Nr. 26Die Gleichheit403Die sechste Konserenzder sozialdemokratischen Frauen. verschieden gearteten Verhältnisse wider, unter denen die IdeenDie Jenaer Tagung der Genossinnen war die erste, die seit dem studie alten Klagen wiederkehrten, die Genossen ließen es noch an derrichtigen Einsicht für die nötige Förderung der proletarischen Frauenbewegung fehlen. Die Ausführungen der Rednerinnen spiegelten dieorganisatorischen Zusammenschluß der proletarischen Frauenbewegung mit der sozialdemokratischen Partei stattgefunden hat, ivie ihndas Reichsvereinsgesetz möglich machte. Der innere Zusammenhang zwischen beiden Teilen der klassenbewußten Arbeiterbewegungist von Anfang an erstrebt, festgehalten und in steigendein Maßedurchgesetzt worden. Nur dadurch konnte die proletarische Frauenbewegung werden, was sie geworden ist, nur dadurch vermochte sieden Grad grundsätzlicher Klarheit, äußerer Erstarkung und praktischer Wirksamkeit zu erreichen, der sie auszeichnet. Dieser organische innere Zusammenhang zwischen ihr und der Sozialdemokratiehat auch wichtigste Vorbedingungen dafür geschaffen, daß die längstersehnte Eingliederung der Genossinnen in die Organisationen derPartei sich als der natürliche Abschluß eines Entwicklungsgangesglatt vollzogen hat, daß sie zum Ausgangspunkt eines nicht bloßungestörten, vielmehr eines gesteigerten Aufschwunges geworden ist.Wer noch daran gezweifelt hätte, daß die gemeinsame politischeOrganisierung von Frauen und Männern die äußere wie innereEntwicklung der proletarischen Frauenbewegung gefördert hat, daßdie gemeinschaftliche Arbeit der Genossinnen und Genossen in derPartei und für die Partei vermehrte Impulse und Gelegenheitenfür die Schulung und Betätigung der ersteren bedeutet: der mußt«durch den Verlauf der Frauenkonferenz eines anderen belehrt werden.Schön die Zahl der Teilnehmer ließ einen Rückschluß auf dieAusdehnung und Festigung der proletarischen Frauenbewegung zu:Dslegierle— darunter 4� Genossinnen—, außerdem S Beauftragte des Parteivorstandes, die Vertreterinnen des Frauenbureausund der Redaktion der„Gleichheit", Genossin Hanna als Delegierte des gewerkschaftlichen Arbeiterinnensekretariats und GenossinPopp-Wien, die Mandatträgerin der österreichischen Genossinnenund der Sozialdemokratischen Partei. Aus allen Gegenden Deutschlands war die Konferenz beschickt worden. Bezirke, wo noch vorwenigen Jahren der Glaube an die Möglichkeit einer proletarischenFrauenbewegung als freundliche Illusion belächelt wurde, hattentüchtige, arbeitseifrige Genossinnen entsendet. Die Wahl der Delegierten war ausnahmslos in Parteiversammlungen von den Genossinnen und Genossen gemeinsam erfolgt, ein Beweis für dasernste Interesse, das die Mitglieder ohne Unterschied des Geschlechtsunseren Beratungen entgegenbrachten. Was schon dieses äußere Umund Auf der Frauenkonferenz hervortreten ließ, das wurde danndurch ihre Arbeiten wahrhaft erhebend für jeden bestätigt, dem dieErkenntnis in Fleisch und Blut übergegangen ist, daß auch dieProletarierinnen berufen sind, am gewaltigen geschichtlichen Werkeder Befreiung ihrer Klasse zielklar und aufopfernd mitzuarbeiten.Die Eröffnungsrede der Genossin Zieh zeichnete wie ihrGeschäftsbericht sachlich und frisch ein Bild des blühenden,vorwärtsdrängenden Lebens der proletarischen Frauenbewegung.Di« klare grundsätzliche Auffassung, die die Betätigung der Genossinnen beherrscht, trat dabei ebenso rühmlich in die Erscheinung,wie ihre rastlose Arbeits- und Kampfesfreudigkeit, ihre nie versagende Opferwilligkeit. Der Überblick über das Wirken der vergangenen drei Jahre eröffnete gleichzeitig anregende, ermutigendeAusblicke auf die weitere Arbeit. So wurde der Boden trefflichfür die nachfolgenden Debatten vorbereitet. Auch bei ihnen gingdie Rechenschaft über das Gewirkte mit der Prüfung deffen Handin Hand, was fürderhin geschehen könne, geschehen müsse, um dieproletarischen Frauen in größerer Zahl der Sozialdemokratie zuzuführen, die Ideen des welterlösenden Sozialismus immer festerin ihrem Bewußtsein zu verankern.Nicht weniger als 21 Rednerinnen beteiligten sich an den Verhandlungen über diesen Punkt der Tagesordnung mit seinen Unter-abteilungen: Agitation, sozialdemokratischer Frauentagund Kinderschutzkommissionen. Schon diese Zahl allein bezeugt den brennenden Eifer, das Pflichtgefühl der Genossinnen,tätig die Entwicklung der proletarischen Frauenbewegung zu fördern.Auch mehrere Genossen griffen in die Diskussion ein, um die undjene Mitteilung zu bekräftigen, die eine oder andere Anregung zuunterstützen. Jedoch waren es die Ausführungen der Genossinnenselbst, die den Ton angaben, den Charakter der Verhandlungenprägten. Es siel dabei Helles Licht auf die rührige und umsichtigeTätigkeit der Genossinnen Zietz und Baader im Frauenbureau,wie nicht minder auf die treue Arbeit der Genossinnen in allenGegenden des Reiches. Fast durchgehend konnte von einem kameradschaftlichen Zusammenwirken der Frauen und Männer berichtetwerden, womit nicht gesagt sein soll, daß nicht von da oder dortat des Sozialismus unter die proletarischen Frauenmassen gestreut wird; sie zeigten die oft weit auseinandergehenden Wege,auf denen die Genossinnen zur Erfüllung ihrer Aufgabe schreiten;sie vermittelten gerade dank dieser Umstände eine wertvolle Mengepraktischer Fingerzeige und Ratschläge für die Agitation großenStils wie die stille Kleinarbeit.Zur Frage der Agitation wurde namentlich der Einfluß hervorgehoben, den die Stufe der wirtschaftlichen Entwicklung auf dasFortschreiten unserer Bewegung ausübt, wie dies in Baden, Württemberg und einzelnen Teilen Bayerns zutage tritt. Übereinstimmungherrschte darüber, daß die Zeit der jetzigen Hungerpreise, wie siedurch die Zoll- und Steuerpolitik des Reiches geschaffen, von derDürre des Sommers auf die Spitze getrieben worden sind, derAufklärung der proletarischen Frauen besonders dienstbar gemachtwerden muß, ebenso die Prellerei um das Recht der Mütter undSäuglinge, der Witwe» und Waisen, deren sich die bürgerlichenParteien— allen voran das Zentrum— bei der Gestaltung derReichsversichernngsordnung schuldig gemacht haben. Die diesbezüglichen Meinungsäußerungen wurden durch die Zustimmung zu derResolution der Berliner Genossinnen und Genossen über Mutter-und Säuglingsschutz und die Beteiligung an den Krankenkassenwahlen bekräftigt, wie durch die Annahme des Antragsder Genossin Baumann, kurz vor dem Zusammentritt des Reichs-tags Frauenvcrsammlungen zu veranstalten, in denen die Prole-tarierinnen ihre Stimme zum Protest gegen die herrschendenWucherpreise des Lebensbedarfs erheben und Aufklärung überdas Warum deS Notstands erhalten: die verbrecherische Politik derbürgerlichen Klassen. Der Parteitag ist bereits beiden Anregungenbeigetreten.Die Feststellung der außerordentlich günstigen Wirkungen, dieder erste sozialdemokratische Frauentag fast allerwärts gezeitigt hat, führten zu einem Antrag der Genossin Zetkin, daß dieDemonstration 1312 wiederholt werden soll. Den Zeitpunkt unddie näheren Umstände der Veranstaltung wird der Parteivorstandfestsetzen. Die Ausführungen über das Wirken der Kinderschutzkommissionen ließen Streiflichter auf die Tiefen proletarischenElends fallen. Sie bewiesen, daß hier ein Tätigkeitsfeld vorliegt,dem sich die Genossinnen mit größter Liebe und mit hervorragendemVerständnis widmen. Zu ihrem Bemühen, den proletarischen Kleinenden dürftigen Schutz des Gesetzes wider die Ausbeutung wenigstensungeschmälert zu sicher», tritt immer umfassender die Sorge, dieKinder vor Mißhandlung und Verwahrlosung zu bewahren und zudem letzteren Zwecke vorbeugend durch die Organisierung von Ferienspaziergängen, unterhaltenden und belehrenden Zusammenkünften usw.zu wirken. Selbstverständlich wurde nachdrücklichst ausgesprochen,daß mit all dieser Arbeit Hand in Hand der Kampf gehen mußfür die weitere Ausgestaltung des Kinderschutzgesctzes und alle jenekommunalen Einrichtungen, welche die Sozialdemokratie als Mittelgesellschaftlicher Fürsorge für das heranwachsende Geschlecht derWerktätigen fordert. Zur Frage lagen mehrere Anträge vor. DieKonferenz erklärte sich einstimmig für die Resolution der Stuttgarter Genossinnen, die von Genossin Duncker mit Wärme undSachkenntnis befürwortet ward, namentlich auch in dem Teil, dervon der Einführung des Handfertigkeitsunterrichts in denSchulen handelt. Gestrichen wurde der Schlußsatz des zweitenPassus, welcher die Genossen und Genossinnen ausforderte, derVerwendung von Kindern unter vierzehn Jahren in Parteibetrieben und insbesondere bei dem Austragen der Parteipresseunnachsichtlich entgegenzutreten. Es konnte festgestellt werden, daßdie Parteibetriebe sich nicht der Kinderausbeutung schuldig mache».Einstimmige Annahme fand auch der Antrag Groß-Berlins,den Kinderschutz und den Fortbildungsunterricht betreffend.Genossin Matschke hatte ihn wirkungsvoll befürwortet. Die Konserenz erhob des weiteren den Antrag zum Beschluß, der von den:Protest gegen die bevorstehende Reform des Strasrechts handelt,eine überzeugende Begründung dazu gab Genossin Juchacz.'Abgelehnt wurde der Antrag Stuttgart, die Fraueukonserenzenalljährlich tagen zu lassen, es soll bei dem jetzigen Modus bleiben.Es wäre ein beklagenswertes Anzeichen mangelnder geist.gerSelbsttätigkeit und Selbständigkeit, wenn nicht auch Meinungsverschiedenheiten zum Ausdruck gekommen wären. Anknüpfungspunkte für die Agitation, die von der einen Genossin eindringlichempfohlen wurden, erfuhren von anderen Rednerinnen abweisendeKritik. Aufgaben, die an dem einen Orte dringlich erschienen, hieltman in einem anderen Sitze der Bewegung für nebensächlich. Auch