Nr. 21

Die Gleichheit

fordtarif, der am 21. Juli in Kraft treten soll, umfaßt in etwa 1000 Positionen 12000 einzelne Preisbestimmungen. Die Erhöhung der Stundenlöhne erfolgte vom 1. Juli ab. Die Arbeiter und Ar­beiterinnen haben in Versammlungen den Abmachungen zugestimmt.

Der internationale Seemannsstreit, der sich in der Hauptfache auf England fonzentriert, hat in vielen Häfen schon zu Erfolgen der Seeleute geführt; in anderen Häfen streiken diese noch fort, und es haben sich ihnen zum Teil auch die Hafenarbeiter engefchloffen. Die siegreichen Seeleute haben neben Lohnerhöhungen die Anerkennung ihrer Organisation und die Abschaffung der Ar­beitskarten und der ärztlichen Untersuchung durchgesetzt. Der Kampf hat bereits die Unternehmerorganisation den größten Teil ihres Einflusses bei den englischen Reedern gekostet. In manchen Hafen städten kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei.

Jm Streit der Hamburger Holzarbeiter und in dem Ausstand im Magdeburger- Helmstedter Braunkohlen revier ist keine wesentliche Änderung der Lage eingetreten.

Eine Tarifbewegung setzt in der Berliner Damenkon fektion ein. Die Arbeiter und Arbeiterinnen haben den Unters nehmern Tarifvorlagen eingereicht. Danach werden für Schneider Wochenlöhne in der ersten Klasse von 40 Mt., in der zweiten Klaffe von 36 Mt. und für Arbeiterinnen von 18 bis 28 Mt. verlangt. Den Unternehmern sind die Forderungen am 15. Juli zugegangen, um Antwort ist bis zum 1. August ersucht.

Jm Bädergewerbe wurden noch einige weitere erfolgreiche Tarifabschlüsse durchgesetzt, so in Mannheim , Eßlingen und in den rheinisch- westfälischen Industriestädten; in Dresden dauert der Kampf zurzeit noch an.

Besonderes Interesse beansprucht eine Bewegung der Arbeiter der Kanonenfirma Krupp. In einer Riesenversammlung unter freiem Himmel sprachen vier Redner des Metallarbeiterverbandes. Bekanntlich hat der Reichstag am 5. Februar einen Beschluß ge­faßt, wonach die Reichsregierung ersucht wird, Arbeiten und Liefe rungen für die Marineverwaltung nur an solche Firmen zu ver geben, die die gesetzlichen Vorschriften einhalten, tarifliche Löhne zahlen und zur Arbeitervertretung Arbeiterausschüsse zulassen. Die Firma Krupp wird vom Reiche mit Aufträgen überhäuft, hat aber in den 5 Monaten, die seit der Beschlußfassung verstrichen sind, noch nicht den kleinen Finger gerührt, um den Forderungen des Reichstags gerecht zu werden. Die gesetzlichen Vorschriften hin sichtlich der Arbeitsbedingungen werden nach wie vor mißachtet. Die Arbeitszeit ist ungleich und zum Teil viel zu lang. Arbeiter­ausschüsse bestehen nicht, die Firma waltet immer noch als un­umschränkter Herr über die Arbeiter. Die Löhne lassen zu wünschen übrig, ihre Niedrigkeit soll wohl durch Arbeiterwohlfahrt verbrämt werden; die Günstlingswirtschaft spielt eine große Rolle, nament lich werden die Gelben besonders gehätschelt. Die versammelten Arbeiter verpflichteten sich durch eine Resolution, für Durchführung der im Reichstagsbeschluß betonten geregelten Arbeitsbedingungen for gen zu wollen. In der Versammlung herrschte eine bewunderns­werte Einigkeit, die auch nicht gestört werden konnte durch das Bemühen der Chriftlichen, Zwietracht zu säen.

In der Nürnberger Metallspielwaren industrie ist cine Lohnbewegung eingeleitet. Die Arbeiter verlangen 88 bis 50 Pf., die Arbeiterinnen 20 bis 28 Pf. Stundenlohn und Regelung des Af­fordwesens. In Betracht kommen rund 2850 Personen, von denen 2580 im Metallarbeiterverband organisiert sind.

Die Lohnbewegung der Oderschiffer fonnte noch in letzter Stunde vor Ausbruch eines Kampfes beigelegt werden. Die Oder­Elbe- Reedereien bewilligten die Forderungen der Mannschaften.

Bessere Arbeiterschuhmaßnahmen und hygienische Einrichtungen in der Schokolade- und Zuckerwaren industrie hatte die Zentralstelle für Handel und Gewerbe in Württem berg ins Auge gefaßt. Sie wandte sich an die Handelskammer in Stuttgart um ein Gutachten darüber. Die Handelskammer war jedoch der Ansicht, es läge teine Notwendigkeit vor, detaillierte Maßnahmen für die betreffenden Betriebe zu schaffen, zumal sie schon unter besonderer Aufsicht der Gewerbeinspektion ständen. Die Arbeiterorganisation zu befragen, hielt sich die Zentralstelle nicht für verpflichtet; sie hätte von ihr eine andere Antwort bekommen und auch ausreichendes Tatsachenmaterial, um weitere Schritte unternehmen zu können. Verordnungen zum Schuße der Arbeiterinnen jener Betriebe würden auch im Interesse der Konsumenten liegen.

Eine unserer jüngsten Organisationen fann vom zweiten Jahre ihrer Tätigkeit recht Ermutigendes berichten. Der Landarbeiter verband gewinnt Schritt für Schritt an Boden. Die Worte eines pommerschen Amtsrichters, die Landarbeiter brauchten fein Koali­tionsrecht, da sie doch nicht wüßten, was das ist, werden damit von diesen Proletariern Lügen gestraft. Anfang dieses Jahres zählte

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der Verband in 425 Ortsgruppen fchon 11232 Mitglieder. Drte­gruppen und Mitglieder verteilen sich auf die 5 Agitationsgebiete des Verbandes wie folgt: Gau Mecklenburg- Pommern zählt 67 Ortsgruppen mit 2051 Mitgliedern; Gau Mitteldeutsch­ land Sachsen und die mitteldeutschen Kleinstaaten- hat in 110 Ortsgruppen 2948 Mitglieder; Gau Bayern vereinigt in 88 Ortsgruppen 2001 Mitglieder; Gau Südwestdeutschland hat in 74 Ortsgruppen 1800 Mitglieder; das übrige Deutschland weist noch 86 Ortsgruppen mit 2487 Mitgliedern auf. In den Landkranken­kassen wurde den Landarbeitern das Verwaltungsrecht unter dem Vorwand vorenthalten, es mangle ihnen die Fähigkeit zu seiner Aus­übung. Dieses Gerede machen die Landarbeiter durch ihre organi satorische Tätigkeit im Verband und in über 400 Ortsgruppen zu­schanden. In der furzen Zeit seines Bestehens konnte der Ver band bereits einige erhebliche Verbesserungen der Arbeitsbedingungen durchführen. Seine Unterstützungseinrichtungen sind gleichfalls von großem Werte für die Mitglieder. An Krankenunterstützung wurden 4097 Mt., an Gemaßregeltenunterstützung 1397 Mt. und für Rechts­schutz 2831 Mt. verausgabt. Besonders für Rechtsschutz werden größere Mittel erforderlich sein, da durch die mittelalterliche Ge­findeordnung, unter der die Landarbeiter noch stehen, viele Kon­flifte sich ergeben, die der Verband für seine Mitglieder auf dem Rechtsweg durchfechten muß. Der Verbandsvorstand befaßte sich in 561 Fällen mit dem Rechtsschutz seiner Mitglieder. In 59 Fällen konnte durch Klage, manchmal auch durch Verhandlungen 2958 Mt. Lohn für Landarbeiter erwirkt werden. In Strafprozessen wurde 13 mal ein Freispruch erreicht, weiter wurden in 50 Fällen von aus der Arbeiterversicherung herrührenden Rechtsansprüchen für die Mitglieder Erfolge erzielt. Der Landarbeiter" erscheint in einer Auflage von 20000 Gremplaren. Trotz der rücksichtslosesten Be­Tämpfung durch Amtsvorsteher, Gendarm und Gutsbesitzer schreitet die Organisation der Landarbeiter, die auf besonders schwierigem Boden zu kämpfen hat, mutig und erfolgreich vorwärts.

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Aus der Holzarbeiterbewegung. Eine bemerkenswerte Aner­Kennung gewerkschaftlicher Tätigkeit brachte die diesmalige Jahres­versammlung des Arbeitgeberschusverbandes für das deutsche Holzgewerbe. Gleich der Berichterstatter über die diesjährigen Tarifverhandlungen führte aus, daß es jedesmal im Frühjahr dem Arbeitgeber in den Nerven zucfe, wenn er nur das Wort Tarifverhandlungen " lese, denn es kostet ihm jedesmal eine Stange Geld". So nämlich mit den Bewilligungen an die Ar­beiter gehe es unmöglich weiter. Der Gegner sei immer be strebt, die Verträge lediglich im eigenen Interesse" auszugestalten, das heißt in dem der Arbeiter. Denselben Klageton über die großen Zugeständnisse im letzten Frühjahr an die Arbeiter schlugen alle Diskussionsredner an. Einzelne Unternehmer bedauerten, daß man auf das vierte Vertragsjahr eingegangen sei und somit den er sehnten Reichstarif in weite Ferne gerückt habe. Das sei kein Ruhmestitel für den Arbeitgeberverband. Der Schutzverbands vorsitzende selbst rechnete seinen Mitgliedern vor, daß allein die Bewilligungen dieses Frühjahrs den Holzarbeitern folgende Mehr­einnahmen bringen würden: im ersten Vertragsjahr 638000 M., im zweiten 1276000 Mt., im dritten 1600000 Mt. und schließlich im letzten Jahre gar 4233800 Mr. Um diese großen Summen wird also das Einkommen der betreffenden Arbeiter höher sein, als es ohne die von der Organisation eingeleitete Lohnbeweging gewesen wäre. Die Bestätigung eines solch nennenswerten Gr­folges gewerkschaftlicher Tätigkeit aus Arbeitgebermund sollten sich alle jenen Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen merken, die den Bei­trag für die Gewerkschaft als unnüße Ausgabe ansehen. Selbst wenn die Gewerkschaftsbewegung den Arbeitern keinerlei sonstigen Vorteile böte, würde diese Lohnerhöhung allein schon eine glänzende Verzinsung der in ihrem Dienste gebrachten Opfer sein. Ihren Mißerfolg im Kampfe mit dem Holzarbeiterverband glaubten die Unternehmer auf die zentralen Verhandlungen zurückführen zu müssen. Sie wollen nun künftig die Verhandlungen bezirks­weise führen. Nühen wird ihnen das ja auch weiter nicht viel, dafür bürgt schon die gute Organisation der Holzarbeiter. Die Interessen der Arbeiter wird der Holzarbeiterverband bei künftigen Tarifverhandlungen und Kämpfen um so beffer wahren können, je mehr Arbeiter und Arbeiterinnen er unter seinen Fahnen zählt. Wenn die Arbeitgeber auf ihrer Versammlung flagten, daß ihnen bald überhaupt nichts mehr zu bewilligen übrig bleibe, so fann kein Arbeiter dabei ernst bleiben. Dasselbe Lied haben die Unter­nehmer ja bei jeder ihnen abgezwungenen Lohnerhöhung ange­stimmt, auch wenn die niedrigsten Löhne nur um das Geringste verbessert wurden. Ihren angeblich verlustbringenden Betrieb haben fie aber trotzdem nicht eingestellt, um das angeblich beneidenswerte Los der Proletarier auf sich zu nehmen.