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Die Gleichheit

beiterkonsumvereine materiell geschwächt. Ja, in Sachsen scheut man nicht einmal davor zurück, die den Mitgliedern ausbezahlte " Dividende" als Einkommen der Besteuerung zu unterwerfen. Die herrschenden Klassen sind sich nicht im Zweifel darüber, welch eine Macht die Proletarier als organisierte Konsumenten repräsentieren. Und darum suchen sie auch die Arbeiterkonsum­vereine durch Ausnahmegesetze zu schwächen oder wo dies nicht möglich ist unter ihre Herrschaft zu bringen. Aus einem Kampfmittel der Arbeiterklasse in ihrem Streite um Erringung besserer Lebensbedingungen soll die Konsumvereinsbewegung ein Mittel werden, die Arbeiter vom politischen Leben abzu Icnfen. Damit aber wäre das Gegenteil von dem geschaffen, was das Proletariat von der Konsumentenorganisation erhofft. Denn ohne den Einfluß der Ideen der modernen Arbeiter­bewegung könnten die Konsumvereine ein großer Hemmschuh des Klassenkampfes werden". Dies zu verhindern, ist die Auf gabe der organisierten Proletarier. Schon jetzt stehen Tausende und aber Tausende sozialistisch gesinnte Arbeiter in den Konsum­vereinen. Insgesamt zählte man 1908 in Deutschland nicht weniger als 1/2 Millionen Konsumvereinsmitglieder. Der Zentralverband, der zwei Drittel aller Vereine umfaßt, zählte 1909 bereits 1058 142 Mitglieder, von denen faft 800000 der Arbeiterklasse angehörten. Der Jahresumsatz des Verbandes betrug 382066 000 Mt., darunter 532 Millionen eigene Produktion. Und jedes neue Mitglied aus unseren Reihen trägt dazu bei, den stolzen Bau zu erweitern, die Kraft der Konsumvereine zu stärken! Darum soll jeder Arbeiter und jede Arbeiterfrau es sich zur Pflicht machen, neben der Partei­und der Gewerkschaftsorganisation auch dem Konsum­verein anzugehören und dort eingedent der Resolution des letzten Parteitags in sozialistischem Sinne zu wirken. Allen jenen, die der Partei- und der Konsumvereinsbewegung dienen wollen, sei die vorzügliche Broschüre Fleißners zur eifrigen Lektüre empfohlen. Seine Ausführungen über die Stel­lung der sozialistischen Partei zu den Konsumvereinen wird hoffentlich auch bei den Anhängern der neutralen" Richtung ihre Wirkung nicht verfehlen.

h. d.

Nr. 21

unterrichts in den öffentlichen Schulen, gegen die nur die beiden eingefleischtesten Reaktionärinnen sprachen und stimmten, die Grä­finnen Lucifero und Spaleti. Natürlich wurde in der Diskussion fein Wort gesagt von dem Zusammenhang, der zwischen den ge­sellschaftlichen Verhältnissen und den religiösen Bedürfnissen, Auf­fassungen und Vorurteilen der Menschen besteht. Ebensowenig redeten die tagenden Damen vom Klassencharakter des religiösen Unterrichts in den Volksschulen oder von einer Weltanschauung, die die Kinder des Volkes zu freien, selbstbewußten Menschen und Gliedern der Gesellschaft erziehen soll.

Noch ein anderer Beweis dafür, daß die weibliche Bevölkerung Italiens eines starken, klaren Klassenbewußtseins ermangelt und damit auch der festumgrenzten geschichtlichen Auffassung der sozialen Zeit- und Streitfragen. Sozialistinnen nahmen an dem Kongreß teil und beteiligten sich mit großem Eiser an den Debatten, ohne dabei mit aller Schärfe die Trennungslinien zwischen der bürger­lichen und sozialistischen Betrachtung der gesellschaftlichen Probleme zu ziehen. In dieser Tatsache kommt freilich auch noch mehr zum Ausdruck, daß es der sozialistischen Bewegung in Italien auch an grundsätzlicher Klarheit im allgemeinen fehlt und an einer kon­sequenten theoretischen Durcharbeitung der Frauenfrage im besonderen. Diese Schwäche wurde auf dem Kongreß dadurch unterstrichen, daß ein Vertreter der römischen Arbeiterkammer die Damen in einer feurigen, hinreißenden Rede davon zu überzeugen fuchte, wie herr­lich es wäre, wenn die Bevorrechteten den Enterbten durch Wort und Tat den Weg der Organisation ebnen würden. Solange die Verhältnisse die Predigt so fonfufer und naiver Jdeen zulassen, werden die bürgerlichen Damen nicht zu einer unzweideutigen Er­fenntnis ihrer Klassenlage kommen, weil sie nicht gezwungen sind, ihre phrasengeschwollenen Gemeinplätze gegen eine flare, festge­schlossene grundsätzliche Auffassung verteidigen zu müssen. So konnte der Kongreß von allgemeinen Redensarten beherrscht werden, und er ist in der Folge hinter dem Kongreß des Frauenstimmrechts­verbandes zurückgeblieben, der vor etlichen Jahren in Rom getagt hat. Auf diesem handelte es sich um eine Stellungnahme zu be­stimmten fontreten Fragen, hier dagegen um allgemeine Ansichten und Behauptungen. Wer Politik treiben will, der mag in den Frauenstimmrechtsverband eintreten," so erklärten die jüngst tagen­den Frauenrechtlerinnen, unsere besondere Aufgabe ist es, Frieden und Liebe zu verbreiten." Das Statut des Frauenbundes"( Associa­zione per le Donne) ist dieser Anschauung der Dinge entsprechend unbestimmt, ja nichtssagend. Es erklärt als Ziel der Organisation: ,, a. Eine Bewegung ins Leben zu rufen zum Studium der sozialen Stellung des weiblichen Geschlechts in der Vergangenheit und Zu­

Vom ersten Kongreß des Frauenbundes kunst und zur Herbeiführung der Reformen, auf die die Frau ein

in Italien .

I. K. Jn Jtalien ist es Gepflogenheit geworden, jede nationale oder internationale Ausstellung, die eine Ermäßigung der Reife fosten und vielerlei Vergnügungen mit sich bringt, mit allerhand Kongressen zu verbinden. Oft wird dann dabei die Beteiligung an einem Kongreß zum Vorwand, der Besuch der Stadt und Aus­stellung mit ihren Sehenswürdigkeiten zum Hauptzweck. Diese Ge­pflogenheit ist wohl nicht ohne Einfluß auf die Einberufung des crjten Kongresses gewesen, den der Frauenbund" vom 24. bis 28. Juni in Rom abgehalten hat. Denn diese Tagung entsprach durchaus keinem Bedürfnis, sie war auch nichts weniger als plans mäßig vorbereitet und hat keine zielbewußte Arbeit geleistet. Die einzelnen Referate wurden ohne weitausgreifende, tiefschürfende Diskussion aufgenommen und vom Präsidium mit stereotypen Redensarten gebilligt und gelobt; der mehr oder weniger lebhafte Meinungsaustausch, der sich um einzelne Punkte einzelner Reso­lutionen drehte, blieb an der Oberfläche und ging nicht auf den Kern der Fragen ein.

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Der Kongreß spiegelte vor allem die Schwäche des Klassen bewußtseins und damit die mangelnde Organisation der verschiedenen weiblichen Bevölkerungsschichten Italiens wider, und gerade des­halb meinen wir, daß er unsere deutschen Genossinnen interessieren wird. Als Beweis für unsere obige Behauptung sei ein Umstand angeführt. Der Frauenbund" besteht bereits seit zwölf Jahren, hatte aber erst jetzt man ist versucht zu sagen zufällig- dar­über zu entscheiden, ob er seinem Wesen und seinen Zielen nach politisch oder apolitisch"( unpolitisch) sein müsse, wobei diese Frage selbst rein äußerlich, ohne jedes geschichtliche Verständnis behandelt und die Politik als gefährlich erklärt wurde, weil ihre Erwähnung auf viele Elemente abschreckend und abstoßend wirken könnte". Der nämliche Kongreß aber, der für den Frauenbund" die Politik verpönt, erklärt sich für eine Reform, die nur durch den politischen Kampf errungen werden kann: für die Abschaffung des Religions­

Recht hat. b. Gesetzlich zulässige Mittel zu gebrauchen, damit sich überall Verbesserungen in der Lage der Frau durchsetzen."

Trotz alledem kann sich auch die sanfte und unklare bürgerliche Frauenbewegung Italiens nicht ganz dem Hauche des modernen Lebens mit seinen Forderungen und Kämpfen entziehen. Obgleich die Politik" als Friedens störerin in die Ecke verwiesen wurde; obgleich die Damen sich nicht mit dem sozialen Inhalt ihrer Be­strebungen auseinandersetzten; obgleich es ihnen an einem unzwei deutigen Programm fehlte; obgleich ebensowenig wie sie die Ver­treterinnen proletarischer Fraueninteressen von einer einheitlichen prinzipiellen Auffassung geleitet waren: kam es doch zu charalte­ristischen Zwischenfällen, die die unüberbrückbare Kluft erkennen ließen, welche zwischen den bürgerlichen Frauenrechtlerinnen und den Sozialistinnen liegt. Allerdings haben solche Episoden nicht verhindert, daß schließlich versöhnliche", nichtssagende Resolutionen zur Annahme gelangten. Bemerkt sei übrigens, daß die am Kon­greß teilnehmenden Sozialistinnen nicht als Vertreterinnen der Partei oder proletarischer Organisationen dort anwesend waren. Es verdient Erwähnung, daß die bürgerliche Presse sie ob ihrer Beteiligung gebührend belobt und als praktische und selbstlose Kämpferinnen, die dem Volte wirklich nüßen, in Gegensatz zu jenen Genofsinnen gestellt hat, die keine praktische Arbeit" leisten.

Sehen wir uns die gerühmte praktische Arbeit" des Kongresses furz an! Die Tagesordnung war viel zu reichhaltig, als daß eine gründliche Behandlung der einzelnen Fragen möglich gewesen wäre. Wir heben davon die folgenden hervor: Weibliche Fabrikinspektoren, die Frau in der Sittenpolizei, die wirtschaftliche Gleichstellung der Lehrer und Lehrerinnen. Petition betreffend die Nachforschung nach der Vaterschaft und den Schuß verwahrloster Kinder. Ehescheidung, Lösbarkeit und Nichtlösbarkeit der Ehe. Projekt einer Gewerbe­und Kunstschule für Mädchen aus dem Bürgertum usw. Unsere Leserinnen werden nicht ohne Heiterkeit vernehmen, daß auf der Tagesordnung auch ein Bericht des Vereins" Für die Höflichkeit" stand. Diese gewiß gutgemeinte, aber harmlose Organisation vers