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Die Gleichheit

haben werden. Und die Neuerung wird auch die Innungen nicht in den Stand setzen, dem alten bresthaften Handwerk aufzuhelfen. Für das ist in der kapitalistischen Ordnung lein Kraut gewachsen. mg.

Die Frau in öffentlichen Alemtern.

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Die Anstellung von Frauen als besoldete Aufsichtsorgane der Fürsorgeverbände hat eine Verfügung des sächsischen Ministeriums des Innern empfohlen. Es ist darin zur Begrün­dung der Anregung auf die guten Erfahrungen verwiesen worden, welche die Tätigkeit der Gewerbeinspektions- Assistentinnen bei der Durchführung des Kinderschutzgesetzes gezeitigt habe. Bliem­chen" hat also gelernt.

Eine bedeutende Erweiterung der Franenrechte in Nor­ wegen ist in naher Zukunft zu erwarten. Die Regierung des Landes will dem Parlament den Entwurf eines Gesetzes vorlegen, das die Frauen berechtigt, fast alle öffentlichen Amter zu bekleiden. Nur diplomatische, konsulare, militärische die Posten der Militärverwaltung usw. inbegriffen und geistliche Amter der Staatskirche sollen den Frauen versagt bleiben, dazu die Stel­lung als Ministerpräsident und Mitglied der Regierung.

I. K. Eine Parlament@ kanzlistin ist in Finnland in der laufenden Seffion des Landtags tätig. Fräulein Rainio- dies der Name der Beamtin - wurde am 1. Februar auf den Posten berufen.

Die erfolgreiche Tätigkeit einer Stadtverordneten von Manchester wird durch die Ehrung bezeugt, welche die Universität der Stadt Frau Margaret Ashton zuteil werden ließ. Diese hat sich als Stadtverordnete seit einigen Jahren so große Verdienste um die Gemeindeverwaltung erworben, daß ihr die Universität einen Ehrenrang verlieh. In der Ansprache, mit der sie gefeiert wurde, hieß es, daß Frau Ashton die Möglichkeiten der kommunalen Betätigung vertieft und erweitert habe durch ihr mutiges Ein­treten für ihre Jdeale.

Frauenbewegung.

Der Verband bayerischer Frauenvereine hielt in Würzburg feinen siebten bayerischen Frauentag ab, dem die General­versammlung folgte. Frau Kiesselbach- Erlangen referierte über Die Beteiligung der Frau am öffentlichen Fürsorge wesen". In ihrer Einleitung über die rasche Entwicklung der Frauenarbeit stellte sie die recht schiefe Behauptung auf, daß in der Hauptsache der lebhafte Drang nach wissenschaftlicher, berus­licher und gesellschaftlicher Bildung die auffallende Zunahme der Frauenarbeit bewirkt habe. Welchen Einfluß darauf die kapita listische Jagd nach Profit ausübt, scheint der Frau Professor ver borgen geblieben zu sein. Das Referat brachte einen Überblick über die Gebiete des öffentlichen Lebens, auf denen die Frau erfolgreich wirken fann, wie Armen-, Waisen- und Krankenpflege usw. Dem Vortrag folgte ein bezeichnendes Nachspiel. Die Vorsitzende erklärte nämlich, daß der Verband gerade an einem Orte tage, wo die Frau noch von der Mitarbeit auf allen Gebieten kommunaler Be­tätigung ausgeschlossen sei. Daraufhin lief eine Resolution ein, in der unter anderem die Heranziehung der Frauen zu der Armen und Waisenpflege auch in Würzburg verlangt wurde. Das trieb den Vertreter der Stadtverwaltung, Bürgermeister Ringelmann, in die Höhe. Er hatte vorher den Frauentag begrüßt und dabei ein hohes Lob auf die Frauenbewegung gesungen, nun mußte er die Rückständigkeit der Stadt in puncto Frauenrechte zu entschuldigen suchen. Er tat das in wenig geschickter Weise, indem er behauptete, viele Frauen seien nicht ausdauernd genug, um auf den geforderten Arbeitsposten auszuhalten. Vor einigen Monaten hatte man es in einer Magistratssitzung anders gehört. Da war die Mitarbeit der Frauen in der Armenpflege mit dem Hinweis auf ihr weiches Herz" abgelehnt worden! Über das Kosttinderwesen sprach Frau Deselein- München. Sie begründete die nötigen Maßnahmen mit dem Hinweis auf die große Kindersterblichkeit und forderte eine ständige überwachung der Kostkinder. Zur Frage der Jugend­fürsorge legte Fräulein Nacken- München dar, daß hier der Frau ein weites Tätigkeitsfeld offen stehe. Das Wirken habe besonders da einzusetzen, wo noch Besserung durch Erziehung vor der Bestrafung- möglich sei. Sie verbreitete sich des weiteren speziell über die Jugendgerichtshöfe, auch für sie die Mit­arbeit der Frauen befürwortend. Fräulein Buchner- München , die Referentin über das Thema: Die Reform der öffentlichen Sittlichkeit", machte für die sittlichen oder richtiger unfittlichen Zustände unserer Zeit die allzurasche Industrialisierung Deutsch lands verantwortlich. Sie habe überreichlichen Zuzug in die Stadt bewirkt und damit das ungeheure Wohnungselend, verbunden mit dem Schlafgängerwesen und seinen Begleiterscheinungen. Als eine

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der wichtigsten sozialen Ursachen der Prostitution würdigte Fräu­lein Buchner ferner besonders die miserablen Löhne der Arbeite­rinnen auf fast allen Gebieten. Sie bezeichnete die Prostitution als die einzige ungelernte Arbeit, die sofort gutzahlende Abnehmer finde. Auf die letzte Wurzel der von ihr richtig hervorgehobenen Erscheinungen einzugehen: die kapitalistische Ausbeutung des Menschen durch den Menschen, das war natürlich einer bürgerlichen Frauen­rechtlerin zu viel. Der Vortrag wendete sich gegen die Kafernierung der Prostitution, die gleichsam eine staatliche Anerkennung dieses ,, notwendigen Übels" bedeute. In der Diskussion wurden die ver­schiedensten Ansichten über die Bekämpfung der Prostitution laut, und es kennzeichnet die frauenrechtlerische Kurzsichtigkeit, daß die Debatte sich im wesentlichen nur um die Kasernierung der Prosti­tution drehte, die von den einen gefordert, von den anderen ver­worfen wurde. Das Verbot der Prostitution und die Bestrafung des außerehelichen Geschlechtsverkehrs fehlten nicht unter den er­hobenen Forderungen. Es muß festgenagelt werden, daß keine der tagenden Damen die wirksamsten Mittel erwähnte, der Ausbreitung der Prostitution entgegenzuarbeiten: ernste soziale Reformen, welche die Lage des Proletariats heben, insbesondere ein völlig demo­fratisches Wahlrecht und ein gesichertes Koalitionsrecht als Waffen für die Enterbten, sich würdigere Existenzbedingungen zu erringen. , Welche Rechte fordert die Frau in der Gemeinde?", lautete das Thema, über das Frau Dr. Altmann- Gottheiner­Mannheim sprach. Ihre Ausführungen gipfelten in der Forde rung des aktiven Wahlrechts für das weibliche Geschlecht. Das ist eine bemerkenswerte Bescheidenheit". Trifft alles zu, was die Re­ferentin selbst von dem Nutzen der weiblichen Betätigung in der Gemeinde fagte, dann muß die Frau ebenso notwendig das passive wie das aktive Wahlrecht erhalten. Echt bürgerlich wie diese Halb­heit war auch das Gejammer der Frau Altmann- Gottheiner über die Ungerechtigkeit, daß in Deutschland eine Gutsbesitzerin, eine Fabritbesitzerin weniger Rechte habe wie ein Fabritarbeiter. Die Quintessenz des Vortrags von Frau Hopf- Nürnberg über Die Frauenberufe und ihre Aussichten" war: Bahn frei in allen Erwerbszweigen, wo die Frau infolge der sozialen Entwicklung ohne Schaden tätig sein kann; für gleiche Arbeit gleicher Lohn. Die Arbeiterin möge sich nicht billiger anbieten als der Mann und Bestrebungen der männlichen Berufsgenossen zur Verbesserung der Lage unterstützen. Die Diskussion kreiste um verschiedene Fragen der beruflichen Ausbildung des weiblichen Geschlechts. Die ange= nommene Resolution verlangt bessere Ausbildungsmöglichkeiten sowie Konzessionierung der Hebammen. Das eindruckvollste Referat hielt Fräulein Dr. Rochel- München , Schulärztin an mehreren Mädchen­Oberklassen. Sie leitete ihre Ausführungen durch eine zahlenmäßige Darstellung der Zunahme der gewerblichen Frauenarbeit ein und hob richtig die Rolle hervor, welche das kapitalistische Drängen nach billigen Arbeitskräften. dabei spielt. Mit der wachsenden Frauen­arbeit gehe eine zunehmende Gefährdung der Gesundheit nicht nur der Mütter, sondern auch der Kinder Hand in Hand. Fräulein Rochel hat bei ihren alljährlichen Untersuchungen von zirka 4000 aus der Schule entlassenen Mädchen viele gefunden, die noch das Aus­sehen von sechs- und siebenjährigen Kindern hatten, andere, denen es nicht einmal möglich war, das achte Schuljahr zu absolvieren. Diese körperlich und geistig noch unreifen Mädchen werden dann hinaus­geworfen auf den Arbeitsmarkt, denn für die meisten heiße es Geld verdienen, je früher, desto besser. Die Frau, die neben der Er­werbstätigkeit noch die ganze Hausarbeit verrichten muß, degeneriere. übermäßig angestrengte, schlecht genährte Frauen geben franken Kindern das Leben; auch viele Totgeburten sind die Folgen der aufgezeigten Verhältnisse. Bei schwer arbeitenden Frauen tritt die Niederfunft einige Wochen zu früh ein, ihre Neugeborenen sind im Gewicht zirka 300 Gramm leichter als die von nicht erwerbstätigen Frauen. Ausführlich verbreitete sich die Referentin über die Kinder­sterblichkeit und die Gesundheitsschädigungen in Berufen, wo mit Phosphor, Quecksilber, Blei und bleihaltigen Farben hantiert wird. Es stecke viel materieller Zwang und wenig Freiwilligkeit in der beruflichen Frauenarbeit. Der zweite Teil des Vortrags war der Einwirkung der geistigen Arbeit auf die Frau gewidmet, besonders in den Berufen mit wissenschaftlicher Vorbildung.

In Verbindung mit dem Frauentag janden zwei Abendversamm lungen statt. Helene Lange Berlin sprach über das Thema:, Wie denken wir uns die Gleichberechtigung der Geschlechter." Gertrud Bäumer behandelte den, Wandel des Frauenideals in der modernen Kultur". Nach dem Geschäftsbericht, der der Generalversammlung des Verbandes erstattet wurde, zählte dieser in 74 Ortsvereinen 17000 Mitglieder. Der Kassenbericht ergab ein Defizit, das sofort von Gönnerinnen gedeckt wurde. Es sei aner= kannt, daß auf dieser Tagung mit Eifer und persönlicher Hingabe