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Die Gleichheit
In der Holzindustrie haben denn auch mit der Tariferneuerung im Frühjahr die Lohnbewegungen der Arbeiter dieses Jahres keineswegs ihren Abschluß gefunden. Aus dieser Tarifbewegung stammt noch der große Kampf in Hamburg , wo die Unternehmer nicht zum Schutzverband Rahardtscher Richtung gehören. Ebenso ist heute ein Streit in der Pianofabrik Rawic in Osnabrück noch nicht zu Ende gekommen. In den Orten Forst, Finster walde und Kelkheim bedurfte es trotz der Berliner Tarifverhandlungen langen Kampfes, bis sich die Unternehmer in das Unvermeidliche fügten.
In Rabenau stehen die Stuhlarbeiter schon 15 Wochen im Streif. Die Fabrikanten glaubten sich mit Arbeitswilligen durchhelfen zu können; sie mußten aber erst vor kurzem den Schmerz erleben, daß ihnen ein Schwarm dieser Brüder durchging, den sie sich aus dem sächsischen Vogtlande verschrieben hatten. Kämpfe in der Stuhlindustrie sind meist erst nach längerer Dauer entschieden worden, so daß die Langwierigkeit des jetzigen Streits die Arbeiter nicht entmutigen fann. In Worms find es nunmehr über 12 Wochen her, daß die Tischler den ihnen von den Unternehmern hingeworfenen Fehdehandschuh aufnahmen und in Streit traten. Die Meister führen hier bittere Klage, daß ihnen ihre paar Arbeitswilligen von den ebenfalls bestreitten Hamburger Betrieben weggeschnappt werden.
Unter den armen Thüringer Pfeifendrechslern ist es in Waltershausen zu einem Lohnkampfe gekommen. Eine Reihe Ileinerer Orte hat in der letzten Zeit Lohnbewegungen zu einem erfolgreichen Abschluß gebracht. Wie diese Beispiele zeigen, sind die organisierten Holzarbeiter auf dem besten Wege, auch in den nicht unter die allgemeine Tarifgemeinschaft fallenden Orten und Zweigen der Industrie die Arbeitsbedingungen zu bessern und die Lebensverhältnisse zu heben. fk.
Aus der Textilarbeiterbewegung. Die Forderung der Arbeitsruhe am Sonnabendnachmittag hat dank der Aussperrungsmaßnahmen der süddeutschen Industriellen rasch in weiteren Kreisen der deutschen Textilarbeiterschaft Eingang gefunden und die Grenzen Bayerns längst überschritten. Allerorts wird diese Forderung von den Textil proletariern erörtert. Allerdings kann das Ziel, wie die Dinge zurzeit liegen, nur schrittweise erreicht werden. Die Meeraner Färbereiarbeiter mußten bisher noch bis 6 Uhr abends an Sonnabenden in der Fabrik tätig sein. Sie wandten sich an die Unternehmer mit dem Ersuchen, die Betriebe Samstags schon um 4 Uhr zu schließen. Die Unternehmer rührten sich nicht. Daraufhin verließen die Arbeiter zweier Betriebe am Sonnabend ohne weiteres um 4 Uhr die Arbeitsstätte. Ein Unternehmer verlangte nunmehr von den Arbeitern, sie sollten sich schristlich verpflichten, am Sonnabend bis um 6 Uhr zu arbeiten. Als diese sich dessen weigerten, drohte der sächsisch - thüringische Färberverband mit Aussperrung. Durch Vermittlung des Meeraner Bürgermeisters fam eine Einigung zwischen Arbeitern und Unternehmern zustande. In Meerane bewilligten die Fabrikanten den Fünfuhrschluß am Sonnabend. Das gleiche erzwangen die Textilarbeiter in Glauchau , Gera und Greiz . In stürmischen Lohnkämpfen stehen zurzeit die Arbeiter in den norddeutschen Jutebetrieben. Die außerordentlich günstige Konjunktur veranlaßte die Arbeiter, Forderungen zu stellen. In Schiffbeck, Hemelingen und Delmenhorst ist cs zum Streit gekommen. Die Betriebe in Schiffbeck und Heme lingen ruhen. In Sommerfeld wurde durch sechswöchigen Streit eine Lohnverkürzung zurückgewiesen. In Crimmitschau haben die Weber und Weberinnen die Unternehmerorganisation um Einführung einheitlicher Lohnberechnung und gleicher Akkordlohnsätze ersucht. h.j.
I. K. Zum Streik in den Singerschen Nähmaschinenwerken zu Glasgow ( Schottland ) wird der bürgerlichen Österreichischen Nähmaschinen- Zeitung" aus London geschrieben:" In den Streit traten 1200 Arbeiter und Arbeiterinnen, die alle ungelernt waren, da die Leitung der Fabrik weniger auf die Qualität der Arbeitsleistung als auf die Menge und insbesondere auf niedrige Arbeitslöhne hielt. Diese letteren nun hatten bereits einen Tiefstand erreicht, den selbst der hartgesottenste Manchesterhäuptling als unsozial bezeichnet hätte. Von den übrigen Praktiken und Spiegel fechtereien, die man den Angestellten gegenüber seit jeher übte, sei hier gar nicht die Rede; sie sind überall zur Genüge bekannt und unliebsam bemerkt worden. Aber die Tatsache, daß wir nur von ungelernten Arbeitern hören, muß man sich jedenfalls merken. Wir sehen hier wieder das System Singer bloßgelegt, das nicht im geringsten jene fanfaronesken Rückschlüsse gestattet, die dem kaufenden Publikum in bezug auf die alleinfeligmachende„ Singer 66" so gern eingeredet werden. Der Geschäftsführer der Firma, ein gewisser Park, hat seine Fertigkeit im Bauernfang diesmal an den streifenden Arbeitern erprobt, hat ihnen sein ehrenwörtliches
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Versprechen gegeben, niemanden wegen diefes Streits zu entlassen. Nachdem aber die Arbeit wieder aufgenommen worden war, hat er alle Führer aufs Pflaster geworfen. Dieses perfide Verhalten sollte nicht ungerächt bleiben. Der„ Forward", die Glasgower Arbeiterzeitung, forderte zur Abwehr gegen solche Verfolgung der Arbeiter einen internationalen Boykott der Singerschen Nähmaschinen. Er schreibt:" Möge das Internationale Bureau die Sache sofort in Angriff nehmen. Wenn wir nicht die systematische Maßregelung von Sozialisten durch eine große internationale Ausbeuterfirma wie die Singersche verhindern können, so nüßt es nichts, von einer Verhinderung des Krieges zu reden." Die„ Justice" unterstützt diese Anregung. Die Masse der Singerschen Kunden," so heißt es in ihren Spalten, gehört der Arbeiterklasse an. Aber eine Singersche Nähmaschine gehört nicht zur Notdurft des Lebens. Sie bedeutet nicht Speise und Trank oder Kleidung. Überdies gibt es andere Nähmaschinen auf dem Markte, die ebenso gut sind wie die Singerschen. Es bedarf deshalb keines Opfers, wenn man sich weigert, Singer- Maschinen zu kaufen. Bei der Wahl einer Nähmaschine hat die Hausfrau vollkommene Freiheit. Hier haben wir daher einen Fall, in dem die Frauen einen gewaltigen Einfluß aus üben können, obwohl sie das Wahlrecht zum Parlament nicht bes fizzen. Wenn die Frauen die Sache ernstlich in Angriff nehmen, so kann der Firma Singer- und durch sie anderen gelehrt werden, daß sie zwar eine Truppe Arbeiter besiegen mag, diese je doch nicht ungestraft maßregeln kann."
Notizenteil. Wohnungsfrage.
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Wohnungsnot weiblicher Personen. In vielen Großstädten macht sich die Wohnungsnot namentlich für alleinstehende weibliche Personen bemerkbar. Einem Mädchen, das auf seiner Hände Arbeit angewiesen ist und nicht bei den Eltern wohnen kann, fällt es häufig äußerst schwer, eine passende Wohnung zu finden. Das Mädchen sucht und sucht, meist vergebens, und verliert viel Zeit. Wie oft wird ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen mit den Worten:„ Wir vermieten nicht an Damen." Und doch sind so viele. Arbeiterfamilien auf das Vermieten einzelner Zimmer ihrer Wohnung angewiesen und würden sicher gern ein Mädchen in sogenannte Aftermiete nehmen. Denn meistens werden heute teure Wohnungen gebaut, da der Bau von kleinen Wohnungen nicht mehr rentabel genug ist. Bauspekulanten bauen nur noch Häuser mit Drei- bis Fünfzimmerwohnungen. Nicht überall gibt es gemeinnüßige Bau gesellschaften, die sich den Bau von Kleinwohnungen besonders an gelegen sein lassen. Der Arbeiter muß daher eine Wohnung mieten, die an sich für seine Familie nicht zu groß wäre, für die er aber 500 bis 600 mt. pro Jahr zahlen muß, ein Betrag, der fast die Hälfte seines Jahresverdienstes verschlingt. Die Folge ist, daß der Arbeiter gezwungen ist, ein oder mehrere Zimmer dieser teuren Wohnung weiter zu vermieten, womit er ein großes Risito auf sich nimmt. Gar häufig fordert er am„ Ersten" des Monats den Aftermieter vergeblich zur Zahlung auf oder muß den heimlich„ Verzogenen" erfolglos suchen, um sein Geld zu erhalten. Der Hausbesizer aber hat das ganze Risiko auf den Mieter abgewälzt, dem er auch noch die üblichen Nebenabgaben, wie Haussteuer, Kamin fegergebühren usw. aufhalst.
Zu allem dem mehren sich die Fälle, in denen der Haus. befizer den Mietern Vorschriften über die Weitervermietung ihrer Zimmer macht. Viele Mietverträge haben den Vermerk:„ Aftervermietung nur mit besonderer Genehmigung des Hausherrn gestattet." Andere enthalten wieder die Bestimmung, daß die Aftervermietung„ nur von Fall zu Fall gestattet" ist. Macht nun der Mieter bei Abschluß des Vertrags Bedenken gegen solche Bestim mungen geltend, weil er doch unbedingt auf Aftervermietung an gewiesen sei, so tröstet ihn der Hausherr mit dem Hinweis auf Sitte und Gebrauch, auf das Entgegenkommen seinerseits usw. Kommt es aber zum Konflikt mit dem Hausbesitzer, so ist das mündliche Versprechen wertlos, da die meisten Mietverträge den Vermerk tragen:„ Mündliche Vereinbarungen sind ungültig" oder Alle Vereinbarungen müssen schriftlich geschehen", was leider bein Mieten meist übersehen wird. Häufig mietet ja die Arbeiterfrau die neue Wohnung, weil der Mann wenig Zeit hat, herumzulaufen und zu suchen. Auch ist es gut, daß die Frau die Wohnung sucht, weil sie gewöhnlich Mängel eher entdeckt als der Mann. Dafür wird aber ein schlauer Hausherr mit unkundigen Arbeiterfrauen auch leichter fertig als mit dem Mann, und schnell ist der Vertrag geschlossen, da die Zeit drängt, und der gute Hausherr so liebenswürdig alles versprochen hat". Der Rest ist dann gar häufig eine