Nr. 21

Die Gleichheit

trages nicht gehalten werden. Die organisierten Arbeiter sind ge­halten, solche Betriebe strengstens zu meiden. Heimarbeiter dürfen bei der Herstellung von Reiseartikeln und verschiedenen besonders genannten Lederwaren nicht beschäftigt werden.

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Diese Bestimmungen wurden mit Recht als die Kardinalpunkte der diesjährigen Tarifbewegung bezeichnet. Sie sind geeignet, den schlimmsten Auswüchsen der Heimarbeit entgegenzuwirken und den Zwischenmeistern die skrupellose Ausbeutungsmöglichkeit zu beschnei den. Bisher hatten die 1800 Hilfskräfte der Heimarbeiter und Zwischenmeister im Offenbacher   Landgebiet überhaupt feine geregelte Arbeitszeit, auch feinen tariflich festgesetzten Lohn. Nun ihre dürfen die dabei in Betracht kommenden Arbeiterinnen Zahl beträgt über 1000 wöchentlich nicht länger als 56 Stunden fchuften, ab 1. Juli 1912 wird ihre Arbeitszeit auf 55 Stunden und ab 1. Juli 1913 auf 54 Stunden herabgesetzt. In den Fabriken des Offenbacher   Gebietes tritt die 53 stündige Arbeitswoche am 1. Juli 1914, in Berlin   am gleichen Tage die 52 stündige in Kraft. Die den Heimarbeitern durch die Erstellung des Arbeitsraums cnt stehenden Lasten sollen von den Unternehmern getragen werden, falls das im Entwurf vorliegende Hausarbeitergesetz auf die Porte­feuillesindustrie Anwendung findet.

Jm Bergen- Entheimer Gebiet erhielten die schulentlassenen jugendlichen Arbeiterinnen bei 57stündiger Arbeitszeit im ersten Halbjahr ihrer Berufstätigkeit einen Wochenlohn von 5 Mk., der stufenweise bis auf 10 M. im vierten Halbjahr stieg. Nun be­ginnen sie im ersten Halbjahr bei verkürzter Arbeitszeit mit einent wöchentlichen Verdienst von 6,72 Mt., und im vierten Halbjahr müssen sie mit 10,64 Mt. entlohnt werden. In Offenbach   wurden die Mindestlöhne für diese jugendlichen Arbeiterinnen durchschnitt­lich um 2 bis 3 Bf. pro Stunde erhöht. Keine Lohnstaffel bestand bisher für die Arbeiterinnen in Berlin  . Dort ist nun für diese der Lohn wie folgt geregelt worden: Für Arbeiterinnen unter 16 Jahren beträgt der Mindestlohn im ersten Halbjahr ihrer Berufstätigkeit 17 Pf. pro Stunde und steigt bis zum vierten Halbjahr auf 25 Pf. Ungeübte Arbeiterinnen über 16 Jahren werden in den ersten sechs Monaten mit 23 Pf. entlohnt und erhalten nach einem Jahre den Mindestlohn, der sich für geübte Hilfsarbeiterinnen und Anschmiere­rinnen auf 30 Pf. pro Stunde stellt, für Zuschneiderinnen und Stepperinnen auf 35 Pf.; für perfekte Stepperinnen auf 38 Pf. und für perfekte Pasplerinnen auf 40 Pf.

Die drei Staffeln der Mindestſtundenlöhne für ausgelernte Sattler und Portefeuiller in Berlin   wurden erhöht, ebenso die Mindest stundenlöhne und Garantielöhne für Affordarbeiter in Offenbach  a. M. und der Verdienst der Arbeitskräfte, die bei den Zwischen­meistern in Bergen- Entheim beschäftigt werden. In allen Orten müssen die Löhne, die nicht unter die Bestimmungen über die Mindest fäße fallen, am 1. Juli 1911 um 5 Prozent erhöht werden. Die Zeitlohnarbeiter erhalten in Berlin   vom 1. Juli d. J. an 5 Prozent mehr Lohn, ab 1. Juli 1913 tritt eine abermalige Erhöhung des Verdienstes für alle Arbeiter ein, die weniger als 34 Mt. wöchent lich verdienen. Auch in Stuttgart   werden ihre Löhne in dem gleichen Zeitraum in Etappen um 10 Prozent aufgebessert, ebenso im Gebiet Offenbach- Frankfurt. Die oberste Lohngrenze soll hier wie dort 33 Mt. betragen. Alle Akkordlöhne müssen einer Revision unterzogen und durchschnittlich um 5 Prozent erhöht werden, und zwar so, daß schlecht bezahlte Artifel eine größere, gut bezahlte eine mindere Aufbesserung erfahren. Für überarbeit beträgt der Lohnzuschlag 25 Prozent, jür Nachtarbeit zwifchen 8 Uhr abends und 7 Uhr morgens 33% Prozent. Den Forderungen der Ar­beiterschaft entsprechend enthält der Vertrag Bestimmungen über das Aushängen der Lohntarife, das Warten auf Zuschnitt usw. Die Unternehmer gestanden die festgelegten Verbesserungen nur unter der Bedingung zu, daß der Vertrag für fünf Jahre gelten solle. Mit schwerem Herzen gaben die örtlichen Lohnkommissionen ihre Zustimmung dazu unter dem Vorbehalt, daß die Verbands­versammlungen sich mit der fünfjährigen Tarisdauer einverstanden erklären würden. Diese haben in Berlin  , Stuttgart   und Offen bach den Tarif gutgeheißen, in der lettgenannten Stadt allerdings nur mit 1079 gegen 999 Stimmen bei mehr als 500 Stimm enthaltungen.

In der Berliner   Album, Mappen und Galanterei warenindustrie, die 600 Arbeiter und 800 Arbeiterinnen be= schäftigt, ist es ebenfalls zu einem fünfjährigen Tarifabschluß ge­fommen. Die Stundenlöhne der Arbeiterinnen sind im ersten Viertel­jahr der Berufstätigkeit sofort auf 19 Pf. und von 1913 an auf 20 Pf. festgesetzt worden, sie steigen stufenweise auf 29 bezw. 30 Pf. im vierten Vierteljahr. Geübte Hilfsarbeiterinnen erhalten nach sechswöchiger Lehre jetzt 35 und in zwei Jahren 36 Pf., selbständige Arbeiterinnen 37 bezw. 40 Pf., Goldaufträgerinnen,

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Arbeiterinnen an der Drahtheftmaschine, Anlegerinnen 39, in zwei Jahren 40 Pf., Bronziererinnen, Bronzeabwischerinnen jetzt 37 und später 38 Pf. Diese Festlegung bedeutet eine Lohnerhöhung von 3 bis 6 Pf. pro Stunde. Ein großer Teil der Arbeiterinnen ist erst seit einigen Wochen oder gar nicht organisiert. Hält man dies fest, so sind die Errungenschaften des Vertrags, wie die Verkürzung der Arbeitszeit auf 521 Stunden wöchentlich und eine fünfprozentige Erhöhung aller Löhne, die nicht unter die vorbezeichneten Mindest­löhne fallen, ein guter Erfolg.

Die fünf Jahre des Tarifvertrags werden für die Arbeiterschaft unserer Industrie keine Jahre der Ruhe sein dürfen. Die Löhne find trotz aller erreichten Erhöhungen noch unzulänglich. Vor allem gilt es für die Organisation, für kommende Kämpfe zu rüsten. Mehr als tausend Arbeiterinnen im Offenbacher   Lohngebiet allein stehen noch abseits vom Verband, dem sie große Erfolge zu verdanten haben. Die Mitgliederversammlung in Offenbach   a. M., die über den Tarifvertrag zu beschließen hatte, ließ erkennen, daß vielen Organisierten die Disziplin noch fehlt, ohne die erfolgreiche Kämpfe unmöglich sind. Jahre des Ringens stehen den Arbeitern und Ar­beiterinnen der Portefeuilles- und Reiseartikelindustrie bevor. Sind alle dieser harten Tatsache eingedenk und setzen sie ihre Erkenntnis. in die Tat um, so werden die nächsten Erfolge die jetzt erzielten Errungenschaften übertreffen.

Aus der Bewegung.

H.-d.

Von der Agitation. Das Parteisekretariat für das obere Vogtland berief in Elsterberg  , Treuen  , Netschkau  , Lengen­ feld   und Auerbach  - Mühlheim Frauenversammlungen ein, in denen die Unterzeichnete über Berufsarbeit und Mutterschutz" referierte. In allen Versammlungen zeigten die Frauen großes Interesse für den Vortrag. Auch die Genossen folgten ihm mit Aufmerksamkeit, und allerorts entspann sich eine ausgedehnte De­batte. Die Diskussionsredner stimmten darin überein, daß durch­greifender gesetzlicher Schutz für Mütter und Kinder eine unab­wendbare Notwendigkeit ist. In dem industriellen Vogtland tritt die überlastung der Frauen als Arbeiterinnen und Mütter deutlich zutage. Das Referat fand auch in Frauenversammlungen zu Mügeln   und Loschwih und in einer Gruppenversammlung des sozialdemokratischen Vereins Gittersee- Coschig bei Dres den lebhaftes Interesse. Über das Thema: Der wirtschaftliche Kampf und seine Bedeutung für die Arbeiterklasse" referierte die Unterzeichnete in einer vom Gewerkschaftsfartell Sebnitz   ein­berufenen Versammlung in Bertelsdorf  , wo die Steinarbeiter im Lohnkampf standen, und in Versammlungen zu Baußen und Singwiß, die im Auftrag des Textilarbeiterverbandes für die in der Textilindustrie beschäftigten Arbeiter und Arbeiterinnen stattfanden. In den beiden letzten Orten kommen Wochenlöhne für Arbeiter von 12 Mt. und für Frauen von 8 Mf. an vor. Auf der Tagesordnung von drei Versammlungen für den Metall­arbeiterverband in Radeberg   und Dresden   und einer Ver­sammlung für den Fabrikarbeiterverband in Radebeul   stand die Frage: Wie hält das Unternehmertum Arbeiterschutzbestim mungen ein?" Die sehr gut besuchten Versammlungen zeigten, daß es vorwärts geht, einer neuen, besseren Zeit entgegen.

In einer Kreis- Frauenversammlung zu Dresden   erstattete die Unterzeichnete als Vertrauensperson des Wahlkreises den Jahres­und Agitationsbericht, der besonders den in allen Teilen des Wahl­kreises großartig verlaufenen Frauentag am 19. März hervorhov. Die Versammlung wählte die Unterzeichnete einstimmig als Kreis­vertrauensperson wieder und bestimmte zu ihrer Stellvertreterin Genossin Kurth. Weitere Versammlungen, die der Aufklärung der Frauen dienten, tagten in Deuben   bei Dresden   und in Dresden   Altstadt. Marie Wackwiz.

Der Gau I des deutschen   Textilarbeiterverbandes ver­anstaltete lezzthin im Bezirk Hamburg   eine Agitation, die sich auf Hamburg  , Altona  , Ottensen  , Bahrenfeld  , Harburg, Wil­ helmsburg   und Schiffbek erstreckte und von gutem Erfolg be­gleitet war. Genosse Böhler Hannover sprach in allen Ber­sammlungen über Kampfmittel und Kampfmöglichkeiten in der Textilbranche". Eine stattliche Zahl neuer Mitglieder wurde für den Verband gewonnen. Dies ist um so höher zu werten, als die Arbeiterschaft aller größeren Textilfabriken von Hamburg   und Um­gegend zu einem erheblichen Teil aus fremdsprachigen Elementen besteht. Erschwert wird die Aufklärungsarbeit außerdem noch aufs höchste durch die Fabrikgewaltigen, die mit den schroffsten Maß­nahmen jede Agitation im Betrieb und jede Einwirkung der or­ganisierten Arbeiter auf die ausländischen Schützlinge" der Herren