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Die Gleichheit

demokratisch wählen, werden Sie zum Frauenwahlrecht greifen, um der Sozialdemokratie entgegenzuarbeiten. Dann nutzt es aber nichts mehr, die Versicherung fann ich Ihnen geben.... Wir haben das allgemeine Wahlrecht ja für alle 24 Jahre alten Preußen, und nun wollen die Frauen, daß das allgemeine Wahlrecht für die Frauen in gleicher Weise wie das Wahlrecht für die Männer eingeführt wird.... Meine Herren, der Preußische Landesverein für Frauen­slimmrecht wird es wohl zu würdigen wissen, wenn dieses Haus über diese Petition zur Tagesordnung übergeht. Denn von dieser Mehrheit ist nichts zu erwarten, und das ist ein Grund mehr, die Frauen aufzufordern, bei dem kommenden Wahlkampf, der dem Reichstag gilt, ihre Schuldigkeit zu tun, um vielleicht mit Hilfe des Reichstags auch andere Zustände für Preußen zu schaffen, das heißt eine wahre Volksvertretung, nicht eine solche Scheinvertretung, wie die jetzige ift."

Mit welchen Argumenten wies der Redner des Zentrums, Herr Gronowski, die Forderung des Frauenwahlrechts zurück? Hören wir sie. Der Zentrumsmann erklärte: Ich glaube auch, ohne daß ich mit einer Fraktion oder mit jedem einzelnen Kollegen darüber Rücksprache genommen habe, sagen zu können, daß im Zentrum und auch in den liberalen Parteien viele Herren sitzen, die sich ohne weiteres nicht mit dem aktiven und passiven Frauenwahlrecht ab­finden werden.( Sehr richtig! im Zentrum.) Nun meinen Sie, wir entrechten dadurch die Frauen, oder aber, wir schätzen die Frauen

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Abgeordneten Rosenow darin vollständig bei, daß wir erst das Reichstagswahlrecht für die Männer einführen wollen; dafür sind meine Freunde ohne weiteres.( Abgeordneter Hoffmann: Aber wie!)" Das Zentrum versagt dem weiblichen Geschlecht volle politische Gleichberechtigung unter Berufung auf den besonderen Pflichtkreis des Weibes als Mutter. Und das in den nämlichen Tagen, wo es im deutschen Reichstag träftig mithalf, alle Anregungen, alle Anträge auf wirksamen Schutz der Mütter und Säuglinge, der Witwen und Waisen zu Boden zu treten, in den nämlichen Tagen, wo es für Hunderttausende ländlicher Arbeiterinnen das Stück trockenen Brotes schmälerte, das die Reichsversicherungsordnung den gewerblichen Arbeiterinnen reicht. Die durchaus unzulängliche soziale Fürsorge für Schwangere, Wöchnerinnen, Stillende, für Witwen und Waisen muß anschwellende Scharen Proletarierinnen aus dem Haushalt reißen und zur Erwerbsarbeit zwingen. Das Zentrum weiß das und läßt es im Interesse des ausbeutenden Kapitals geschehen. Seinen Verrat der Fraueninteressen frönt es dann durch die Verweigerung der Rechte, mittels deren die Proie tarierinnen selbst ihr Wohl schüßen könnten. Es ist und bleibt die Partei der patentierten Heuchelei.

Ein erfolgreicher Tarifabschluß in der

dadurch gering ein, und Sie bewundern den Mut, mit dem der Portefeuilles- und Reiseartikelindustrie.

Bericht fertiggestellt worden ist, und auch den Antrag: Übergang zur Tagesordnung. Wir haben ja nun von der Tätigkeit und der Aufgabe der deutschen Frau, meine Herren Sozialdemokraten, eine andere Auffassung wie Sie. Darüber zu streiten, lohnt wirklich nicht.( Sehr richtig! im Zentrum und rechts.) Dadurch entrechten wir nicht die deutsche Frau, wenn wir sie im großen ganzen auf ihr natürliches Betätigungsrecht verweisen.( Sehr richtig! im Zen­trum und rechts.) Die deutsche Frau, wenigstens die Mehrheit, hat im Haushalt, in der Familie, für die Kinder so außerordentlich viel zu tun, daß ich wohl sagen kann: die Mehrheit der deutschen Frauen schließt sich der Petition auf keinen Fall an.( Sehr richtig! im Zentrum und rechts, Widerspruch und Zurufe bei den Sozial­demokraten.)

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Diejenigen Frauen, die wir vertreten, belehren und aufklären wollen, fennen wir besser, als Sie sie kennen. Und im Namen dieser Frauen sprechen wir; Sie( zu den Sozialdemokraten) können ja im Namen Ihrer Frauen sprechen.( Große Heiterkeit.) Das ist Ihnen ja freigestellt. Ferner: soweit wir selbst Frauen haben, wissen wir aus eigener Erfahrung bei Ihnen( zu den Sozialdemokraten) mag es ja anders sein, daß unsere Frauen im Haushalt so reichlich viel Arbeit haben, daß sie nicht nur auf das aktive, son­dern insbesondere auch auf das passive Wahlrecht verzichten.( Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Jawohl, sie widmen sich viel lieber ihren Mutter- und häuslichen Pflichten, als daß sie Ihren Agitations reden oder bestrebungen Folge leisten.( Buruf bei den Sozialdemo fraten: Wo bleiben Ihre Baterpflichten! Heiterkeit.) Meine Herren, die erfülle ich.( Große Heiterkeit.) Für meine Familie zu sorgen, bin ich in meinem Gewissen verpflichtet. Ich glaube aber auch, wenn Sie mal Umschau halten, würden Sie bei den deutschen , christlichgesinnten Frauen viele finden, die auch Mutterpflichten an Kindern, die aus Ihren( zu den Sozialdemokraten) Reihen hervor gegangen find, üben.( Sehr richtig! im Zentrum.)

Meine Herren, noch ein anderes Wort: wollten wir durch die Einführung des Frauenstimmrechts Wahlgeschäfte machen, dann fönnen Sie überzeugt sein, daß Sie( zu den Sozialdemokraten) recht bald vielleicht die ersten wären, die die Einführung des Frauen­stimmrechts in Preußen bedauern würden. Das Frauenstimmrecht würde meines Erachtens zur Folge haben, daß die christlichen Frauen dazu beitragen würden, die sozialdemokratische Agitation zu hemmen. ( Buruf von den Sozialdemokraten: Na also!) Aber, meine Herren, nicht diese, sondern die vorhin angeführten Gründe find für unsere Haltung ausschlaggebend. Wir wissen, daß die Einführung auf ab­sehbare Zeit in Preußen nicht durchführbar ist. Meine Herren, das eine wollen Sie, bitte, nun auch glauben, daß wir phantastischen Plänen, daß wir Dingen, die nicht zu verwirklichen find, nicht nach­jagen fönnen und nicht nachjagen wollen. Es mag sich ja ganz schön anhören, wenn gesagt wird, daß im Interesse der Menschheit, im Interesse der Frauen die Einführung des Wahlrechts gefordert werden müsse; aber, meine Herren, wenn ich persönlich davon über­zeugt bin, daß etwas unerreichbar ist und letzteres habe ich Ihnen ziffernmäßig nachgewiesen, dann, meine ich, fönnen wir in den Verdacht der Heuchelei nicht kommen. Nun noch eins, und damit will ich schließen. Sie machen uns den Vorwurf, daß wir den Frauen das Stimmrecht nicht geben wollen. Ich stimme dem Herrn

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In der Portefeuilles- und Reiseartitelindustrie in Berlin , Offenbach a. M., Stuttgart und Freiberg i. S. ist nach mehrwöchigen und schwierigen Verhandlungen, zwischen der Ver­einigung der Lederwaren- und Reiseartikelfabri= fanten Deutschlands und dem Verbande der Sattler und Portefeuiller ein Tarif für 5 Jahre abgeschlossen worden. Bei den Verhandlungen waren die christlichen Organisationen gänz lich ausgeschaltet. Der neugeschaffene Tarif bringt den Arbeitern und Arbeiterinnen begrüßenswerte Vorteile: Erhöhung der Löhne und Berkürzung der Arbeitszeit. Seine größte Bedeutung beruht jedoch in den Bestimmungen, die die Heimarbeit einschrän fen und die Möglichkeit der Ausbeutung billiger und williger Arbeitskräfte durch die Zwischenmeister vermindern. Bisher hatte der Tarif nur für die Fabrikbetriebe Geltung. Nun aber wurde er auch auf alle Zwischenmeister, Filial­und Heimarbeitsbetriebe ausgedehnt. Und zwar haften die Fabri­fanten für die Einhaltung des Vertrages auch in diesen Betrieben und können durch die Schlichtungskommission wegen tarifwidrigen Arbeitsbedingungen daselbst in Strafe genommen werden. Zahlt ein Zwischenmeister seinen Hilfskräften den Tarifiohn nicht, be schäftigt er sie über die tarifmäßig festgesetzte Arbeitszeit hinaus oder verstößt er sonst gegen einen Vertragsparagraphen, so hat die Gewerkschaft die Pflicht, auf den vorliegenden Tarisbruch den Fabri­fanten aufmerksam zu machen, der diesen Zwischenmeister beschäf tigt. Der Fabrikant darf nunmehr dem Zwischenmeister so lange feine Arbeit geben, bis dieser den Vertrag innehält. Weigert sich der Fabrikant, dies zu tun, so sind die Arbeiter berechtigt, seinen Hauptbetrieb und alle seine Zwischenmeister zu bestreiten, außer­dem kann er noch in eine Geldbüße bis zu 1000 Mt. genommen werden. Entläßt ein Fabrikant Werkstattarbeiter, so darf er sie nicht durch Heimarbeiter ersetzen. Wer noch nicht 21 Jahre alt ist, darf als Heimarbeiter nicht neu eingestellt werden; wer Hilfskräfte irgendwelcher Art beschäftigen will, muß mindestens 24 Jahre alt sein.

Während bei der Festsetzung der Affordlöhne die Arbeiter bis­her nur gehört zu werden brauchten, müssen sie jetzt zur Mitbestim mung herangezogen werden. Ein großer Nachteil war es, daß die im Lohnbuch eingeschriebenen Löhne von den Zwischenmeistern unterboten wurden, wodurch den Werkstattarbeitern eine lohn­drückende Konkurrenz entstand. Jetzt müssen Heimarbeiter, Werf stattarbeiter und Zwischenmeister die gleichen Löhne erhalten. Bringt die Arbeiterorganisation in Erfahrung, daß ein Arbeiter oder Zwi­schenmeister unter dem festgesetzten Lohn arbeitet, so flagt sie den fehlenden Betrag ein. Diesen erhält dann nicht der billiger Ar­beitende, sondern die vertragschließende Organisation. Außerdem kann die Schlichtungskommission, die mit den Funktionen der Zivil­prozeßordnung§§ 1025 bis 1048 ausgestattet ist, noch über beide Teile, Arbeiter wie Unternehmer, eine Geldbuße wegen Tarifbruchs verhängen. Überhaupt hat die Organisation das Klagerecht für alle Verstöße gegen den Tarif. Auch darf die Vereinigung der Lederwaren und Reiseartikelfabrikanten leinen Schuß denjenigen Mitgliedern gewähren, welche wissentlich das System der Zweig­niederlassungen oder der Zwischenmeisterbetriebe oder entsprechende Unternehmungen benußen, in welchen die Bestimmungen des Ver­