Nr. 22
Die Gleichheit
beiterinnen betreffen soll. In den Berliner Eisengießereien ist eine Lohnbewegung von großer Tragweite im Gauge. Die Zahl der in den Gießereien beschäftigten Arbeiter beträgt rund 4000. Kommt es aber zur Arbeitsniederlegung, so würden dadurch auch viele andere Betriebe stillgelegt werden, für die die Gießereien die Halbfabrikate liefern.
In der Badischen Anilin und Sodafabrik, der größten chemischen Fabrik Deutschlands , find die Arbeiter in den Ausstand getreten, weil geringe Lohnzulagen und Verhandlungen abgelehnt wurden. Die chemischen Fabriken können ja bei ihren Riefenprofiten feine Lohnerhöhungen tragen!
Dem treuen Eifer der Behörden im Schutze der Arbeit sei folgender Fall empfohlen. Ein Böhme bietet sich in Deutschland den bestreiften Firmen zur Lieferung von Arbeitswilligen an. Er läßt fich vom Unternehmer gleich einen Vorschuß auf seine in Aussicht gestellte Menschenware zahlen, um damit auf Nimmerwiedersehn zu verschwinden. Vor Jahren Hopfte dieser Edle auch beim Buch binderverband an. Er stellte sich als Buchbinder vor und versprach, von der Lieferung streitbrechender Buchbinder Abstand zu nehmen, wenn er eine entsprechende Entschädigung erhielte. Als dem Burschen auf den Zahn gefühlt wurde, stellte sich heraus, daß er gar nicht Buchbinder, sondern Zimmermann ist, und daß er verschiedenes auf dem Kerbholz hatte, das ihn mit dem Strafgesetz in Konflitt bringt. Die Staatsanwaltschaft, der er übermittelt wurde, ließ ihn aber laufen. Ob sie ihn aber nicht diesmal belangen wird, wo er sich gegen das geheiligte Eigentum der Unternehmer vergeht? #
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Die Kämpfe in der Jutebranche dauern mit ungeschwächter Kraft fort. Die pessimistischen Auffassungen über die Haltung der Arbeiter im Streif, welche von vielen Kollegen vor Ausbruch des Kampfes geäußert wurden, sind durch den Verlauf des Ausstandes als falsch erwiesen. Obwohl eine große Anzahl unorganisierter Leute in Frage kommt und deshalb von einer regelmäßigen Unterstützung keine Rede sein kann, find doch von einer Anzahl Ga lizier abgesehen Streifbrecher nicht vorhanden. Es muß ein hohes Maß der Erbitterung angesammelt sein, eine tiefgehende Empörung muß die Arbeiter erfaßt haben, damit sie die großen Opfer des Kampfes tragen. Die Zustände in den Jutebetrieben lassen eben recht viel zu wünschen übrig. Nur ein kleiner Teil der Belegschaft einer Fabrit bleibt hier jahrelang tätig. Der größte Teil wechselt häufig, und viele gehen schließlich in andere Berufe über. Die Ursachen sind verschiedener Art. Die Entlohnung der Arbeiter ist infolge des Wirkens des Verbandes in den letzten Jahren zweifellos besser geworden. Es gibt Branchen der Textilindustrie mit niedrigeren Löhnen. Wir denken dabei an die Hilfs arbeiter der Wollfämmereien, die Hilfsarbeiter der Baumwollwebereien der sächsischen Lausitz , die Spuler, Zwirner, Dublierer in den sächsischen Tuchstädten usw. Troydem ist der Lohn noch zu niedrig, die Gewinne der Aktionäre in der Jutebranche sind das gegen hoch. Zur niedrigen Entlohnung kommt die wenig zusagende, recht schmutzige Arbeit. Die Spinnbarkeit macht eine Einfettung der Rohjute in der Batscherei notwendig, die jenen starken, die Jute kennzeichnenden Geruch erzeugt, welcher das Nervensystem der Arbeiter recht ungünstig beeinflußt. Der Kenner fann schon nach dem Geruch das Vorhandensein einer Jutesabrit feststellen, wenn er auch noch ziemlich weit von ihr entfernt ist. Viel intensiver wirkt der Geruch selbstverständlich auf die mit der Jute hantierenden Arbeiter. Des weiteren erzeugen die fettigen Substanzen, vor allen Dingen ranzig gewordene Öle, Hautkrankheiten. Es braucht nur an die Kräße in Vechelde und an die ägyptische Augenkrankheit in Braunschweig erinnert zu werden. Wascheinrichtung in der Nähe der arbeitenden Personen zu öfterer und leichter Benutzung, ebenso Badeeinrichtung ist leider nur in den wenigsten Fällen vorhanden. Einheimische Arbeiter gehen deshalb nicht gern in die Jutebetriebe. Die vom Ausland hereingeholten Galizier, Russen usw. sind außer ordentlich rückständig. Stumpfsinnig verrichten sie ihr Tagewerk. Jeder Bildung ermangelnd, kennen sie weder die mit der Arbeit ver bundenen Gefahren, noch wissen sie den Wert der Reinlichkeit zu schätzen. Die primitiven Wascheinrichtungen, soweit solche überhaupt vorhanden sind, werden von ihnen wenig benutzt. Die vorgeschrittenen Proletarier sind in der Folge ständig durch die zahlreichen rückständigen Arbeiter gefährdet. Alledem fügt sich noch eine schlechte Behandlung der Arbeiter durch viele der Vorgesetzten hinzu. Auch in dieser Hinsicht beeinflußt die dumpfe Resignation der immer neu herbeigeholten Ausländer ungünstig das Verhalten der Meister usw. Die Vorgesetzten glauben oft jenen alles bieten zu können und übertragen die schlechte Behandlung dann auf alle Arbeiter. Auch hierin hat der Verband durch unausgesetzte Kritik manches gebessert, aber sehr viel bleibt noch zu tun. Wehr als in
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jeder anderen Branche muß in der Juteindustrie betont werden, daß nicht nur das technische Können den Menschen zum Borgesetzten qualifiziert. Nach alledem darf es nicht wundernehmen, wenn die Fluktuation in der Juteindustrie groß ist, wenn sich immer aufs neue Zündstoff ansammelt, wenn die Empörung der Arbeiter immer wieder in plötzlichen Streits zum Ausdruck kommt. Die Or ganisation wird ihr möglichstes tun, um den Arbeitern zum Erfolg zu verhelfen. Sie wird nicht nachlassen in ihrem Streben, sie zu zielsicheren, disziplinierten Gewerkschaftern zu erziehen. Die Leiter der Jutebetriebe aber werden jetzt oder später erkennen müssen, daß heute zur Leitung nicht nur der Einkauf der Rohprodukte, die übersicht über die Produktion in der Fabrik und der Verschleiß der Produkte gehört, sondern auch noch vieles andere, zum Beispiel sozialpolitisches Verständnis.
h. j.
Die Frage der Frauenarbeit und Arbeiterinnenorgani fation vor Verbandstagen. Auf der siebten Generalversamm lung des Verbandes Deutscher Buchdruder in Hannover wurde bei den Verhandlungen über die Gründung eines Industrieverbandes nebenbei auch die Frage der Frauenarbeit und Arbeiterinnenorganisation gestreift. Nach der Meinung des Referenten gibt es triftige Gründe, die zurzeit noch dem Zusammens schluß der Buchdrucker mit den Lithographen, Steindruckern, Buchdruckerei- Hilfsarbeitern und Buchbindern zu einer einzigen Organi sation widersprechen. Unter diesen Gründen befand sich der Hin weis darauf, daß in den drei erstgenannten Berufsgruppen bis jetzt die Frauenarbeit keine erhebliche Rolle spielt, während die Erwerbsgebiete der Buchbinder und Hilfsarbeiter mit weiblichen Arbeitern sehr stark besetzt sind. Die Gewerkschaften spiegeln in ihrer Zusammensetzung wie betreffs ihrer Beiträge diesen Stand der Dinge wider. Die Verbände der Buchbinder und BuchdruckereiHilfsarbeiter haben eine starke weibliche Mitgliedschaft, aber deren Verdienst entsprechend sind die Beiträge niedriger als die in den Organisationen der Buch- und der Steindrucker und der Lithographen, die keine weiblichen Mitglieder haben. Genosse Kloth, Vorsitzender des Buchbinderverbandes, erklärte dazu, daß die Frauenarbeit heute auch für die Verbände in Betracht käme, die noch keine weiblichen Mitglieder zählten. Die Vorsitzende des Verbandes der Buchdruckerei- Hilfsarbeiter, Genofsin Thiede, führte aus, daß weniger der hervorgehobene Umstand sich jetzt der Gründung eines Industrieverbandes in den Weg stelle, als die hohe Entwicklung des Buchdruckerverbandes mit seinem Tarif. Auf was es zwischen den Arbeitergruppen des graphischen Gewerbes ankomme, sei Praris der ausgedehntesten Solidarität, Die weiteren Debatten brachten zum Ausdruck, daß die Gründung eines graphischen Verbandes nicht prinzipiell abgelehnt, aber für verfrüht erachtet wird. Zunächst müßten die Wege für diesen wichtigen Schritt der gewerkschaftlichen Entwicklung geebnet werden.
Unter den mehr als 200 Anträgen zur Statutenänderung, welche der neunzehnten Generalversammlung des deutschen Bergarbeiterverbandes zu Bochum vorlagen, befand sich auch der, entgegen den bis dahin geltenden Bestimmungen die Frauen als Mitglieder aufzunehmen. Daß der Verband den Arbeiterinnen verschlossen war, wurde damit zu rechtfertigen gesucht, daß von allen nationalen und internationalen Kongressen der Bergarbeiter das gesetzliche Verbot der Frauenarbeit auf den Gruben gefordert wurde. Die Gewerkschaften haben jedoch nicht die Macht gehabt, diese Forderung durchzusetzen. So muß der Bergarbeiterverband damit rechnen, daß die Arbeiterinnen bei den wirtschaftlichen Kämpfen eine Rolle spielen. Seine Aufgabe ist es in der Folge, die auf den Gruben ausgebeuteten Frauen aufzuklären, zu organisieren und als bewußte und opferfreudige Kampfesgenossinnen an die Seite der Zechensflaven zu stellen. Von der Dringlichkeit dieser Aufgabe überzeugt, beantragte der Verbandsvorstand die entspre chende Statutenänderung. Sie wurde in der Debatte von allen Rednern warm empfohlen und auch von der Kommission befürwortet, welche über die einschlägigen Anträge zu beraten und ihre Erledigung durch das Plenum vorzubereiten hatte. Der Antrag gelangte zur Annahme. Für die weiblichen Mitglieder sind- so= weit wir aus dem vorliegenden Bericht ersehen- teine besonderen Beiträge festgelegt worden, weil die Höhe der Beiträge für alle Mitglieder nach der Höhe ihres Verdienstes abgestuft ist. Sie beträgt für Mitglieder, die pro Schicht durchschnittlich unter 3 Mt. verdienen, 30 Pfennig wöchentlich. Die meisten Grubenarbeiterinnen dürften unter die Kategorie dieser Mitglieder fallen.
W. K.