116Die GleichheitNr. 8Arbeitern einen Zuwachs an Rechten und Macht gönnenWürden.Die Art und Weise, wie der„Linksliberalismus" den berühmten Kampf nach zwei Fronten führt, schließt jedenZweifel darüber aus, daß die Weichen seiner Entwicklungnach rechts gestellt find. Was besagen alle Eidesschwüre,welche die um Fischbeck, Wiemer und Payer unter demZwange unentbehrlicher sozialdemokratischer Stichwahlhilsefür die Heiligkeit der Koalitionsfreiheit ablegen, angesichtsder Tatsache, daß im sächsischen Landtag fortschrittliche Volksparteiler dazu gehetzt haben, daß die Reform des Strafrechtszu einem Ausnahmegesetz gegen die kämpfenden Arbeiterorganisationen zurecht gehämmert werde? Schwärmt nichtfür die weitere„Ausgestaltung" des Heeres die„FrankfurterZeitung", die sich so gern damit brüstet, eine Vorkämpferinsozialer Reformen und der Demokratie zu sein? Und triefendie Versammlungsreden und Flugblätter der Naumann �Cie. nicht von mordspatriotischen, imperialistischen Phrasen,glühen sie nicht vom Bewilligungseifer der Herren fürRüstungszwecke, von ihrer Begeisterung für den Kolonialschwindel, der die elementarsten Rechte fremder Völkerschaftenlinier die Füße tritt, um die deutschen Werktätigen besserund länger ausbeuten und knechten zu können?Bürgerliche und proletarische Politik stehen im Neichs-tagswahlkampf so schroff gegeneinander wie die unüberbrückbaren Klassengegensätze selbst, die ihr Nährboden find. Dadie Politik des Imperialismus mit ihrem Rüstungswahnsinn und ihrer Kriegsgefahr, mit dem Steuer- und Zollwucher, mit dem Stillstand der Sozialreform und der Knebelung der Koalitionsfreiheit, mit der Verweigerung demokratischer Rechte für die Massen und der Stärkung der persönlichen Negiererei. Hier die Politik des Sozialismus, diesich dem allem mit breiter Brust entgegenstemmt und imKlassenkampf grundsätzlich für eine gerechte Verteilung derSteuerlasten und eine vernünftige Wirtschaftspolitik, füreine durchgreifende Sozialreform und das unbeschränktepolitische Recht der Massen streitet und Militarismus undVölkerverhetzung mit ihrem Gefolge ägyptischer Plagen durchdie Betätigung der internationalen Solidarität der Ausgebeuteten überwinden will.Aber auch die politischen Waffengänge zwischen Beherrschten und Herrschenden erhalten heute ihre Schärfe wenigerdurch die einzelnen Forderungen, die dabei in den Vordergrund treten, als durch die Machtstärkung, die für das Proletariat auf dem Spiele steht. Denn kein Säbelrasseln, keinBitten und Beten kann verhindern, daß der Geschichte ewigesMuß sich erfüllt, daß sich der Sieg je länger je unvermeidlicher dem Proletariat zuneigt, dieweil„der Herrgott nochimmer bei den stärksten Bataillonen gewesen ist", wie deralte Fritz gesagt hat. So geht es auch bei der Reichstagswahlden bürgerlichen Parteien und den durch sie vertretenenSchichten der Besitzenden ums Ganze ihrer Klassenherrschaft.Sicher nicht in dem Sinne, daß sie befürchten, der Einzugeiner starken sozialdemokratischen Fraktion in den Reichstagsei gleichbedeutend mit der Weltwende der„Expropriationder Expropriateure". Wohl aber insofern, als sie vor derRückwirkung der parlamentarischen Tätigkeit einer solchenFraktion auf die Massen zittern, namentlich vor ihrer unbarmherzigen grundsätzlichen Kritik an der heutigen Gesellschaftsordnung. denn sie macht die Ausgebeuteten sehend undgibt ihnen mit dem Ziele ihres Kampfes das Bewußtseinihrer Macht. In diesem Zusammenhang begreift es sich,daß die diesmalige Reichstagswahl die bürgerlichen Schichtenzu einer politischen Aktivität aufgepeitscht hat, die sie imKampfe gegen Absolutismus und Junkertum iroch stets vermissen ließen.So kann dieser Wahlkampf nicht als bloßes parlamentarisches Scharmützel ausgefochten werden, er ist eine Generalschlacht von historischer Tragweite, ein Treffen zweier Welten.Der„Sammlung" der Ausbeutenden muß das deutsche Proletariat die Sammlung aller guten Geister, aller dementeseiner Macht entgegenstellen: das klare Bewußtsein seinergeschichtlichen Aufgaben, den höchsten Idealismus und dieunbeugsame revolutionäre Energie. Allein auf sich und dieeigene Kraft angewiesen und doch gerade in dieser seiner Isolierung unüberwindlich, zieht es in den Kampf in der Richtung, die ihm sein sozialistisches Endziel weist. Seine Stärkeberuht in der Erkenntnis: In diesem Zeichen wirft du siegen!Vor der Entscheidung.Wenn unsere Leser diese Zeilen in die Hand bekommen,trennen uns nur noch wenige Tage von der Hauptwahl, deinHauptakt des Wahlkampfes. Mutvoll und tapser haben unsereGenossinnen sich in die ersten Kampfesreiben der Sozialdemokratie gestellt, um ini Interesse ihrer Klasse und ihresGeschlechts zu wirken; um die politisch erregte Zeit des Wahlkampfes zu nutzen zur Propaganda für unsere Anschauungen,zur Anwerbung von Kämpfern für unsere Ziele. Um so inehrerfaßt sie daher tiefe Erbitterung und lodernder Zorn, daßsie beim Wahlakt als politisch Rechtlose beiseite stehen undbei der endgültigen Entscheidung nicht mitwirken dürfen.Denn just ihre Beteiligung am Wahlkampf hat in ihnen dieErkenntnis vertieft und befestigt, daß es auch nicht einepolitische Materie gibt, die nicht hemmend oder förderndfür das Leben der Frauen ist.Die imperialistische Politik der Herrschenden, die dieKriegsgefahr in Permanenz erhält, läßt die Genossinnenmit Grauen an die Möglichkeit eines Weltkriegs denken.dem gerade die Proletarierinnen„Menschenopfer ungezählt"zu bringen haben werden, weil ihre Söhne, ihre Gatten oderihre Brüder zur„höheren Ehre des Vaterlandes" mit ihremHerzblut die neu erworbenen oder zu erwerbenden Koloniendüngen müssen. Ilber auch die immer drückender werdendenGutopfer, die diese Politik erfordert, die von den wahnsinnigen Rüstungen zu Wasser und zu Lande verschlungenwerden, lasten mit bleierner Schwere auf den Schultern derArbeiterinnen und Arbeiterfrauen. Die nimmer weichendeLebensmittelteuerung, mit all ihren bösen Folgen für dasProletariat, ist in der Hauptsache dieser Politik geschuldet:für die arbeitenden Masten ein festeres und immer festeresAnziehen der Zoll- und indirekten Steuerschraube, infolgedes unsinnigen Wettrüstens, für die Herrschenden ein lustigeres Sprudeln der schier unerschöpflichen Profitquelle undein weiteres Verstärken ihrer Machtfülle.Und diese Machtfülle wird in der skrupellosesten Weissgebraucht, um der Arbeiterklasse Rechte vorzuenthalten, ihrvorhandene Rechte zu rauben und Reformen zu hintertreiben,deren sie dringend bedarf zu ihrem Aufstieg und ihrer endgültigen Befreiung. Es sei nur daran erinnert, wie wenigin Deutschland von einer freiheitlichen Verfassung die Redesein kann. Die bürgerlichen Parteien als Vertreter der herrschenden Klassen ließen absichtlich die günstigen Gelegenheiten vorübergehen, bei denen es ihnen ein Leichtes gewesenwäre, die Rechte des Volkes und ihrer parlamentarischen Vertretung zu erweitern. Sie versäumten diese Gelegenheit ausdem einfachen Grunde, weil ihnen„der König absolut" gerade recht ist, solange er ihren Willen tut, solange das„persönliche Regiment" dem„Kampfe" gegen die aufstrebendeArbeiterklasse dient.Es sei serner daran erinnert, daß in Preußen, im größtendeutschen Bundesstaat, dank dem. elendesten aller Wahlsysteme zum preußischen Landtag, das Proletariat zum politischen Helotentum verdammt ist. In der Folge haben diearbeitenden Massen bitter wenig Einfluß auf all die wichtigen Materien, über die— leider!— unsere Landtage zuentscheiden haben. Es sei daran erinnert, daß die preußischeReaktion der Reaktion im Deutschen Reich einen festen Rückhalt gewährt und sie voran treibt. Diese Tatsache wird erhärtet durch die geradezu unglaubliche Hetze gegen dasKoalitionsrecht der Arbeiter und Arbeiterinnen, daS just