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Die Gleichheit

weise zur Frömmigkeit und Rechtgläubigkeit angehalten werden. Auch das Vorrecht von Offizieren auf Störung des Gottesdienstes ist beachtenswert.

Das Zentrum verlor bei der Nachwahl im bayerischen Land­tagswahlkreis Günzburg über 400 Stimmen und das Mandat an den Bauernbund, der allerdings kaum minder reaktionär als die schwarze Partei ist.

Das französische Ministerium Gaillaug seht seine Het jagd gegen die Arbeiterorganisationen eifrig fort. Die Hauss suchungen in den Gewerkschaftsbureaus reißen nicht ab. Ein Streitbrecher, der einen Streifenden erstach, ist außer Berfolgung gesetzt worden er hat sich natürlich in Notwehr befunden. Der Gewerkschaftsführer Métivier wurde als Lockspitel der Regierung entlarvt er hatte sich schon unter dem Ministerium Clemenceau zu diesem sauberen Dienste anwerben lassen.

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Gewerkschaftliche Rundschau.

H. B.

Der Besuch der französischen Arbeiterbelegation in Deutschland erhielt eine weit über seine ursprüngliche Bestimmung hinausgehende Bedeutung durch die mächtige Demonstration der Berliner Arbeiterschaft wider die kapitalistische Kriegshezze. Im übrigen galt der Besuch der Delegierten ausschließlich dem Studium gewerkschaftlicher Einrichtungen. Die französischen Gewerkschaften, die diese Delegation herübergeschickt haben, stehen durch ihre grundsätzlichen Anschauungen wie ihre Tattit in schroffem Gegen satz zu der deutschen Gewerkschaftsbewegung. Ihre Theorie wie ihre Praris, die sie in nahe Beziehung zu unseren Lokalisten bringt, hat auf dem Boden der deutschen Arbeiterklasse nur schwach Wurzel gefaßt und würde Zentralverbände und Partei in Deutschland zu ihren Gegnern machen. Trotzdem sah die Vertretung der deutschen Zentralverbände, die Generalfommission, die französischen Gewerk­schafter gern bei sich zu Gaste. Sie tat dies in der Erkenntnis, der von Vertretern der Generalfommission auch Ausdruck verliehen wurde, daß die Verhältnisse der französischen Arbeiterbewegung nicht einfach mit dem Maßstab unserer deutschen zu messen sind, und daß die politische Vergangenheit und Entwicklung Frankreichs die gewerkschaftliche Organisation des französischen Proletariats bisher in ein anderes Fahrwasser drängen mußte. Für unsere fran zösischen Brüder, soweit sie als Syndikalisten die Befreiung des Proletariats ausschließlich von wirtschaftlichen Machtmitteln er hoffen und deshalb eine nähere Beziehung zu der politischen Dr. ganisation der Arbeiterklasse ablehnen, mußte daher ein Einblick in die deutschen Organisationsverhältnisse um so lehrreicher sein. Legien ging denn auch in seinem Vortrag besonders ein auf das enge und freundschaftliche Berhältnis unserer Zentralverbände mit der sozial demokratischen Partei. Und was für gute Früchte die Einheit von politischer und gewerkschaftlicher Bewegung trägt und welche Schlag­traft sie der deutschen Arbeiterbewegung verleiht, das mußte den französischen Kameraden besonders in der von Gewerkschaften und Partei gemeinsam veranstalteten Friedensdemonstration in der Nenen Welt in Berlin zum Bewußtsein kommen. Sonst haben unsere französischen Genossen den gleichen gewerkschaftlichen An schauungsunterricht genossen wie die zwei belgischen Arbeiterdelegas tionen vor ihnen. Sie besichtigten dieselben gewerkschaftlichen Ein richtungen und Bureaus. Dabei griff auch einmal der Polizeieifer fiörend ein, indem Genosse Yvetot im Verbandsbureau der Metall­arbeiter verhaftet werden sollte. Diese engen internationalen Bes ziehungen der Gewerkschaften, die von der deutschen Generalfoma mission in letzter Beit gepflegt werden, haben entschieden hohe prat tische Bedeutung. Nicht mehr auf gelegentliche Rorrespondenzen, nicht auf Berichte mit zahlenmäßiger Angabe über die Zahl der Mitglieder, der Streits usw., auch nicht auf gelegentliche Ronfes renzen beschränkt sich die Tätigkeit des internatinonalen gewert schaftlichen Bureaus, sondern sie erstreckt sich jetzt auch auf die Vers mittlung persönlichen Einblicks in die Organisationsformen der verschiedenen Länder und gewährt dadurch eine tiefere Erkenntnis der internationalen Arbeiterbewegung. Sicher haben unsere fran zösischen Rameraden eine richtigere Anschauung von der deutschen Gewerkschaftsbewegung und vor allem von der Notwendigkeit des Zusammenwirtens der politischen und gewerkschaftlichen Organi sation mit nach ihrer Heimat genommen. Dieser Anschauungs unterricht, dieser persönliche Austausch von Meinungen und Ers fahrungen wirft mächtig fördernd in der Richtung auf eine engere Berbindung der Arbeiterorganisationen der einzelnen Länder hin, durch die die Macht der internationalen Proletarierarmee immer mehr gesteigert wird.

Selbst in dieser sonst durch wirtschaftliche Konflikte wenig gestörten Jahreszeit fechten die Arbeiter heuer größere Rämpfe aus. Noch

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immer ringen die Hamburger Holzarbeiter in musterhafter Geschlossenheit um einen für sie und die ganze deutsche Gewert­schaftsbewegung bedeutungsvollen Preis, um den paritätischen Ar­beitsnachweis. Alle Vermittlungsvorschläge aus dritter Hand mußten fie bis jetzt ablehnen im Interesse des Ansehens ihrer Organisation, die diesen Kampf durchhalten wird.

Auf den Schiffswerften hat sich bereits wieder schwerer Konfliktsstoff aufgehäuft. Die Werstbesizer kommen den im Vor­jahr in den Berhandlungen geschlossenen Bereinbarungen nicht nach. Bergebens erhoben die Arbeiterorganisationen beim Verband der Metallindustriellen gegen diesen Vertragsbruch wiederholt Vorstel lungen. Eine Konferenz der Zentralvorstände und der Zentrals werftlommission beschloß eine Sammlung des Beschwerdematerials und forderte von den Werstbesitzern Rechenschaft über die Erfüllung der getroffenen Abmachungen. Eine große Versammlung der Ar­beiter beauftragte die Vertrauensleute, eine allgemeine Bewegung zu gegebener Zeit in die Wege zu leiten.

Die angedrohte große Aussperrung in der Glasindustrie wurde noch im legten Augenblick verhütet. Durch Verhandlungen fam eine Einigung zwischen Arbeitern und Unternehmern zustande. Hätten die Unternehmer gleich von Anfang an etwas Einsicht be fundet, so wäre auch der 20 wöchige Kampf in Rauscha vermie ben worden, der jetzt fast zum Anlaß für eine allgemeine Aussperrung geworden wäre.

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Schwere Kämpfe drohen in der Metallindustrie und haben zum Teil bereits eingesetzt. In Nürnberg stehen nunmehr 3000 Arbeiter der Spielwarenindustrie im Streit. Da die Einis gungsverhandlungen in der Thüringer Metallindustrie ge scheitert sind, hat der Verband Thüringer Metallindustrieller be schlossen, sämtliche Arbeiter auszusperren.

In der bergischen Metallindustrie sind die Arbeiter in Streit getreten, weil die Unternehmer ihre niedrigen Forderungen zurückwiesen. Bei 85 Firmen, die 2500 Arbeiter beschäftigen, waren Forderungen eingereicht worden. Die Bewegung dürfte einige taus send Arbeiter umfassen und führt vielleicht noch zu einer Aussper rung. Auch die Leipziger Metallindustriellen wollen gegen 10000 Arbeiter aussperren. Eine Aussperrung von gegen 8000 Arbeitern der Daimlerschen Motorenfabrik zu unters türkheim wurde nach einwöchiger Dauer durch Verhandlungen mit einem für die Arbeiter annehmbaren Ergebnis beendet.- Der Streit auf der Schichauwerft in Danzig dauert nun schon 17 Wochen. Alle Verhandlungen, auch die von bürgerlicher Seite angeregten, scheiterten an dem Starrsinn des Besitzers der Werft, ber 85 facher Millionär ist, sich aber nicht zu einer Erhöhung des 80 Pf. Stundenlohnes verstehen kann. Der Streit droht jetzt auch auf die Elbinger Werft überzugreifen, die betriebstechnisch mit der Danziger Werft in Verbindung steht. Eine von 3500 Ar­beitern besuchte Versammlung in Elbing sprach den Danziger Streifenden ihre Sympathie aus und beauftragte die Vertrauens. männer, weitere Maßnahmen zu beraten.

In der badischen Anilin- und Sodafabrik in Bud. wigshafen nimmt der Streit täglich an Ausdehnung zu. 2500 Arbeiter sind in diesem Riesenbetrieb bereits ausständig, und es ist nicht ausgeschlossen, daß weitere 7000 Arbeiter die Arbeit einstellen und dadurch den gesamten Betrieb lahm legen werden. Die Fabrik versuchte die ihr bis dahin treugebliebenen Arbeiter durch Lohnzus lagen von 6 Mt. pro Woche für die Zeit des Ausstandes an sich zu fesseln. Der angebotene Judaslohn versagte aber seine Wir tung. Die Arbeiter, die noch nicht am Streit beteiligt waren, ver weigerten die ihnen zugemutete Streifarbeit. Diefer Streil beleuchtet wieder einmal die berüchtigte Brutalität des Kapitalismus in der chemischen Industrie. Die Ausbeuter, die in dieser Industrie be sonders hohe Profite einheimsen, versagen den Arbeitern, die in den grauenhaften Gifthöhlen ihr Leben ruinieren, die geringste Ver besserung ihrer erbärmlichen Lage.

Sehnsucht nach dem Zuchthausgesetz ist die neueste Außerung christlichen Arbeiterverrats, die allerdings nicht weiter überrascht. Die polnische Ausgabe des" Bergknappen", Organ des christlichen Bergarbeiterverbandes, geifert in Nachäffung der Scharfmacher wider die Verhandlungen des Dresdener Gewerk schaftstongresses. Namentlich das fachliche Referat des Genossen Heinemann über die zufünftige Gestaltung des Koalitionsrechts nach der Neuregelung des Strafgesetzes erregte den Zorn des christs lichen Organs. Heinemanns Darstellungen werden als Fabeln be zeichnet und es wird verlangt, daß das zukünftige Strafgesetz energische Maßregeln vorsehe gegen den Terrorismus der sozia listischen wilden Horde". Chriftliche Gewerkschaftsführer und brutalste Scharfmacher ein Herz und eine Seele!

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