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Die Gleichheit

lismus" brüstet. Es war der hessische Landesverein, der beantragte, die Forderung des allgemeinen Wahlrechts für beide Geschlechter durch folgenden Bassus zu ersetzen: Der Verband erstrebt volle Staatsbürgerrechte für alle Frauen." Das war der reine Kautschut. Die unveränderte Fassung des§ 3 fand zwar einige Fürsprecherinnen, allein sie waren matt wie Frau Breitscheid  , in der Gewißheit, eine verlorene Sache zu verteidigen. Am entschiedensten wendete sich noch Frau Lindes mann Stuttgart   gegen den hessischen Antrag. Sie erklärte, daß in Württemberg   niemand wagen würde, gegen das allge meine Wahlrecht zu sprechen. Um zu retten, was bei der un­demokratischen Gesinnung der meisten Delegierten noch zu retten war, stimmte schließlich auch die Linke" Frau Breitscheid  inbegriffen für den Antrag des bayerischen Landes­vereins, das allgemeine, gleiche, geheime und direkte Wahl­recht nicht mehr für beide Geschlechter zu fordern, sondern nur für die Frauen allein.

Der Mangel jeglicher geschichtlichen Einsicht ließ bei den Debatten über die Statutenänderung das offene Wort sprechen: " Da uns die Sozialdemokratinnen fern bleiben, ihre Partei­politik und ihren Klassenhaß höher stellen als das Frauen stimmrecht, müssen wir uns mehr an die rechtsstehenden Frauen wenden und unter ihnen zu refrutieren suchen." Freilich dürfte es mit diesem Rekrutieren von rechts her auch noch seinen Hafen haben. Es bestehen in Deutschland   bereits Frauenstimm rechtsvereine, denen auch die Forderung des allgemeinen Frauen wahlrechts noch viel zu weitgehend und radikal" ist, die weises Maßhalten" predigen, indem sie nur das Frauenwahlrecht über­haupt begehren, das heißt das Damenwahlrecht. Diese ge­mäßigten Organisationen werden sich auch nach der Statuten änderung dem Verband kaum anschließen. Das würden sie nur tun, wenn die Generalversammlung das allgemeine Wahl­recht ganz über den Haufen gerannt hätte. Aber das wollte und konnte die Tagung für diesmal noch nicht tun. Es muß für den Verband auch Zukunftsaufgaben geben!

Doch die Frauenstimmrechtsdamen haben nicht genug an einem Riß in ihrem Lager. Noch ein zweiter geht hindurch, und zwar zwischen den Verbandsmitgliedern, die politischen Parteien angehören, Männerparteien" lautet neuerdings der schöne Ausdruck dafür, und den waschechten Frauenrechtlerinnen, deren Grundsätze nur eine einseitige Vertretung von Frauen interessen" außerhalb aller Parteien zulassen. Die Generalver­sammlung hatte sich mit dieser Frage zu befassen, die in zwei Referaten nebst anschließender Diskussion behandelt wurde. Es liegt auf der Hand, daß innere verbindende Fäden zwischen der Auffassung in dieser Frage und der Stellungnahme zum Wahl­recht bestehen. Für die Mitarbeit der Frauenrechtlerinnen in den politischen Parteien sprach Frau Breitscheid   Berlin  . Sie schickte ihrem Referat angstvoll die Bemerkung voran, daß sie hier nur als Frauenstimmrechtlerin rede. Ein feiner Taft" gehört nach ihr dazu, es fertig zu bringen, daß die partei politischen Anschauungen nicht mit der Überzeugung der Frauen stimmrechtstämpferin verquickt werden und in Konflikt kommen. Der Grundgedante ihres Vortrags war dieser: Durch die Frauen­stimmrechtsvereine werden die Frauen überhaupt erst zum Nach denken über politische Fragen und die Parteien geweckt und haben dann den Parteien beizutreten, und durch die Parteien erlangen sie schließlich das Stimmrecht. Alle Parteien müßten durch die Frauen für das Wahlrecht des weiblichen Geschlechts gewonnen werden, und je eifriger diese mit den Männern zu sammenarbeiteten, desto eher fämen sie an ihr Ziel. Täuschen wir uns aber über die politischen Männerparteien- so meinte Frau Breitscheid   zum Schlusse, so verlassen wir sie einfach wieder. Auf den ihr später gemachten Einwurf, wie sie es sich vorstelle, daß eventuell die Frauen in corpore aus den Männer­parteien" austreten könnten, ist sie allerdings die Antwort schuldig geblieben. Der feine Taft", mit dem sie einerseits Frauen aller politischen Parteien an die Frauenstimmrechts­organisationen zu fesseln gedenkt, andererseits ihren demokra tischen Standpunkt verfechten will, der feine Tatt", der sie heute in die Männerparteien" treibt und morgen vielleicht

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wieder austreten läßt: dokumentiert auf das glänzendste die politische Zerfahrenheit der bürgerlichen deutschen   Frau. Vier Seelen wohnen, ach, in meiner Brust", so variiert sie wahr­scheinlich Goethes Faust.

Die Korreferentin, Fräulein Heymann, zog von ihrem Standpunkt engbrüftiger Frauenrechtelei aus mächtig gegen die Mitarbeit der Frauen in den politischen Parteien vom Leder und noch mächtiger gegen die Herren der Schöpfung überhaupt. Sie fennt zwar nur die bürgerlichen Parteien, und die Sozialdemo fratie ist ihr ein Buch mit sieben Siegeln geblieben, aber trotz­dem ließ sie an feiner Partei ein gutes Haar. Einen Ehren­punkt gibt es ihrer Meinung nach im parteipolitischen Leben der Männer der ganzen Welt nicht. Das Einigungsprogramm der Fortschrittlichen Volkspartei   verulfte sie nach allen Regeln der Kunst, die Männeken Pachnicke, Hoff, Payer, Haußmann, vor allen Dingen aber Rosenow   hätte fein Sozialdemokrat in ihrem Verhalten zur Frauenfrage besser tritisieren können. Geht nicht in die Männerparteien!" rief Fräulein Heymann mit Emphase aus. Ich kenne sie! Da verkümmern, verderben eure reinen mütterlichen Instinkte, da lernt ihr nur Unedles, Unschönes. Studiert lieber Geschichte, lernt euch fonzentrieren. Unsere Arbeit nehmen diese Männer an, unsere Gelder, uns geben sie nichts. Wenn man sie fennen lernt, schwindet ihr Nimbus. Wir müssen uns alles selbst erkämpfen." Dann wies sie auf England hin, dort wären die politisch organisierten und tätigen Frauen wie die vornehmen Damen der Primerose League und andere die Schädlinge der Frauenstimmrechtsbewegung. Dann folgten die bekannten Tiraden gegen die Sozialdemokratie, die das Frauenstimmrecht in Belgien   und Österreich   verraten hätte. Für diese Behauptung wurde Fräulein Heymann später von einem Verbandsmitglied gehörig zugedeckt, was sie aber - da es ihr schon öster dafür widerfahren ist nicht abhalten wird, die ollen Kamellen auch fünftig wieder aufzuwärmen. Unter Beifalls- und Mißfallstosen schloß die aufrechte Männerfeindin.

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In der Diskussion wurde hervorgehoben, daß der Welt­bund für Frauenstimmrecht", dem der deutsche Verband an gehöre, nur das Frauenstimmrecht und keine besondere Art des Wahlrechts fordere, mithin sich abseits von allen Männer­parteien" in strenger Neutralität und Selbständigkeit halte. Dieses erhabene Vorbild und die Logik der Beweisführung leuchteten den Damen offensichtlich ein. Frau Voß und Fräu­lein Dr. Schirmacher befürworteten die Gründung besonderer politischer Frauenvereine. Die Diskussion endete ohne Be schlußfassung. Vorher hatte noch die rabiate Walküre under­fälschten Germanentums mit dem polnischen Namen man kann nicht vorsichtig genug in der Wahl seiner Vorfahren sein, einen tollen sogar wenn man Fräulein Lischnewska heißt! Ritt durch die Wolfen ihrer Konfusionen und Illusionen unter­nommen. Die genannte Dame belferte dabei gegen die Sozial­demokratie im allgemeinen, gegen die sozialistische Frauenbewegung im besonderen. Wie fern sie mit Verständnis und Gefühl den kämpfenden Massen steht, bewies ein Ausspruch, der festgenagelt zu werden verdient:" Bei allen denkenden Individuen steht fest, daß die Politik nicht in der Hasenheide, nicht im Treptower Park gemacht wird." Fräulein Lischnewska, wo ist Ihre Ge­schichte? Haben Sie das Jahr 1848 so ganz vergessen, wo die " Politik der Hasenheide" die glorreiche Flucht des glorreichen Prinzen von Preußen brachte? Die Januarnacht des Jahres 1907, wo ein Kaiser und sein Handlanger es nicht verschmähten, Poli­tit" für die Straße zu machen? Zur umstrittenen Frage nannte Fräulein Lischnewsta alles feige, was nicht in die politischen Parteien ginge, wenn sie auch selbst bezeugen müsse, daß dort jammervolle Zustände" herrschen. Das stimmt bis aufs Tüpfelchen über dem i für die Partei der Liberalen, der die Dame dient.

Die übrigen Verhandlungen der Generalversammlung fanden in geschlossenen Delegiertensitzungen statt. Es ging dabei um das Verbandsorgan, die Zeitschrift für Frauenstimm­recht", und die Wahl des neuen Vorstandes. Bittere Kämpfe spielten sich hinter den Kulissen ab, bei denen sich hauptsächlich " Preußen und Süddeutsche" gegenüberstanden. Was das Verbandsorgan anbetrifft, so soll es von Frau Cauers Frauen­