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Die Gleichheit
schlagen muß die Begründung werden, welche der Sprecher der Fortschrittlichen Voltspartei deren Antrag gab. Der Abgeordnete Eickhoff betonte nachdrücklich, daß seine Partei das kommunale Frauenwahlrecht nicht als ein Recht der Person fordere, vielmehr lediglich als ein Sachrecht, als ein Recht des Grundeigentums, daß daher auch die privile gierte Grundbefizerin nicht zu verpflichten sei, ihr Recht selbst aus zuüben, es müsse ihr freistehen, es auf einen Stellvertreter zu übertragen. Sein Parteifreund Waldstein verteidigte ebenfalls das begehrte Recht lediglich als Sachrecht, und was er zur Entschuldi gung dieses Verrats an der Demokratie vorbrachte, war ein belangloses Lallen über den Zwang der Selbstbescheidung, nicht mehr zu fordern, als man zu erhalten hoffe. Wobei natürlich das Ende vom Liede war, daß der„ unentwegte" Freifinn gar nichts erhielt. Der Antrag wurde abgelehnt, ebenso wie die von den Herren erhobene Forderung die recht und billig war, die Bestimmung zu streichen, nach der die Frauen nicht einmal als Zuhörerinnen zu den Gemeindeberatungen zugelassen sind. Vermerkt sei, daß der nationalliberale Gottschalt sich mit dem aktiven Wahlrecht der Großgrundbesizerinnen im Namen seiner Freunde einverstanden erklärte. Das ebenfalls unter starker Betonung des ,, binglichen Charakters" auch dieses Privilegienrechts und der zu schaffenden Möglichkeit, den Frauen eine gewisse Anteilnahme an den Gemeindeverhandlungen zu gewähren. Wir werden das Wichtigste aus den Reden zum politischen und kommunalen Frauenwahlrecht noch nachtragen. Es handelt sich um Ausführungen, die sich dem Bewußtsein der Proletarierinnen einprägen müssen, die ihr volles Bürgerrecht erkämpfen wollen.
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Der sechste Kongres des Weltbundes für Frauenstimmrecht hat vom 12. bis 17. Juni in Stockholm getagt. Nach den bis jetzt vorliegenden Berichten zu urteilen, ist er eine glänzende Heerschau der bürgerlichen Frauenrechtlerinnen gewesen, die mehr demon strativ gewirkt als positive Arbeit geleistet hat. Das geht ziemlich unverblümt aus dem Bericht von Frau Breitscheid in dem Freien Wolf" hervor, wie etwas zurückhaltender aus Frau Cauers Stim mungsbildern" in der Frauenbewegung". Der Weltbund" wird sichtlich von der Flutwelle der sozialen Entwicklung emporgehoben. Bei seiner Gründung voc neun Jahren in Washington schlossen sich ihm die nationalen Frauenstimmrechtsorganisationen von fünf Ländern an, heute sind ihm die von 24 Staaten angegliedert. In 18 davon haben die Frauen im Verlauf der letzten sieben Jahre mehr politische Rechte erworben, als sie bis dahin besaßen. Die Verhandlungen zeitigten natürlich manche fruchtbare Anregung, Debatten von größerer Bedeutung drehten sich um zwei Fragen: erstens, ob sich die Frauen den politischen Parteien der Männer anschließen oder eigene Parteien, beziehungsweise abgeschlossene Gruppen innerhalb der alten politischen Parteien bilden sollten; zweitens, ob der Weltbund für oder gegen das allgemeine Wahlrecht sei. In der ersteren Frage kam feine Einigung zustande, die zweite wurde durch eine reichlich zweideutige Resolution beant wortet, die es der Frauenstimmrechtsorganisation jedes Landes überläßt, für die Form des Wahlrechts einzutreten, die ihr zu einer gegebenen Zeit geboten erscheint. Wir werden auf den Kongreß noch eingehend zurückkommen, wenn mehr ausführliche und zuverlässige Berichte darüber veröffentlicht worden sind.
Eine Niesendemonstration der englischen Frauenstimm rechtskämpferinnen hat am 17. Juni in London stattgefunden. Sie mochte gegen 40 000 bis 50000 Teilnehmerinnen zählen, die in einem Zuge von sieben englischen Meilen Länge vom Themfeufer nach der Albert Hall marschierten. An der Spitze gingen 700 Frauenrechtlerinnen, die für die Sache des Frauenstimmrechts im Gefängnis gebüßt hatten; aus den Provinzorten und dem Ausland nahmen frauenrechtlerische Vertretungen an der Demonstration teil, die sich durch ihren künstlerischen Geschmack auszeichnete und einen Luxus zur Entfaltung brachte, der allzu deutlich verriet, daß es sich in der Hauptsache nicht um eine Voltsbewegung handelt, vielmehr um eine Bewegung der besitzenden Frauenwelt. Diese stellte unzweifelhaft die stärksten und malerischsten Gruppen des Zuges, in dem übrigens auch fleine Fähnlein von Fabrikarbeiterinnen, Lehrerinnen und Krankenschwestern die berufsmäßige Krankenpflege ist in England ein ausgedehnter und sehr geschäßter Frauenberuf und andere weibliche Erwerbstätige in stattlicher Zahl vertreten waren. Wie wenig die englischen Proletarierinnen für die Zuerkennung ihres vollen Bürgerrechts von der bürgerlichen Frauenstimmrechtsbewegung zu hoffen haben, das zeigt ein Ausspruch von Miß Pankhurst, eine ihrer opferfreudigsten, aber auch fanatischsten Führerinnen. Fräulein Pankhurst bezeichnete als die schlimmsten Feinde des Frauenstimmrechts, die falschen Freunde", die Befürworter des allgemeinen Wahlrechts für beide Geschlechter,
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die die Wahlrechtsreform so groß machen möchten, daß man sie nicht durch die Tür des Parlaments bringen könne. Das sagt genug.
Die Vorschläge zur Verfassungsänderung in Dänemark , welche die Einführung des Frauenwahlrechts in sich begreifen, find nun auch bereits zweimal von der ersten Kammer durchberaten worden. Die 34 Konservativen, die dem Herrenhaus angehören es zählt 66 Mitglieder, erklärten ihre Gegnerschaft wider die Einführung des Frauenwahlrechts und die Herabsetzung des Wahlrechtsalters. Später" würden sie geneigt sein, die Frage des Frauenwahlrechts in Erwägung zu ziehen. Der Ministerpräsident, ein Liberaler, trat so rückhaltslos wie früher in der zweiten Kammer für die Forderung ein. Schließlich überwies das Herrenhaus die Anträge zur Verfassungsreform einem sogenannten„ Begräbnisfomitee".
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Die Frau in öffentlichen Aemtern.
Neue Stellen für Bibliothekarinnen in Preußen hat der Etat für das laufende Jahr vorgesehen. Seit 1907 find zur Ent lastung der Bibliothekare von mehr mechanischen Arbeiten Bibliothek. sekretärstellen errichtet worden, und da man mit der Tätigkeit weiblicher Hilfskräfte an den mittleren Bibliotheken recht gute Erfahrungen gemacht hat, so sollen nun auch Stellungen für Bibliotheksekretärinnen geschaffen werden. Die betreffenden Damen müssen natürlich für den Posten entsprechend vorgebildet sein, als Gehalt ist 1650 bis 3000 Mt. vorgesehen, nebst Wohnungszuschuß. In Aussicht genommen ist die Anstellung von drei Sekretärinnen an der königlichen Bibliothek zu Berlin und je einer für sechs preußische Universitätsbibliotheken.
Drei weibliche Bürgermeister gibt es in England. Es sind dies Fräulein Morgan in Brecour, Frau Lees in Oldham und Frau Dr. Garret- Anderson, die schon seit einigen Jahren in einer kleineren Gemeinde den Posten bekleidet, während die beiden Erstgenannten erst bei den letzten Stadtvertretungswahlen im vergangenen Jahre als Oberhaupt der Munisipalität gewählt worden sind.
Als oberster Schulrat von Chicago ist eine Frau tätig, Ella Flagg Young. Daß sie sich in dem verantwortungsreichen Amte der großen Stadt durchaus bewährt hat, erweist eine Tatsache. Anfang dieses Jahres wurde Mrs. Flagg Young bei den Schulratswahlen zum dritten Male auf ihren Posten gestellt, und zwar einstimmig von allen Parteien. Wie wird dir, deutscher Bildungsphilister siehe die Petition der preußischen Oberlehrer und Lehrer gegen die Zulassung der Frauen zu leitenden Stellungen sogar in den Mädchenschulen!, wenn du diese Nachricht liefest?
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Verschiedenes.
Handelsschülerinnen. Die städtische Handelsschule in Offen burg ( Baden) hat obligatorischen Unterricht für Gehilfen beider Geschlechter. Jm vorletzten Schuljahr waren unter 154 Besuchern der Anstalt 66 weibliche; im Jahrgang 1910/11 wurden nur noch 59 weibliche auf 170 Besucher gezählt. An dem wahlfreien Unterricht nahmen teil in der Stenographie 31 weibliche neben 33 männlichen Besuchern, im Maschinenschreiben 45 neben 57, in der eng lischen Sprache 15 neben 34. Unter den 17 preisgekrönten Schülern des Vorjahres befanden sich 8 Gehilfinnen. Die Stadtkasse leistet einen jährlichen Beitrag von 3600 Mt. an die Handelsschule. Das Schulgeld beträgt 30 Mt.; unbemittelte Eltern sind davon befreit.
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mg.
Von der Zusammensetzung der katholischen Lehrerinnenvereine gibt die" Bayerische Lehrerzeitung" ein Beispiel, das dem Blatt entnommen ist:„ Die katholische Lehrerin". Dort sind fol gende Neuanmeldungen von Mitgliedern zu lesen: Oberpfalz a. Fräulein Margarete Stolze- Amberg; b. Hochw. Herr Pfarrer Dietl- Laaber Hochw. Herr Kooperator Eichleitner- Hemau Hochw. Herr Pfarrer Ferstl- Wiesau Hochw. Herr Pfarrer Freimuth- Wörth- Hochw. Herr Kattum, Offiziator am Elisabethinum, Regensburg Hochw. Herr Pfarrer Holzapfel- Paiten Hochw. Herr Pfarrer Hüttinger- PfatterHochw. Herr Kooperator Kühn- Hemau Hochw. Herr Pfarrer Schmidt- Schach Hochw. Herr Stadtpfarrertooperator Dreyler- Amberg. Der Anmeldung einer Lehrerin stehen zehn Anmeldungen von Geistlichen gegenüber, und das nennt sich einen Lehrerinnenverein.
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mg.