Nr. 26 Die Gleichheit die Gewinnung weiblicher Parteimitglieder gearbeitet, daß deren Zahl von 267 auf S0« gestiegen ist. In einer öffentlichen Frauen- versammlung wurden nach einem Referat der Genossin Kähler- Berlin überLebensmittelwucher und Frauenpflichten" 2S Genos­sinnen der Partei zugeführt. Am Frauentag sprach Genossin Grünig-Kiel überDas Frauenwahlrecht " in einer Versammlung, der gleichfalls ein guter Erfolg beschicden war. Die Hauptfort­schritte sind aber der fortgesetzten Hansagitation zu verdanken, der sich eine Anzahl Genossinnen mit großem Eifer widmeten. Genosse Henschel-Kiel behandelte in fünf Frauenversammlungen das Thema:Die Frau und der Sozialismus". Seine Vorträge haben sehr viel zur Vertiefung der sozialistischen Auffassung unter den Frauen beigetragen. Zwölf Leseabende fanden während des Jahres statt. Sie waren gut besucht, aber ungeachtet dessen muß die Beteiligung der Genossinnen an diesen bildende» Veranstaltungen noch größer werden. Mehrere Genossen hielten an den Leseabendcn Vorträge. Genosse Hennig sprach über denZukunftsstaat", Ge­nosse Schneider an mehreren Abenden überGrundsätze und Forderungen der Sozialdemokratie", Genosse Kotzur überHeinrich Heine ". Die Vorträge wurden meist in der Form von Frage und Antwort gegeben und waren belehrend und anregend. Von der Kinderschutzkommission, der zwei Genossinnen angehören, ist in diesem Jahre leider nicht viel zu berichten. Auf dem Gebiet des Kinderschutzes gibt es aber so viel zu schassen, daß wir bestimmt hoffen, übers Jahr eine erfolgreiche Tätigkeit der Kommission ver­zeichnen zu können. Dem Jugendausschuß gehört eine Genossin an. Im neuen Jahre heißt es für die organisierten proletarischen Frauen Neumünsters: Frisch ans Werk! Jede, die Zeit hat, muß sich für die Agitation zur Verfügung stellen, wenn die Arbeit des nächsten Jahres von Erfolg gekrönt sein soll. Bei den kommenden Reichstagswahlen tue jede Genossin ihre Pflicht, damit am Wahl­tag der Sieg unser wird. Marie Carstens. Jahresbericht der sozialdemokratisch organisierten Frauen deS Herzogtums Braunschweig . Im Herzogtum Braunschweig dringt der sozialistische Gedanke immer mehr in die Köpfe der proletarischen Frauenwelt, wie die wachsende Zahl der weiblichen Parteimitglieder erkennen läßt. Nach dem Fall des allen Vereins­gesetzes, das den Frauen den politischen Zusammenschluß verbot, traten im Jahre ISW die ersten 400 Frauen der Partei bei. Die Zahl stieg 1909 auf 1127, 1910 auf 1397 und in diesem Jahre auf 17VS. 308 neue weibliche Mitglieder sind also im Laufe des Berichtsjahrs im Herzogtum Braunschweig gewonnen worden. Von den 170S organisierten Frauen und Mädchen entfallen auf die Stadt Braunschweig 130S, auf elf Ortsvereine des ersten Kreises mit 7 bis 50 Mitgliedern 230, auf vier Orte des zweiten Kreises 132, auf neun Vereine des dritten Kreises 35. Im ersten Kreis gibt es zwölf Parteiorganisationen, die noch kein einziges weibliches Mit­glied haben, und von mehreren Orlsvereinen des dritten Kreises gilt das gleiche. Dem sozialdemokratischen Verein der Stadt Braun­ schweig gehören im Verhältnis zu der dort vorhandenen großen Zahl erwerbstätiger Frauen und Mädchen verschwindend wenig organisierte Proletarierinnen an. Es wird Zeit, daß mehr für die Erweckung der Frauen getan wird. Durch Aufklärung im Familien­kreis könnte mancher Genosse zur Vermehrung der Zahl der Ge­nossinnen beitragen. DieGleichheit" hat in der Stadt Braun« schweig 3S0, in zwei Nachbarorten 4 und 23 Abonnenten. Zählt man jedoch die Exemplare hinzu, die die weiblichen Mitglieder des Transport-, des Fabrik- und des Texlilarbeiterverbandes erhallen, so ergibt sich ein bedeutendes Mehr. Der zweite Kreis hat 88, der dritte sGleichheit"leserinnen. Am Frauentag fand in der Stadt Braunschweig in zwei Lokalen je eine Versammlung statt, in denen »ine auswärtige Genossin sprach. Außerdem wurden im Laufe des Jahres drei Versammlungen«inberufen, die hauptsächlich für Frauen bestimmt waren. In ihnen referierten die Genossinnen Zieh, Zetkin und Gewehr. Ferner wurden mehrer» öffentliche wie Mit­gliederversammlungen abgehalten, die recht aufklärend wirkten. Leider war die Zahl der Frauen gering, die ihnen beiwohnte». Daran hat wohl einesteils der Umstand schuld, daß noch immer das Volkshaus fehlt, daß keine Säle vorhanden sind, in denen für alle Mitglieder ein Sitzplatz vorhanden wäre. Während des Winters fanden wie im Vorjahr allwöchentlich Frauendiskutierabende statt, die im Sommer nicht weitergeführt werden können, weil dann viele Genossinnen in der Konservenindustrie beschäftigt sind. Auch an diesen Veranstaltungen könnten mehr Genossinnen teilnehmen. Sie werden durch ihre Anwesenheit nicht zum Diskutieren gezwungen, sondern können an den Diskutierabenden als ZuHörerinnen teil­nehmen, ebenso wie früher an den Versammlungen des Frauen­bildungsvereins. Im Landkreis fanden am Frauentag eben­falls Versammlungen statt. Mit öffentlichen und Mitgliederversamm­lungen wurde auch dort nicht gekargt. Nach den Kreisberichten haben die unpolitischen Jugendorganisationen, in denen die jugend­lichen Arbeiter und Arbeiterinnen mehrerer Städte des Herzogtums zusammengeschlossen sind, nicht unerhebliche Fortschritte gemacht. Hoffentlich schreitet ihre Entwicklung ruhig und stetig weiter, trotz Versammlungsauflösungen und sonstigen Schikanen der Polizei. Ida Rauhe. Politische Rundschau. Deutschland im Brotwucher voran! Die vielgepriesene nationale Wirtschaftspolitik beschert dem deutschen Volke in den Zeiten der Teuerung der Kartoffeln und des Gemüses und der drohenden Ver­schärfung der dauernd gewordenen Fleischteuerung nun auch noch das Steigen des Brotpreises. Dabei ist die Getreideernte gut ausgefallen die Dürre, die Kraut und Gemüse verbrannt hat, vermochte dem Roggen und Weizen nicht zu schaden. Aber die so­genannten Einfuhrscheine, die in Wirklichkeit Ausfuhrprämien von 60 Mk. für die Tonne ausgeführten Getreides sind, machen die Ausfuhr zu einem guten Geschäft. So wurde deutscher Roggen nach dem Ausland ausgeführt, bis der künstlich herbeigeführte Mangel an Roggen in Deutschland gestattete, den Preis in die Höhe zu treiben, so daß er hier um den vollen Betrag des Zolles, nämlich um 60 Mk. pro Tonne, höher steht als im Ausland. Während der Deutsche teuren Preis für das Brot wird zahlen müssen, wird im Ausland mit dem durch die Ausfuhrprämie ver­billigten deutschen Roggen das Vieh gefüttert! Die deutschen Bundesregierungen denken nicht daran, dem kom­menden Unheil vorzubeugen. Soweit sie einen Notstand anerkennen, ist es nur der der Landwirte. Dagegen suchen sie allerlei unzuläng­liche Mittelchen hervor, zu durchgreifenden Maßregeln, wie Auf­hebung der Zölle für Viehfuttermittel, können sie sich auch hier vicht entschließen, weil die großen Grundbesitzer Futtermittelverkäufer sind. Doch scheint für ein Getreide, das freilich in Deutschland nur wenig gebaut wird, Zollerleichterung geplant zu sein für den Mais. Und zwar deshalb, weil der Mais als Ersntzrohstoff bei der Brannt­weinbrennerei dienen könnte. Die Interessen der Schnapsjunker müssen in erster Linie berücksichtigt werden. Außerdem werden den landwirtschaftlichen Genossenschaften größere Summen aus staat­lichen Bankinstituten oder unmittelbar aus der Staatskasse zu sehr niedrigem Zinsfuß geliehen, um den Landwirten de» Ankauf von Futtermitteln zu erleichtern. Diese Liebesgabe nimmt sich besonders schön aus gegenüber der Tatsache, daß dieselben Regierungen den Konsumvereinen, durch die sich die Arbeiter den Ankauf von Lebens­mitteln zu erleichtern suchen, mit Umsatzsteuern das Leben schwer zu machen suchen! Wie die Proletarier und die kleinen Leute sich durch den Winter hungern werden, das macht den Herren in den Ministersesseln offenbar gar keine Sorge. Von der Öffnung der Grenzen, von der Aufhebung der Zölle, die die allgemeine Teuerung für Deutschland um ein Beträchtliches gegen das Ausland verschlimmern, ist keine Rede. Indes iverden die Herren nicht darum herumkommen, vor der Öffentlichkeit zu erklären, welche erleuchteten Gründe sie für diese Untätigkeit angesichts drohender Not haben. Die sozialdemo­kratische Reichstagssraklion hat auf dem Parteitag zu Jena be­reits beschlossen, in der Herbstsession des Reichstags sofort die Forderungen des Volkes in Gestalt einer Interpellation auf die Tagesordnung des Parlamentes zu bringen. Einen leichten Vorgeschmack von den Verheerungen, die ein Krieg im Erwerbsleben anrichten würde, haben einige schwarze Tage an der Berliner Börse gegeben. Zweimal innerhalb kurzer Frist haben Gerüchte von einer Verschlimmerung des Standes der Marolkoangelegenheit Paniken unter dem Börsenpublikum zur Folge gehabt; die Kurse wichen, die Inhaber der betroffenen Werlpapiere haben Millionen Mark verloren. Eine Anzahl kleinerer Bankiers hat Bankrott gemacht, einige ruinierte Spekulanten nahmen sich das Leben. Freilich hat, namentlich an dem ersten Schreckenstag, nicht die Kriegsgefahr allein diese Kursstürze herbeigeführt. Sie gab nur den letzten Anstoß. Der Kursrückgang wäre auch ohne das Marokkoabenteuer eingetreten, nur vielleicht nicht so schroff. Die Spekulation halte den Kurs der Papiere zu hoch getrieben in Erwartung des Aufstiegs der wirtschaftlichen Konjunktur. Der Auf­stieg geht diesmal aber sehr langsam vor sich, so daß die zu den hohen Kursen angekauften Jndustrieaklien noch nicht die diesem Preise entsprechende hohe Dividende bringen. Die Reichsfinanz­reform mit ihren schädlichen Folgen hat auch auf eine Verlang­samung der Belebung der Wirtschaftslage hingewirkt. Die Kriegs­gefahr kommt nun als weitere Hemmung dazu. Die Unsicherheit, die das lange Hinziehen der Verhandlungen und das Schweigen