Wirtschaftsleben wird der Redakteur des Handlungsgehilfenblattes Lange behandeln und über Bildungsbestrebungen und Bibliothek­wesen in den Gewerkschaften referiert das Mitglied der General­tommission Sassenbach.

Die Hirsch Dunckerschen Gewertvereine hat ein böser Schlag getroffen. Der Verein deutscher Kaufleute hat seinen Austritt aus dem Verband der Hirsch- Dunckerschen Gewerkvereine erklärt. Der Generalsekretär der Hirsche, Stadtverordneter Gold­schmidt, suchte den Austritt mit allen Mitteln zu verhindern. Er war aber um so ungeeigneter hierzu, als gerade seine Stellung nahme bei dem Arbeitskammergesetzentwurf mit der Anlaß zu dem Austritt der Kaufleute war. Der Verein deutscher Kaufleute mit feinen rund 18000 Mitgliedern ist die stärkste Gruppe der Hirsch= Dunckerschen Gewerkvereine, und sein Austritt aus dem angeblich noch 100000 Mitglieder zählenden Verband wird dessen Ansehen und Tätigkeit bedeutend schwächen und drastisch erweisen, daß die Hirsch- Dunckerschen gänzlich unfähig sind, die Interessen der Ar­beitenden zu vertreten.

Am weitesten im Verrat der Arbeiter haben es wohl zurzeit zwei Vertreter der gelb- organisierten Bäcker gebracht. Ein Bezirkstag der Bäckerinnungen beriet den Antrag einer Inmung, ein Backverbot von Sonnabend abend bis Sonntag abend für das gesamte Bäckergewerbe durch Reichsgesetz zu fordern. Die Leiter der gelben Bäckerorganisation, Wischnewsti- Berlin und Drewitz­Frankfurt a. M., mühten sich im Schweiße ihres Angesichts, die Meister zu überreden, daß sie ein solches Gesetz nicht fordern dürsten. Und sie erreichten denn auch, daß der Antrag mit geringer Mehr­heit, mit 65 gegen 52 Stimmen, abgelehnt wurde. Also ein großer Teil der Unternehmer zeigte mehr Verständnis für Arbeiterinter­essen als diese Vertreter der Gehilfen. Ein Schimpf, der hinreichen müßte, allen indifferenten Lohnstlaven die Augen über die gelben Organisationen zu öffnen. #

In der Holzindi strie nimmt gegenwärtig der Lohnkampf in Hamburg   das größte Interesse in Anspruch. Der Arbeitgeber verband Unterelbe will an der dortigen organisierten und wohl­disziplinierten Arbeiterschaft eine Kraftprobe riskieren. Auf An­regung des Einigungsamtes des Gewerbegerichtes fanden nun am 20. Mai Vergleichsverhandlungen statt, die aber zu feinem Ergeb nis führten, weil beide Parteien nicht von ihrem grundsätzlichen Standpunkt, der bisher eine Einigung unmöglich machte, abwichen. Das Einigungsamt hat daraufhin am 23. Mai einen Schiedsspruch

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über die Arbeitsnachweisfrage gefällt. Dieser Schiedsspruch behält den paritätischen Arbeitsnachweis bei, kommt aber den Arbeitgebern bezüglich der obligatorischen Benutzung weit entgegen. Es sollte ihnen im Einzelfall gestattet sein, auch einmal einen Arbeiter außer der Reihenfolge zu beziehen, ja selbst dort nicht eingetragene Ar­beiter auf dem Umweg über den Arbeitsnachweis einstellen zu dürfen. Trotz dieses weiten Entgegenkommens sahen die Arbeit­geber in diesem Schiedsspruch noch einen glatten Sieg des Holz­arbeiterverbandes, und ihre Versammlung lehnte ihn einstimmig ab. Der Lohnkampf, der den Arbeitern bereits 350 000 Wt. Kosten verursacht hat, dauert nun weiter. Die Hamburger Holzarbeiter sind entschlossen, auszuharren, und können dies um so eher, als ihnen ein starter Zentralverband den Rücken deckt.

Ein weiterer größerer Lohnkampf tobt gegenwärtig im Raben­auer Stuhlgebiet. Dort in der nächsten Umgebung der fäch­sischen Landeshauptstadt stehen seit neun Wochen rund 430 Stuhl­arbeiter und-arbeiterinnen im Streif. Arbeitswillige in irgendwie erheblicher Zahl haben sich nicht gefunden, so daß jetzt schon ein­zelne Fabrikanten an die Werkplätze herabgestiegen sind. In Leipzig   ist es in der bekannten Blüthnerschen Pianofortefabrik infolge der Maßregelung des Arbeiterausschußvorsitzenden plötzlich zur Arbeitsniederlegung von etwa 500 Holzarbeitern gekommen, doch wird hier mit einer baldigen Beilegung der Differenz ge= rechnet. In Mainz  , einer der bedeutendsten Städte der süd­deutschen Möbelindustrie, ist ein neuer Tarifabschluß auf friedlichem Wege zustande gekommen, der eine Erhöhung der Stundenlöhne um insgesamt 6 Pf. vorsieht und Mainz   am 1. Oftober 1913 in die Orte mit 58 fündiger Arbeitszeit einreiht. Dahingegen mußte der Lohnkampf der Perlmuttknopfdrechsler in Frankenhausen  , über dessen Beginn wir derzeit ausführlich berichteten, nach 85 wöchiger Dauer mit einem minimalen Erfolg beendet werden. Dabei haben fich die Streifenden, zu einem großen Teil Heimarbeiter, prächtig gehalten. Von 462 Streifenden beider Geschlechter sind trotz der langen Dauer nur 11, meist jugendliche Personen, abtrünnig ge­worden. Es hatten sich jedoch aus den Nachbarorten einige Leute gefunden, welche die neueingeführten Maschinen bedienten. Trotz­dem hätte der Streit weitergeführt werden können, doch wäre da­mit eine weitere Saison verloren gewesen, was eine Streitdauer von noch einigen Monaten bedingt hätte. Die Fabrikanten haben nun die Regelung der Affordlöhne und den Abschluß von Tarif­verträgen bis 1. Oktober ds. Js. zugesagt. Einen recht erfreulichen Abschluß haben demgegenüber die Arbeiter in den Sägewerken Memels, im äußersten Nordosten des Reiches, erzielt. Hier hat die Organisation erst vor kurzem in größerem Umfang Eingang gesunden, und schon konnten nach kurzem Kampfe, in dem die Unter­nehmer zur Aussperrung von 300 Personen schritten, Lohnerhöhungen von 2 bis 5 Pf. die Stunde verzeichnet werden. Der Organisations­gedante erobert immer weitere Gebiete.

fk.

Solidarität unorganisierter Arbeiterinnen. In der Lumpen­sortiererei von Wulf Strauß in Darmstadt   traten am 13. Mai sämtliche Arbeiter in den Streit, weil der Unternehmer auf eine geforderte Lohnerhöhung jedes Entgegenkommen ablehnte. Die fünfzig Arbeiterinnen des Betriebs waren an der Bewegung nicht beteiligt, gehörten auch in ihrer Mehrheit der Organisation nicht an. Es war nun erfreulich, wie eifrig und geschickt diese Ar­beiterinnen den Kampf der Arbeiter unterstützten. Einmütig er­klärten sie sich bereit, die Arbeit zugunsten der Kämpfenden mit einzustellen, und ebenso einmütig wiesen sie jedes Zusammenarbeiten mit Streitbrechern zurück. Regelmäßig sorgten sie dafür, daß den Streitposten das Mittagessen auf den Wärmplatten der Fabrik ge­wärmt wurde. Das Wichtigste aber ist, daß sie sich während des Kampfes bis auf wenige Ausnahmen dem Verband der Fabrik­arbeiter anschlossen, und dadurch die erste Vorbedingung für ein gemeinsames Handeln bei kommenden Bewegungen erfüllten. Der Kampf selbst endete, nicht zuletzt infolge der Solidarität der Ar beiterinnen, mit einem erfreulichen Erfolg für die Arbeiter. h. sch.

An die deutsche Arbeiterschaft! Partei- und Gewerkschafts­genossen und Genofsinnen! Seit einiger Zeit gehen durch die Presse Mitteilungen über die überaus traurigen und miserablen Lohn­und Arbeitsverhältnisse der Angestellten der Nähmaschinen­fabrit Singer Co." In Nürnberg  , Frankfurt   a. M. und Offenbach   sind dieselben in eine Lohnbewegung eingetreten; dort ist über die Fabrikate der Singer Co. der Boykott verbängt. Auch in Berlin   und Hamburg   gärt es gewaltig unter den Singer­angestellten. In der Fabrik der Singer Co. in Wittenberge  ( Be­zirt Potsdam) herrschen zuchthausähnliche Zustände. Soeben tommt auch aus London   und Glasgow  ( England) die Nachricht, daß dort 10000 Angestellte der Singer Co. Nähmaschinenfabrik in den Streit getreten sind.