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Die Gleichheit
Stunde 22 Pf. und steigt jährlich um 3 Pf. pro Stunde bis zum Höchstlohn von 31 Pf. Plätterinnen erhalten einen Stundenlohn von 20, 25 und 30 Pf. Überstunden werden mit 5 Pf. Auf schlag bezahlt. Folgende„ allgemeine Bestimmungen" dürften noch von Interesse sein: Die Arbeitszeit beträgt an den ersten fünf Wochentagen 91% Stunden, an den Sonnabenden 8 Stunden. Es tritt keine Lohnkürzung ein bei Kontrollversammlungen und militärischen Gestellungsbefehlen, bei Leichenbegängnissen allernächster Angehöriger bis zu einem Tage. In Krankheitsfällen, die bis zu vier Wochen dauern, zahlt die Firma die Differenz zwischen Krankengeld und Lohn. Der Zahl der Jahre entsprechend, die die Arbeiter und Arbeiterinnen bei der Firma beschäftigt sind, erhalten sie jährlich Ferien, jedoch höchstens sechs Tage unter Zahlung des Lohnes. Nach jahrelanger zäher Kleinarbeit überzeugter Berufsgenossen tann man betreffs der Organisation der Plätterinnen sagen: Land in Sicht!" Jede, auch die kleinste Errungenschaft stärkt den Mut und hebt das Selbstvertrauen der Arbeiterinnen. Jede bedeutet einen fleinen Schritt vorwärts auf dem steinigen Pfade der Selbsthilfe durch die Gewerkschaft. Jede hilft die klare Einsicht in die wider sinnigen heutigen Zustände schaffen, die nötig ist zur Revolutionie rung der Köpfe, ohne die es keine Zukunft, keine Freiheit für die bedrückte Menschheit gibt.
Notizenteil. Dienstbotenfrage.
e. g.
Sommerreifen auf Kosten der Dienstmädchen. Regelmäßig zur Reisezeit treiben manche bürgerliche Blätter Blüten, die den Wohlgesinnten" lieblich duften mögen, die aber den Ausgebeuteten die krasse Selbstfucht der Besitzenden verraten. Das Thema„ Dienstboten", das jahraus jahrein für den erforderlichen Hausfrauenflatsch herhalten muß, wird dann besonders eifrig in der Presse diskutiert. In den Rubriken„ Sprechsaal"," Offentliche Meinung ", " Publikum" usw. werden da recht engherzige und gehässige Ansichten über die Dienenden vertreten; die Redaktionen der Blätter sind äußerlich zwar nicht dafür verantwortlich, aber meist billigen sie diese Ergüsse edler hausfraulicher Seelen. Daß man während der Ferienreise die Dienstboten behalten soll, hat einige Damen besonders erbost, die vielleicht ohne die Arbeit ihres Mädchens den Haushalt nicht 24 Stunden in Ordnung halten könnten. Im " Publikum" der Morgenpost" ließ eine Frau Dr. 2. geb. v. R." folgenden Schmerzensschrei los:„ Wenn man einen Dienstboten volle vier Wochen nicht braucht, so braucht man auch nicht Lohn und Kost für ihn bezahlen. Wenigstens glaube ich nicht, daß in meinen Kreisen mein Mann ist höherer Gerichtsbeamter- viele Familien so gestellt sind, daß sie für nichts Geld bezahlen. Die Dienstmädchen verlangen heute 25 Mt. Lohn und 2 Mt. Koftgeld pro Tag, die man sich von dem zur Reise nötigen Geld absparen muß."... In diesem Tone ging es eine halbe Spalte lang weiter, und bald rückten einige andere, Damen " an, die der Frau Dr. 2. sekundierten und so Gelegenheit fanden, auch ihre Einsichtslosigkeit öffentlich, aber anonym zu befunden. Was würde wohl die aufs Sparen bedachte Frau Dr. 2. geb. v. R. sagen, wenn der Staat nach ihrem Rezept handeln und ihrem Manne während der Zeit, in der er ihn nicht braucht"," auch nicht Kost und Lohn bezahlen" würde? Der Staat ist ebenfalls nicht so gestellt, daß er für nichts" Geld bezahlt. Wie sieht es überhaupt mit dem„ nichts" aus, für das die Herrschaften angeblich bezahlen müssen? Viele " gute Hausfrauen" richten es so ein, daß das große Reinemachen, Waschen, Ausbessern usw. in die Ferienzeit fällt, und daß das Mädchen sich allein damit abquälen muß. Besitzt aber die Hausdame" nach dem Schema der Frau Dr. 2. die als„ Geborene" ja selbstverständlich einen besonderen Anspruch auf die Hörigkeit ihrer Hausgehilfinnen zu haben glaubt die Verständnislosigkeit, ihre Dienstboten während der Ferienzeit zu entlassen, dann können deren Nachfolgerinnen gewiß sein, nachher doppelte Arbeit vorzufinden. Daß sie selbst ihr Gehalt weiter beziehen, betrachten diese Herr schaften als etwas Selbstverständliches. Die aus Sparsamkeitsrücksichten brotlos gemachten Dienstmädchen aber mögen sehen, wo sie bleiben. Vornehme Herrschaften leiden nicht unter den Nahrungs sorgen anderer, und der Kniff hilft die Kosten der Sommerreise tragen. Eigentlich ist das beliebte Verfahren bei höheren Beamten Betrug an der Staatskasse. Diese legt bei der Gehaltsberechnung die einzelnen wirtschaftlichen Positionen eines Haushaltsbudgets zugrunde, also find auch die Kosten des benötigten Dienstmädchens mit einbezogen. Es ist eine selbstsüchtige, verlumpte Moral, die
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Nr. 24
sich in der Stilübung der Frau Dr. 2. enthüllt. Daß bürgerliche Blätter, die sich gern mit ihrem sozialen Sinne" und ihrem" demokratischen Geiste" brüsten, derartige Einsendungen unwidersprochen zum Abdruck bringen, redet eine deutliche Sprache. Möchte sie von allen verstanden werden, die Dienende find oder einst Dienende J. K.
waren.
Vom Nürnberger Hausangestelltenverband. In der letzten Versammlung wurde zunächst der Kassenbericht vom zweiten Quartal gegeben. Danach betrugen die Einnahmen einschließlich eines Bestands von 466,61 Mt. 943,81 Mt. und die Ausgaben 574,64 Mr. An Krankenunterstüßung waren 44 Mt. ausgezahlt worden. Ge nofsin Grünberg hielt einen Vortrag über„ Kulturelle Fragen". Nach dem Referat tamen Mißstände zur Sprache, unter denen die Dienstmädchen zu leiden haben. So beschäftigt der Rathausmeister drei Dienstmädchen, die neben reichlicher Hausarbeit noch Fremdenführerdienste verrichten müssen. Obgleich die Mädchen durchaus keinen hohen Lohn erhalten, müssen sie das Trinkgeld für ihre Bemühungen gewissenhaft dem Rathausmeister abliefern. Der Herr scheut sich nicht, sich aus den Extradiensten seiner Hausangestellten zu bereichern. Leider gehören diese bis jetzt noch nicht dem Verband an. Die Frau eines Bankbeamten in der Tüchergartenstraße schlug das Dienstmädchen, als es seine Sachen aus dem unwirtlichen Hause holen wollte. Das Mädchen mußte schließlich seinen Vater nach Nürnberg rufen, um unter seinem Schut die Sachen ohne Gefahr fortschaffen zu tönnen. Wäre diese Haus angestellte organisiert gewesen, würde der Verband ihr rasch zu ihrem Eigentum verholfen haben, und die schlagfertige Dame hätte die Angeklagtenbank geziert. Wie tatkräftig der Hausangestelltenverband die Rechte seiner Mitglieder wahrt, zeigt folgender Fall. Einem organisierten Mädchen verbrannten im Hause der Herrschaft sämtliche Kleidungsstücke im Werte von über 100 Mt. Die noble Familie weigerte sich beharrlich, auch nur einen Pfennig des Schadens zu vergüten. Der Verband brachte die Sache vor Gericht und erreichte dadurch, daß die Herrschaft dem Mädchen 110 Mt. Schadenersah zahlen mußte. Die Hausangestellten können daraus lernen, welchen unmittelbaren Nuzen, abgesehen von dem ideellen Gewinn, ihnen der Zusammenschluß mit ihren Arbeitsschwestern bringt. +
Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.
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Ausbeutung der weiblichen Arbeitskraft in den schweize rischen Kleinbetrieben. Der Kanton Zürich hat seit 1894 ein leidlich vernünftiges Arbeiterinnenschutzgesey, das nament lich die jungen Ladenmädchen( die„ Ladentöchter", wie sie in der soll. Schweiz heißen) vor allzu brutaler Ausbeutung schützen Doch ebenso wie im monarchischen Deutschland übertreten in der republikanischen Schweiz die Unternehmer auf der Jagd nach Profit in Hunderten von Fällen frech das Gesetz. Darum mußte die Züricher Landesregierung eine Fabrikinspektorin eigens zu dem Zwecke ein sehen, die Durchführung dieses Gesetzes zu überwachen. Wie not wendig es ist, die jungen Lehrmädchen vor den Gesetzesverächtern zu schüßen, zeigt aufs traffeste der Jahresbericht der Inspettorin, Fräulein Albrecht Zürich. Er bildet eine einzige Anklage gegen das unersättliche Ausbeutertum. Die Inspektorin schildert, wie große Mühe sie habe, den Geschäftsinhabern in Stadt und Land begreiflich zu machen, daß alle Betriebe, die eine Arbeiterin oder eine Lehrtochter beschäftigen, unter das Gesetz fallen. Sie hatte gegen zahllose Drückeberger zu kämpfen, die glaubten, sie brauchten das Geseh nicht zu befolgen, wenn sie es nicht aus hängten. Noch mehr Schwierigkeiten macht die Durchführung des zehnstündigen Arbeitstages, nachdem er seit 17 Jahren gesetzlich in Geltung ist. Namentlich in den Kleinbetrieben, die nicht leicht kontrolliert werden können, zwingen die Unternehmer die Beschäftigten dadurch zu Überstunden, daß sie ihnen die Pausen stehlen, so daß die Lehrmädchen heimlich während der Arbeit ihr Vesperund Frühstücksbrot verzehren müssen. Bei einer Revision in diesen Kleinbetrieben tönnen die Unternehmer die Ausgebeuteten leicht in ihren Privatzimmern verstecken. In vielen Fällen hat die Beamtin dieserhalb Anzeige erstattet, aber sie tlagt lebhaft darüber, daß die Gerichte ganz wie bei uns allzusehr mit den Unternehmern liebäugeln und nur„ Strafen" aussprechen, die in gar Teinem Verhältnis stehen zu der Gesetzesverletzung. Durch solch milde Strafen werden, wie ein Wörishoffer schon vor Jahren in Deutsch land nachwies, die Unternehmer nur ermuntert, dreist und immer dreister die übertretungen fortzusehen. Ein Beispiel für viele: Gin Geschäftsinhaber zwang einige Arbeiterinnen zwei Wochen hindurch, jede Nacht bis zwölf Uhr und außerdem an beiden Sonntagen zu arbeiten. Mehrere Male mußten sie sogar die ganze Nacht durch
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