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Die Gleichheit
Gewerbe. Dabei mußten selbstverständlich die Konsumvereine wieder einmal herhalten. Während alle Welt bei der gegenwärtigen Teuerung zugesteht, daß unsere Händler ihrer Aufgabe nicht gewachsen sind und daß wir Konsumentenorganisationen dringend nötig haben, um bei den Verteuerungen auch einen regulierenden Faktor zu besitzen, haben die Mittelständler die Dreistigkeit, wieder einmal gegen die Konsumvereine zu hetzen. Da sie sich einen schlechteren Zeitpunkt wirklich nicht aussuchen konnten, wird das Geschrei hoffentlich wirkungslos bleiben. Der unvermeidliche Herr Hammer protestierte dagegen, daß er eine Sonderbesteuerung beabsichtige, er wolle die Konsumvereine nur ebenso besteuern wie die Gewerbetreibenden. Dabei verschweigt der gute Mann, daß schon heute für die Konsumvereine dieselben Rechtsgrundsäße gelten wie für die Gewerbetreibenden und Händler. Nur die festen Rabatte bleiben bei den Konsumvereinen genau wie bei den Händlern unversteuert. Im übrigen zahlen sie sehr reichlich Steuern.
Notizenteil. Frauenstimmrecht.
H. F.
Die Einführung des Frauenwahlrechts in Kalifornien wurde auch von den sozialistischen Frauen, nicht nur in Kalifornien selbst, sondern im gesamten Gebiet der Vereinigten Staaten mit dem größten Jubel begrüßt. Abgesehen davon, daß wir uns jedes sozialen Fortschritts freuen, einerlei von wem er errungen wurde, hat dieser Sieg der Frauen gerade für unsere Sache noch eine besondere Bedeutung. Kalifornien ist, sowohl landwirtschaftlich wie industriell, der hervorragendste Staat westlich vom Mississippi . Jm Gegensatz zu den fünf anderen Staaten Wyoming , Kolorado , Utah , Idaho und Washington, die bisher das Frauenwahlrecht einführten, hat Ralifornien feine überwiegend männliche Bevölke rung, sondern die Bevölkerung besteht ungefähr zur Hälfte aus Frauen. So wurden in Kalifornien mit einem Schlage mehr Frauen politisch emanzipiert als in den übrigen fünf Staaten zufammen. Einen großen Prozentsatz dieser neuen Bürgerinnen aber bilden die erwerbstätigen Frauen. In Handel und Industrie und Landwirtschaft, besonders in der hochentwickelten Obst zucht Kaliforniens , find Tausende und aber Tausende von Frauen beschäftigt. Diese arbeitenden Frauen haben nun- insofern sie überhaupt die nötigen Qualifikationen zur Ausübung des Bürgerrechts besitzen im Stimmzettel die nämliche Waffe zur Verteidigung ihrer Interessen wie die männliche Arbeiterschaft. Es kommt für sie fortan nur noch darauf an, diese mächtige Waffe richtig zu ge= brauchen, um schon im Verlauf von wenigen Jahren ihre Lage zu verbessern. Das männliche Proletariat Kaliforniens ist für ameri kanische Verhältnisse besonders fortschrittlich. Mehrere große ge= werkschaftliche Organisationen haben dort eine nicht zu unterschätzende Wacht erlangt, die sie schon einige Male bei wirtschaftlichen Kämpfen mit Nachdruck geltend machten. Dieser organifierten Arbeiterschaft haben die Frauen Kaliforniens nicht zum mindesten ihren Sieg zu verdanken, denn sie trat von Anbeginn für die Annahme der Verfassungsänderung zugunsten des Frauen stimmrechts ein. Während fapitalistische Organisationen, Fabrifantenvereine und dergleichen mehr, die Frauenrechtlerinnen mit allen Mitteln der Reaktion bekämpften, verging kaum ein Tag, an dem nicht in Arbeiterversammlungen oder in den Geschäftssitzungen der Gewerkschaften Resolutionen für das Frauenstimmrecht zur Annahme gelangten; die Gewerkschaften betrieben eine sehr rührige Agitation für die politische Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts. Die Arbeiterschaft, die den Frauen ihren politischen Sieg erringen half, wird auch die Arbeiterinnen organisieren und sie lehren, mit der Macht des Stimmzettels Siege zu erringen. Hier liegt also gerade für die sozialistische Agitation ein großes und fruchtbares Betätigungsfeld vor, und man kann dessen gewiß sein, daß unsere Genossen und Genossinnen an der Küste des Stillen Ozeans es mit Eifer und Einsicht bestellen werden. Hat doch während der letzten Jahre die sozialistische Partei in Kalifornien einen bedeutenden Aufschwung genommen, und gerade sozialistische Frauen haben dort schon vortreffliche Agitations- und Organis sationsarbeit geleistet. Man kann also während der kommenden Jahre mit gespanntem Interesse auf die politische Entwicklung Kaliforniens blicken. Wir glauben zuversichtlich, auch die kalifornischen Frauen werden, wie schon die Frauen anderer Staaten, das alte Argument glänzend widerlegen, daß die Frau ihr politisches Recht nur im Interesse der Reaktion ausübt. Meta L. Stern, New York . Für das Frauenstimmrecht für den Kirchenrat der Augsburgischen Konfeffion in Elsaß- Lothringen hat sich das Ober
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konsistorium dieser Kirche mit 14 gegen 7 Stimmen erklärt. Mit 13 Stimmen wurde der Passus gestrichen, daß die weiblichen Mitglieder des Kirchenrats nicht mehr als ein Drittel betragen sollten. 19 Männer waren dagegen, daß die Frauen auch den Konsistorien und dem Oberkonsistorium angehören dürften. Elsaß- Lothringen ist der erste deutsche Bundesstaat, in dem das Kirchenwahlrecht für die Frauen eingeführt werden soll. Die Regierung des Landes ist einstweilen noch gegen die Beschlüsse des Oberkonsistoriums. Sie fürchtet, daß ihre Verwirklichung den Kampf für die Eroberung des politischen Frauenwahlrechts finden werde.
Sozialistische Frauenbewegung im Ausland.
I. K. Die zweite Jahreskonferenz der deutschen Genosfinnen in den Vereinigten Staaten hat fürzlich in Elizabeth, New Jersey , getagt. Es nahmen Delegierte der verschiedenen Zweigorganisationen an ihr teil, die früher in dem sozialistischen Frauenverein zusammengeschlossen waren und nun der Sozialistischen Partei angegliedert sind, außerdem die Genossen Ostland, Rönneburg und Lore als Vertreter des Agitationsfomitees der deutschen Genossen für den Staat New York und Genossin Romm als Redakteurin der Frauenseite der„ Volkszeitung". Zweck der Konferenz war die Beratung über Mittel und Wege, die Agitation unter den Frauen und zumal unter den Hausfrauen zu fördern. Die Berichte der Zweigorganisationen ergaben leider kein Bild einheitlichen Fortschrittes der sozialistischen Frauenbewegung, soweit es sich um die Deutsch sprechenden Genossinnen handelt. Einige konnten recht gute Erfolge melden, seitdem sie sich unmittelbar der Partei angeschlossen haben, andere flagten über große Gleichgültigkeit gegen ihre Bestrebungen; die beiden größten Sektionen des ehemaligen Sozialistischen Frauenvereins, Newart und East New York , sind eingegangen, ohne daß die betreffenden Parteiorganisationen einen Zuwachs an weib lichen Mitgliedern erhalten haben. Von gutem Erfolg konnte Ge nossin Schneppe in ihrem Referat über Frauentag und Frauen stimmrecht berichten. Die Konferenz nahm dazu eine Reihe von Anträgen an, welche eine noch regere und systematische Beteiligung der Deutsch sprechenden Genoffinnen an dem Frauentag fordern, die einheitliche Abhaltung des Frauentags in den Vereinigten Staaten am 28. Februar, die Unterstützung einer Petition der Partei für die Einführung des Frauenwahlrechts, die Verteilung von ents sprechenden Flugblättern usw. Über Agitation und Organisation sprach Genossin Ostland und gab mancherlei neue Anregungen für die Praxis. Die Konferenz beauftragte das Agitationstomitee mit Versuchen, die eingegangenen Zweigorganisationen wieder ins Leben zu rufen; sie befürwortete die Veranstaltung von Leseabenden zur Schulung der Genossinnen und zur Ausbildung von Rednerinnen; sie empfahl den Zweigvereinen die Gründung von Bibliotheken kleiner Bücher und Broschüren. Ein dreigliedriges Komitee, bestehend aus den Genossinnen Schneppe, Lore und Henry, soll Genoffin Romm in der„ Volkszeitung" durch Mitarbeit unterstüßen. Genossin Murdorts wurde als internationale Korrespondentin gewählt. Um die Arbeiten der nächsten Jahreskonferenz zu erleichtern, sollen Anträge usw. vorher dem deutschen Frauenagitationskomitee eingesendet werden. Den fozialistischen Sonntagsschulen und ähnlichen Einrichtungen sowohl der Deutsch wie der Englisch sprechenden Genossen wurde eifrige Förderung zugesichert. In tiefer Ergriffenheit hatte die Konferenz der verstorbenen Vorkämpferin Johanna Greie- Cramer gedacht. Mit dem begeisterten Gelöbnis, in alter Treue mit frischem Mute weiterzuarbeiten, trennten sich die Delegierten.
Frauenbewegung.
Die erste Konferenz zur Berufsberatung der weiblichen Jugend hat in Berlin getagt. Aus vielen fleinen Flicken will man ein größeres Flickwerk zusammennadeln, und das soll einer traurigen sozialen Erscheinung abhelfen, die tief im Wesen der bürgerlichen Ordnung verwurzelt ist. Das ist der Sinn des Ergebnisses dieser Konferenz, der es nicht an Tamtam gefehlt hat. Die Auskunftsstellen bürgerlicher Frauenvereine und sogenannter gemeinnütziger Vereinigungen sollen zu einem Verband von Austunftsstellen zusammengeschlossen werden.
Das Hauptreferat über die Grundsäge einer gemeinnüßigen Berufsberatung erstattete Frau Levy- Rathenau, welche fol= gende Thesen begründete:„ Die Berufsberatung des weiblichen Ges schlechtes muß Frauen aller Altersstufen und aller Stände umfassen. Die schulentlassene Jugend, der zumeist der Rat weitblickender Mütter und der Einfluß der Berufstradition fehlt, bedarf verständnisvoller Führung, die ihr die rechten Wege für die Be