Nr. 18

Die Gleichheit

machen. Die Tagenden zollten den ausländischen Genofsinnen be geisterte Anerkennung. über das Thema:" Wie werden wir Agi­tatorinnen?" hielt die Redakteurin des Verbandsorgans, Genofsin Pothuis Smit, ein Referat. Ihre Meinung ging dahin, daß alle Delegierten Agitatorinnen werden könnten. Dreierlei braucht es dazu: Begeisterung, Kenntnisse und Mut. Begeisterung haben wir alle. Die Rednerin legte dar, wie man sich Kenntnisse zu eigen machen könne. Am schwersten wird es nach ihr den Frauen, sich den Mut zum Heraustreten an die Öffentlichkeit zu erringen. Die tiefe Liebe zu unserer großen Sache ist es, die die Scheu über­winden läßt. Das nächste Tätigkeitsjahr wird zeigen, wie anregend, ermutigend und wegweisend die Verhandlungen der Jahresversamm lung auf die Genossinnen gewirkt haben. H. Ankersmit, Sekretärin. I. K. Mary Middleton. Die sozialistische Frauenbewegung Großbritanniens   hat einen schweren Verlust erlitten. Am 24. April ist Mary Middleton einem tückischen, qualvollen Leiden erlegen, das sie schon im letzten Jahre der Arbeit im Dienste ihres sozialistischen Jdeals entrissen hatte. Genoffin Middleton gehörte zu den Gründerinnen der Women's Labour League( Liga für die Interessen der erwerbstätigen Frauen). Jahrelang war sie die um­fichtige, aufopfernde, unermüdliche Sekretärin dieser Organisation, deren Entwicklung fie Tage vollen fieberhaften Schaffens und schlaf­lose Nächte gewidmet hat. Was die Liga geworden ist, bleibt ein Denkmal von Mary Middletons unvergeßlichem Wirken. Schon schwertrant, rang unsere Genoffin ihren schwindenden Kräften noch mit bewunderungswürdiger Willensstärke Arbeitsleistungen ab. Das Krankenzimmer, an das sie seit mehr als einem Jahre ge fesselt war, glich oft genug einem Beratungszimmer, in welchem die hervorragendsten Führerinnen der Liga, einflußreiche Mitglieder der Arbeiterpartei und der Unabhängigen Arbeiterpartei unter ihrem Vorsitz die wichtigsten Angelegenheiten erörterten. Ihre Erfahrungen waren stets anregend, oft wegweisend, und ihr hoher Sinn blieb Wenn eine Quelle des Mutes und der Ermunterung für alle. man so daliegt", pflegte Genoffin Middleton zu sagen, so hat man Beit, zu denken." Ihre Gedanken gehörten aber bis zur letzten Minute wachen Bewußtseins der Arbeit für die Befreiung des weiblichen Geschlechts und des Proletariats durch den Sozialismus. Genossin Middleton liebte leidenschaftlich die Blumen, und die Freundschaft brachte gern die Farbenpracht und den Duft der Gärten und Wiesen in ihr Krankenzimmer. Ihr Sarg wäre mit Blüten überschüttet worden, hätte sie nicht ausdrücklich gebeten, die ihr zugedachten Blumen Kranken zu bringen, eine Bitte, die einen tiefen Blick in das warmfühlende Herz tun läßt, das stets darauf bedacht war, zu erfreuen. Die englischen Genossinnen werden noch lange schmerzlich die Lücke empfinden, die Mary Middletons Tob in ihre Arbeits- und Kampfesgemeinschaft gerissen hat. Der auf richtigen Teilnahme der sozialistischen   Frauen aller Länder dürfen sie überzeugt sein. Sie werden nicht vergessen, daß Mary Middleton zu den verdienstvollsten Vorkämpferinnen ihres hehren Zieles gehörte. I. K. Marie Nowak- Krafa f. Die österreichischen Genossinnen trauern um eine ihrer Besten. Genossin Nowat- Krasa ist den Folgen einer Operation erlegen. Sie gehörte zu den ersten proletarischen Frauen, die sich 1890 in dem Arbeiterinnenbildungsverein zu Wien  organisierten, und war Mitglied des Komitees, das ein Jahr später die Herausgabe einer eigenen sozialdemokratischen Frauenzeitung vorbereitete. Unter den schwierigsten äußeren Verhältnissen, die das Los der Proletarierin sein können, hat sich unsere Genossin jeder zeit restlos, aufopfernd und freudig für den Befreiungskampf des Proletariats eingefeßt, und das meist auf vorgeschobenen Posten. Eine eingehendere Würdigung des Lebens und Wirkens dieser Tapferen und Selbstlosen soll der Immortellenstrauß sein, den wir an ihrem Grabe niederlegen.

Frauenstimmrecht.

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Für die Einführung des allgemeinen Frauenwahlrechts zu der Zweiten Kammer in Elsaß- Lothringen  , die auf Grund der kürzlich angenommenen Verfassungsgesetze für diesen Bundes­staat geschaffen wird, trat abermals die Sozialdemokratie allein im deutschen Reichstag   ein. Genoffe Emmel begründete eindringlich die Forderung. Wir werden in einer folgenden Nummer noch auf die Behandlung der Frauenwahlrechtsfrage in der Ver­faffungslampagne zurückkommen.

Der Antrag auf Einführung eines außerordentlich be schränkten Frauenwahlrechts in England lag dem Unterhaus am 5. Mai vor. Der Liberale Kemp und der Konservative Goulding beantragten, das Haus wolle in die zweite Lesung der Bill eintreten. Mit 255 gegen 88 Stimmen faßte das Parlament einen entsprechenden Beschluß. Troß der starken Majorität soll der Entwurf nach einer weit verbreiteten Meinung keine Aussicht haben,

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Gesetz zu werden. Unsere Leserinnen wissen, daß vom Standpuntt der politischen Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts aus das keineswegs zu bedauern wäre. Die Bill will das Wahlrecht nur solchen Frauen zuerkennen, die einen selbständigen Haushalt führen, sie würde nicht mehr als etwa einer Million Frauen das Bürgerrecht gewähren. Politisch emanzipiert würden überdies in der Mehrzahl lediglich Frauen der besitzenden Klassen, von denen viele offen erklären, daß sie von dem allgemeinen Wahlrecht aller Großjährigen ohne Unterschied des Geschlechts nichts wissen wollen. Über die Einführung des Frauenwahlrechts in Jolaud hat das Althing  , die aus zwei Kammern bestehende Volksvertretung, zu entscheiden. Es liegen ihm zwei Anträge auf eine Verfassungs­änderung vor. Der eine will Wahlrecht und Wählbarkeit allen über 21 Jahre alten Männern zuerkennen, die im Besitz ihrer bürger­lichen Ehrenrechte sind und seit mindestens einem Jahre in ihrem Wahlkreis wohnen. Ein besonderes Gesetz soll nach diesem Antrag den verheirateten und ledigen Frauen das Wahlrecht unter den gleichen Bedingungen gewähren, unter denen es die Männer De fizzen. Der zweite Antrag will das aktive und passive Wahlrecht allen großjährigen Frauen und Männern verleihen, die sich eines guten Rufes erfreuen, mindestens ein Jahr in ihrem Wahlkreis sich aushalten und während der legten zwei Jahre vor einer Wahl feine Armenunterstützung erhalten haben. Die beiden Kammern des Althings erwählten ein neungliedriges Komitee, das sich für die volle Gleichberechtigung beider Geschlechter aussprach und den zweiten Antrag zu dem feinigen machte, unter der ausdrücklichen Festlegung, daß volles politisches Bürgerrecht auch den verheirateten Frauen gewährt werden soll, die mit ihrem Gatten in Gütergemein­schaft leben. Im Althing   sollen die Aussichten auf die Annahme des Entwurfs sehr günstig sein.

Frauenbewegung.

E8 geschieht schon beinahe zu viel für das Volk, das war die Auffassung, von der die sozialpolitischen Verhandlungen der ersten Generalversammlung des Verbandes ostpreußischer Frauenvereine beherrscht waren, die kürzlich in Königsberg  stattgefunden hat. Der Verband wurde im vorigen Jahre gegründet und umfaßt 23 Vereine. Die sozialpolitischen Fragen sollten in einer öffentlichen Versammlung erörtert werden. Wenigstens schien es so nach der Tagesordnung dieser Veranstaltung. Zur Behand lung war vorgesehen: der Erlaß eines Reichstheatergesetzes, die Dienstbotenfrage und die Kellnerinnenfrage. Ernstlich behandelt wurde aber nur das Reichstheatergesetz. Die Dienst­botenfrage war den Damen offenbar nicht wichtig, denn sie er­ledigten sie im Eiltempo, während die Kellnerinnenfrage auf wieders holten Wunsch der für dieses Thema bestellten Referentin überhaupt von der Tagesordnung abgesetzt wurde. Harrten doch der Vereins­damen nach des Tages ernster Arbeit noch allerlei Vergnügungen, und kaum, daß sie anderthalb Stunden ihrer kostbaren Zeit der Sozialpolitik geopfert hatten, drängte die Vorsitzende bereits auf Schluß der Versammlung. Diese Dame trug auch Sorge, das Vor­urteil zu zerstören, daß die Frauen Freude am Schwaben haben. Denn als zur Dienstbotenfrage auch einige Arbeiterfrauen das Wort ergriffen und das Elend der Mädchen darlegten, setzte die Vor­sitzende die Redezeit auf zwei Minuten fest. Aber auch das dünkte der Leiterin der Versammlung noch viel zu lang, es hätten immerhin noch unangenehme Mißstände beleuchtet werden können. Daher er folgte der Schluß der Debatte. Das Referat über die Dienstbotenfrage hielt Fräulein Dr. Kalisky. Während der Rede verließen so viele Damen den Saal, daß die Referentin ihren Vortrag kurz abbrach. Fräulein Dr. Kalisky verlor zwar einige Worte über die schlechte Lage der Dienstboten, doch erklärte sie, die Gesindeordnung sei nicht der wahre Grund des übels. Sie stehe ja nur noch auf dem Papier und diene bloß den Hezern als Mittel, die Unzufriedenheit der Dienstboten zu schüren. Um dieser Agitation den Boden zu entziehen, müsse die Dienstbotenordnung beseitigt werden. Die Dienstboten dürften jedoch nicht unter die Gewerbeordnung gestellt werden. An die Stelle der Gesindeordnung müsse eine Dienstordnung treten, und das Dienstbuch sei durch ein Arbeitsbuch zu ersetzen. Die Streitigkeiten müßten in paritätischen Dienstausschüssen erledigt werden. Gesetzliche Bestimmungen über Kontraktbruch und Kündi­gungsfristen seien notwendig. Es solle eine ununterbrochene Ruhes zeit von acht Stunden eingeführt werden, aber die Arbeitszeit festzusetzen, sei fast unmöglich. Den bürgerlichen Damen gingen diese halben und schwächlichen Forderungen schon viel zu weit. Eine von ihnen trat warm für die Erhaltung der patriarchalischen Zustände ein. Sie empfahl noch, Unterhaltungsabende für Dienst­boten einzurichten, bei denen aber natürlich die Herrschaften an­wesend sein müßten. Sie mißbilligte es auch, daß dank der er­

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