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Die Gleichheit

ihnen zu vereinigen. Der Klaffeninstinkt und die Tüchtigkeit unserer Genossen in Rom   läßt uns hoffen, daß der Vorschlag ohne weiteres abgelehnt wird.

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Um auf den Gewerkschaftskongreß zurückzukommen, so sei vermerkt, daß er sich von der erwähnten Rede und Reso­lution abgesehen nicht weiter mit der Lage des weiblichen Proletariats, den Mitteln zu seiner Organisierung und Hebung beschäftigt hat. Die Mutterschaftsversicherung wie auch die all­gemeine Arbeiterversicherung fonnte vom Kongreß wegen Zeit­mangel nicht erörtert werden. Die Zeit und Aufmerksamkeit der Gewerkschaftsvertreter war vollauf durch die Behandlung der allgemeinen taktischen Fragen in Anspruch genommen. An dem Bericht des Generalsekretärs über die Tätigkeit und den Geist der Arbeiterfonföderation wurde eine scharfe Kritik seitens der Syndikalisten, der Intransigenten( marxistischen   Sozial­demokraten) und der Republikaner   geübt. Aus dem numeri schen Ergebnis der Abstimmung erhellt, wie die gewerkschaft­lich organisierten Arbeiter nach der politischen Tendenz geteilt find und in welchem Stärkeverhältnis die verschiedenen Rich tungen zueinander stehen. Die Reformisten  ", die in der jetzigen Gewerkschaftskommission die Oberhand haben, erhielten 116584 Stimmen, die Syndikalisten oder Anarchosozialisten 53118, die Intransigenten 10032. Es gab 1108 Stimmenthaltungen, und vor der Abstimmung hatten die Träger von 11368 Stimmen den Kongreß verlassen. Die Syndikalisten haben ihren kleinen Stimmenzuwachs einem Teile der Eisenbahnarbeiter zu ver­danken, die sich wegen der Stellungnahme der Konföderation zur Eisenbahnerbewegung der syndikalistischen Opposition an geschlossen haben, obwohl einige ihrer Wortführer der sozia­liftischen Partei angehören. Die verhältnismäßig bedeutungs­lose Zahl der für die Intransigenten abgegebenen Stimmen ist darauf zurückzuführen, daß es ihrer Fraktion nicht daran lag, einen numerischen Erfolg zu erzielen, und daß sie es besonders vermeiden wollte, die Einheit der Gewerkschaftsbewegung durch eine Zersplitterung zu gefährden. Ihr kam es ausschließlich darauf an, die grundsätzliche sozialdemokratische Auffassung des wirtschaftlichen Klassenlampfes, wie ihn die Gewerkschaften führen, dem reformistischen und syndikalistischen Opportunismus entgegenzustellen. Die bürgerlichen Republikaner beteiligten sich nicht an der Abstimmung, höchst wahrscheinlich, um ihre Groß­sprecherei und ihr Demagogentum nicht durch die Zahl ihrer tatsächlichen Anhänger bloßgestellt zu sehen.

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Nach dem Bericht des Generalsekretärs der Gewerkschaften gibt es in Italien   etwa 800 000 organisierte Arbeiter, vou denen 350000 auf dem Boden des modernen Klaffenkampfes stehen. Etwa 150000 davon sind Landarbeiter, deren Sekre tärin Genoffin Argentina Altobelli   ist. Die agrarische Ar­beitgeberorganisation zählt 11782 Mitglieder; im Mai 1910 wurde auch ein allgemeiner Verband der Industriellen gegründet, über dessen numerische Stärke keine statistischen Angaben vor­handen sind. Der Bericht des Gewerkschaftsbundes hebt her­vor, daß die Zahl der organisierten Proletarier zwar noch sehr gering ist, daß es aber trotzdem wichtiger ist, die bereits vor­handenen Organisationen zu stärken und auszubauen, als neue Mitglieder zu werben. Die in dieser Hinsicht vorliegenden dringlichen Aufgaben wären: die Ausbildung fähiger Gewerk­schaftsbeamter, die Erhöhung der Beiträge und die allgemeine Erziehung zur Disziplin. Angelika Balabanoff.

Delegiertenversammlung

des Schweizerischen Arbeiterinnenverbandes. I. K. Am 21. Mai hielt der Schweizerische Arbeiterinnenverband feine Delegiertenversammlung in Winterthur   ab, wo seit sechs Jahren der Zentralvorstand seinen Siz hat. 35 Delegierte und Gäste nahmen an ihr Teil. Namens der Arbeiterunion Winterthur  begrüßte der Arbeitersekretär Genosse Wyß die Versammlung.

Der Jahresbericht, den Genoffin Reichen erstattete, zeigte, daß der Zentralvorstand sich angelegentlichst mit dem inneren Ausbau. des Verbandes, mit der Agitation und Organisation zu seiner Aus­

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breitung und Erstarlung beschäftigt hat, sowie auch mit der Hebung des Verbandsorgans," Die Vorfämpferin". Zur Internationalen sozialistischen Frauenkonferenz fowie zum Internationalen Sozia­listenkongreß in Kopenhagen   hatte der Verband Genossin Walter entsandt. Der Verband zählt 13 Settionen, wozu noch 3 neu­gegründete Arbeiterinnenvereine in Weinfelden  , Amriswil   und Chur   kommen, mit denen die Mitgliederzahl auf rund 1000 steigt. Nach dem Kassenbericht der Genossin Zinner betrugen im Jahre 1910 die Einnahmen der Zentralfasse 1305,37 Fr., die Ausgaben 508,60 Fr., das Verbandsvermögen beläuft sich auf 1053,77 Fr., wozu noch der Preßfonds der Vorfämpferin" mit 446,90 Fr. fommt. Der Stand des Verbandsorgans ist nicht ungünstig, doch muß noch) mehr für seine stärkere Verbreitung geschehen. Einen Fortschritt in dieser Richtung bedeutet die vom Verbandstag beschlossene Ein­führung des Obligatoriums für die Verbandsmitglieder.

über das Frauenstimmrecht referierte die Arbeiterinnensetre­tärin Genossin Walter. Folgende von ihr beantragte Resolution fam zur Annahme:

,, Der Delegiertentag des Schweizerischen Arbeiterinnenverbandes vom 21. Mai 1911 in Winterthur   spricht seine Genugtuung darüber aus, daß die Schweizerische sozialdemokratische Partei an ihrer letzt jährigen Tagung in Basel   1910 das aktuelle Trattandum Frauen­stimmrecht am diesjährigen Parteitag zur Behandlung in Aussicht gestellt hat. Der Delegiertentag hofft, daß die Auseinandersetzung über diese wichtige Frage der Gegenwart dazu beitrage, daß den arbeitenden Frauen die Ausübung des politischen Wahlrechts, sowie die Möglichkeit der Wählbarkeit in die öffentlichen Behörden und Amter in Bälde gewährt werde.

Das von Jahr zu Jahr in allen Industriezweigen stets raschere Vordringen der weiblichen Erwerbsarbeit löst für das leibliche und geistige Wohl, für die kulturelle Weiterentwicklung der Nationen ernste gefahrdrohende Wirkungen aus. Ist doch das Weib, als Mutter, die Trägerin von Volfstraft und Volksgesundheit und in solcher Eigenschaft doppelt schutzbedürftig. Ausreichender Arbeite­rinnen, Mutter- und Kinderschuß wird aber erst geschaffen werden, wenn er energisch und unabweisbar von der großen arbeitenden Voltsmasse und darunter von den Frauen selbst bei Gesetzgebung und Gesetzesänderung immer und immer wieder gefordert wird. Es liegt daher nicht nur im Pflichtenkreis der proletarischen Frauen, die politische Gleichberechtigung des weiblichen mit dem männlichen Geschlecht anzufireben und kämpfend zu erobern. Es ist ebenso sehr Aufgabe der Arbeiter, der Genossen, diese Frauenforderung nachdrücklich zu verfechten und damit den Boden vorzubereiten zur allmählichen Beseitigung aller wirtschaftlichen und sozialen Frauennot.

Der Delegiertentag der Arbeiterinnen, indem er das beabsichtigte Eintreten der Arbeiterschaft für die besonderen Interessen des Frauen­proletariats aufs lebhafteste begrüßt, sieht darin den Ausgangspunkt zu planmäßig gemeinsamen Kampfe, der allein Gewähr bietet für den machtvoll geistigen Aufstieg der arbeitenden Klasse und damit für die menschenverbrüdernde und menschenbeglückende Bölferbefreiung." Die Sektionen sollen besondere Kommissionen cinsehen, welche die Agitation für die gesetzliche Einführung des Frauenstimmrechts zu betreiben haben.

Die schweizerische Kranken- und Unfallversicherung be­handelte Genosse Greulich. Er faßte die Quintessenz seiner Aus­führungen in folgender Resolution zusammen, der die Delegierten zustimmten:

Die schweizerische Kranken- und Unfallversicherung knüpft an die bestehenden Zustände an und die Krankenversicherung soll namentlich für die Frauen weiter ausgebaut werden. Die Unterstützung für Wöchnerinnen ist den Krankenkassen, die weibliche Versicherte haben, zur Pflicht gemacht. Die höheren Ansprüche der Frauen an die Krankenkassen sind durch höhere Bundesbeiträge ausgeglichen. Den Frauen, die ihre Kinder während zehn Wochen stillen, ist ein weiterer Bundesbeitrag von 20 Fr. gewährleistet. Auch die Ver­sicherung der Kinder wird mit Bundesbeiträgen unterstützt.

Durch besondere Bundesbeiträge ist es den fortgeschritteneren Kantonen und Gemeinden ermöglicht, die obligatorische Kranken­versicherung auf weite Kreise, namentlich auf Bedürftige, die ihre Prämien selbst nicht zahlen können, auszudehnen. Dadurch ist das alte Postulat der unentgeltlichen Krankenpflege feiner Verwirklichung nahegerückt.

Aber auch die Unfallversicherung bietet für die Frauen neue Vorteile. Die Rente bei dauernder Arbeitsunfähigkeit sichert der Familie des Verunfallten ein wenngleich bescheidenes doch regel mäßiges Einkommen. Noch wichtiger ist die Hinterbliebenenrente bei Todesfall.

So ist dieses Gesetz ein Werk sozialer Wohlfahrt. Profitgierige Unfallversicherungsgesellschaften werden wahrscheinlich das St.