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Die Gleichheit

Hierauf erfolgte die Aufhebung des Schöffengerichtsurteils und die fostenlose Freisprechung der Genossin Topfstedt  . Wir glauben faum, daß dieser Reinfall den Eifer unserer Polizei dämpfen wird, Staat und Gesellschaft vor den Gefahren der Dienstbotenorgani sation zu retten. Und das kann uns nur lieb sein, denn das Ein­greifen der Polizei hat noch immer unsere Bewegung gefördert und jeder iher Reinfälle stärkt die Stellung unserer Organisation. r. v.

Soziale Gesetzgebung.

Je dümmer, desto besser, das ist der Sinn des Protestes der Elberfelder   Handelskammer gegen die erweiterte Fortbildungsschulpflicht der gewerblichen Arbeite= rinnen, wie sie von der Reichstagskommission durch§ 120 der Gewerbeordnungsnovelle vorgesehen ist. Daß die ortsstatutarisch einzuführende Fortbildungsschulpflicht von der höheren Verwal tungsbehörde zwangsweise angeordnet werden kann, falls eine Ge meinde die Aufforderung mißachtet, erregt den Zorn der Fabri­tanten. Sind doch die Textilarbeiterinnen, um die es sich hier in erster Reihe handelt, um so gewinnbringender auszubeuten, je weniger Kenntnisse und Wissen sie besitzen. Und nach der An­sicht der Herren Unternehmer hätte die Industrie von der Fort bildungsschule nur Schaden, und auch die Arbeiterinnen keinen Nußen, höchstens die von ihnen, die später einmal wegen Ver­heiratung aus dem Arbeitsverhältnis ausschieden. Für diese lez­teren aber Opfer zu bringen, könne den Fabrikanten nicht zugemutet werden. Weiter heißt es: In Bezirken, in denen, wie hier im Wuppertal  , Mangel an weiblichen Arbeitskräften herrscht, würde die Schulpflicht die Industrie aufs schwerste benachteiligen, da zu der gesetzlichen Verkürzung der Arbeitszeit auf 10 Stunden nun noch die weitere Verkürzung durch die Unterrichtsstunden kom men würde, da man natürlich wie bei den männlichen Arbeitern bestrebt sein wird, den Unterricht in die Arbeitszeit zu verlegen. Gerade die Industrie unseres Bezirkes und die hier vorherrschende Textilindustrie sind in besonderem Maße auf weibliche Arbeits­träfte angewiesen und würden sich in dem ohnehin schwierigen Wettbewerb auf dem Weltmarkt mit ausländischen Industrien, die feine sozialpolitischen Lasten und Betriebsbeschränkungen zu tragen haben, noch weiter benachteiligt sehen."

Den Akkordarbeiterinnen wird sodann der Schaden vorgehalten, der ihnen durch das Arbeitsversäumnis beim Schulbesuch entstände. Und trotz des angeblichen Mangels an weiblichen Ausbeutungs­objekten drohen die Herren damit, sich zu rächen und bei großem Angebot weiblicher Arbeitskräfte feine fortbildungsschulpflichtigen Arbeiterinnen einzustellen. Diese Drohung und das Gejammer über die Lasten, die den Kapitalisten aus der sozialpolitischen Gesetz­gebung erwachsen sollen, sind ja als Vogelscheuchen bereits in den Eingaben anderer Handelskammern und industrieller Verbände an den Reichstag aufgestellt. Und die verlogenen Deklamationen des Ausbeutertums werden wohl auf die Dauer ihren Eindruck auf das Mitgefühl bürgerlicher Fraktionen für einen hohen Unter­nehmerprofit nicht verfehlen. Um so energischer müssen sich die Ar­beiterinnen dagegen zur Wehr sehen, daß die ohnehin kläglichen Bildungsmöglichkeiten des weiblichen Proletariats nicht noch weiter

verkümmert werden.

mg.

Die Erweiterung der Rechte der weiblichen Innungsmit­glieder erstrebt der Verband württembergischer Frauen­vereine durch eine Petition an Bundesrat und Reichstag. Diese verlangt, daß 1. auch Frauen zu den Gesellenprüfungsaus­schüssen und Meisterprüfungskommissionen zu wählen sind, 2. das passive und aktive Wahlrecht zu den Handwertstammern den Frauen verliehen wird, 3. es den Frauen ermöglicht wird, ihre Rechte als Jnnungsmitglieder auszuüben. Die vielen in hand­werksmäßigen Betrieben beschäftigten Frauen müssen heute wohl die Umlagepflicht für die Handelskammer mit den Männern teilen, sind aber von dem Genuß dieses Rechtes ausgeschlossen. Dieses ist bekanntlich von dem Rechte zur Ausübung des Schöffenamtes ab­hängig. Zwar wird diese Bestimmung zuweilen zugunsten einzelner Frauen umgangen, das kann aber nur ein weiterer Grund dafür sein, den Frauen dieses Recht gesetzlich zu gewähren. In der Petitionskommission beantragte der Korreferent vom Zentrum, die Eingabe nur als Material zu überweisen, während der sozial­demokratische Referent ihre Überweisung zur Berücksichtigung forderte und auch durchsetzte. Darauf beschloß die Kommission, einen Regierungsvertreter zur weiteren Behandlung der Frage hinzuzuziehen, da nunmehr gemäß der Geschäftspraxis die Re­gierung gehört werden muß. Dadurch wird es aber in Frage ge­stellt, ob die Petition selbst noch in der Herbstsession erledigt werden fann. Immerhin ist die Regierung gezwungen, inzwischen eine Prüfung der jetzigen ungleichen Rechtspraxis vorzunehmen. mg.

Nr. 18

Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.

I. K. Die dritte Jahresversammlung des Verbandes der sozialdemokratischen Frauenklubs in Holland   fand am Tage vor Ostern statt. 20 Klubs waren vertreten. Die Vorsitzende er­innerte daran, wie lehrreich das verflossene Jahr für die Frauen gewesen sei. Die Regierung beschäftigte sich wiederholt mit Frauen­interessen. Zuerst trat sie mit dem Entwurf auf den Plan, welcher die verheiratete Beamtin mit Entlassung bedroht, aber zum Glück noch nicht Gesetz geworden ist. Nachher folgte die Komödie zur Förderung der Sittlichkeit durch mehrere Anträge, welche sich nicht bloß gegen die Unmoral wendeten, sondern auch gegen die Kunst, die Literatur und die Freiheit der Presse usw. Wie besorgt zeigten sich nicht die bürgerlichen Gesetzgeber, die christlichen insbesondere, für die Sittlichkeit der Frauen, die sie durch nichtskostende Gesetzes­bestimmungen stärken wollten! Aber erst bei der Arbeiterschutzgesetz­gebung kam die wahre Liebe und Sorge der Herren ganz zum Durch bruch. Die Klerikalen traten für das Wohl der verheirateten Frauen in die Schranken, wollten sie dem Hause erhalten und ganz aus der Industrie ausschließen. Um sie zu schützen? Mit nichten. Die Prole tarierin darf sich placken und abrackern im Hause, außerhalb der gesellschaftlichen Produktion, sie darf den Herren Kapitalisten Ars beiter und Soldaten gebären und erziehen. Die Regierung ihrerseits möchte den verheirateten Frauen die Freiheit zur gesellschaftlichen Arbeit belassen. Zu ihrem Wohl? Nicht doch. Damit die Armen­tassen nicht zu sehr belastet würden. Als unser sozialdemokratischer Abgeordneter den freien Sonnabendnachmittag für die Arbeite rinnen forderte, mußte er den Herren sagen, daß die Frau diese kurze Sklavenrast zur Erledigung häuslicher Arbeit bedarf und nicht der Ruhe widmen kann. Nicht einmal die schwangere Frau und die junge Mutter sollen nach der Meinung der Herren Minister geschützt werden. Jm Grunde wurden die Erwägungen der Herren von der Sorge beherrscht, was dem Kapital vorteilhafter sei, Fehl­geburten zu verhüten oder nicht. Die sozialdemokratische Forde rung einer Mutterschaftsversicherung wurde abgelehnt. Bei all diesen Debatten im Parlament sah die Rednerin den Schatten der abge­hezten Frau herumirren, die nur Arbeitstier ist. Scharf trat es her vor, daß es an der richtigen geschichtlichen Einsicht in das Wesen der Frauenarbeit fehlt. Die sozialistische Auffassung davon muß immer weiter und tiefer dringen und auch in den eigenen Reihen, im Proletariat, festwurzeln. Es muß verstanden werden, daß nicht die gesellschaftliche Frauenarbeit an sich das ungeheure Elend zei­tigt, das heute in ihrem Gefolge auftritt, sondern daß dies die Wirkung der kapitalistischen   Ausbeutung der Arbeit ist. Wenn je die Notwendigkeit des Rechts zur Mitbestimmung in der Gesetz­gebung für die Frau klar zutage trat, so bei der Behandlung dieser Fragen. Das Wahlrecht tut den Frauen not! Die Frau arbeitet und kämpft jetzt auch in Holland   für dieses Recht. Die Petitionsbewegung für das allgemeine Wahlrecht aller Großjährigen hat das laufende Jahr zu einem wichtigen und freudigen für die holländischen Genossinnen gemacht. Die Frauen unterzeichnen in großer Zahl die Petitionslisten und beweisen damit, daß sie das Wahlrecht zu schätzen wissen. Die Angaben des Jahresberichtes über die Entwicklung des Verbandes sind bereits in Nr. 15 mitgeteilt worden. Im Mittelpunkt der Tätigkeit steht die Wahlrechtsbewe­gung. Dem Verbandsorgan De Proletarische Vrouw" wurde von den Delegierten im großen ganzen volles Lob gespendet. Es dient sowohl der ersten Agitation unter den noch Unaufgeklärten, wie der Schulung der Klubmitglieder. Einige Delegierte möchten mehr die erste Aufgabe, andere mehr die zweite betont sehen. Die Leiterin, des Blattes versprach, möglichst allen geäußerten Wünschen Rech­nung zu tragen. Sie hob hervor, daß das Blatt vor allem den Frauen etwas geben muß: einen weiteren Blick über den kleinen, engen Kreis hinaus, in welchem sie leben, und der durchbrochen werden soll. Viel Zustimmung fand die Kinderbeilage. Die Kinder lesen sie gern und fühlen instinktiv, daß hier zu ihnen von Leuten gesprochen wird, die mit ihren Eltern in geistiger Gemeinschaft. stehen. Der Verbandsleitung ward aufgetragen, in Verbindung mit den Partei- und Gewerkschaftsblättern zu treten und darauf hinzu wirken, daß sie eine Frauenrubrit einführen. Das Zentralorgan der Partei Het Volt" hat seither eine solche Rubrik eingerichtet, die von der Vorsitzenden des Verbandes, Genossin Wibaut, redi­giert wird. Auf der Tagesordnung der Jahresversammlung stand ein Antrag, der Verband möge Mittel und Wege finden, damit auch in Holland   bald von der Partei mit Erfolg ein Frauentag veranstaltet werden kann. Im Anschluß an diesen Antrag referierte Genossin Flemming- Zwolle über den sozialdemokratischen Frauentag in Deutschland   und Österreich   und schilderte, wie dort die Genossinnen gearbeitet haben, um den Tag zu einem Erfolg zu