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Die Gleichheit

Nr. 10

Die Teuerung.

Für die Lese- und Diskussionsabende. Von Käte Duncker .

3. Die Organisation der Produzenten.

Wir haben in der Planlosigkeit der Produktion eine Teuerungs­ursache gefunden, die nicht immer gleichmäßig wirkt. In den Zeiten des guten Geschäftsganges, der erhöhten Nachfrage steigen die Preise der Industrieprodukte und noch rascher- aus den angeführten Gründen die der Rohstoffe und Lebensmittel. Wenn aber die Nachfrage wieder nachläßt, wenn die Ge­schäfte zu stocken beginnen, dann geraten die Preise wieder ins Sinfen, zunächst die der Industrieprodukte, allmählich aber auch die der Rohstoffe und Lebensmittel wenn sie auch den Stand, den sie vor der Hochkonjunktur hatten, gewöhnlich nicht wieder erreichen.

Wir werden nun im folgenden Abschnitt einen wirtschaft lichen Faktor kennen lernen, der darauf hinwirkt, die Preise auch in der Zeit des schlechten Geschäftsganges hochzuhalten, mit anderen Worten: die Teuerung zu einem dauernden Zustand zu machen.

Um diese Beeinflussung der Preisbewegung recht zu ver stehen, müssen wir uns über die Geseze der Preisbildung überhaupt klar werden.*

Wodurch werden die Preise bestimmt? Wir haben uns bisher mit der Antwort begnügt: durch Angebot und Nachfrage. Je größer das Angebot und je kleiner die Nach­frage, desto niedriger der Preis, und umgekehrt. Aber damit ist nur erklärt, warum zum Beispiel 100 Kilogramm Kohlen oder 100 Kilogramm Stahl oder 100 Kilogramm Gold im Preise schwanken. Wir verstehen damit noch nicht, warum der Preis von 100 Kilogramm Gold sich dauernd in ganz anderer Höhenlage bewegt als der Preis von 100 Kilo­gramm Stahl, und dieser wieder in anderer Höhenlage als der Preis von 100 Kilogramm Kohlen. Und weiter: nehmen wir an, die Marktverhältnisse ständen für eine Ware gerade so, daß Angebot und Nachfrage sich die Wage halten; hat die Ware dann etwa feinen Preis? Kurz, wir sehen, daß das Ver­hältnis von Angebot und Nachfrage immer nur das Schwanken der Preise hervorrufen kann, daß es uns aber keinen Aufschluß gibt über den allen Preisschwankungen zugrunde liegenden Wert der Ware. Daß Preis und Wert zweierlei sind, das lehrt uns jede Ausverkaufsanzeige, die uns Waren zu weit unter ihren Wert herabgesetzten Preisen" anbietet.

Was bestimmt nun aber den eigentlichen Wert einer Ware? Nehmen wir einmal an, für 3 Mr. könne man taufen: 2 Zentner Kohlen oder einen Holzstuhl oder 1 Meter Seidenstoff. Diese drei Waren sind in Zweck und Aussehen, in Stoff und Gewicht außerordentlich verschieden. Auch der Wert, den sie für den einzelnen Käufer haben, ihr Gebrauchs­wert, ist ungleich: dem Frierenden scheinen 2 Zentner Kohlen wertvoller als 1 Meter Seidenstoff. Auf dem Warenmarkt aber werden diese drei Gegenstände einander gleichgesezt, sie können gegen einander ausgetauscht werden, das heißt: ihr Tauschwert ist gleich. Da muß doch den drei Waren etwas Gemeinsames innewohnen, das es ermöglicht, sie miteinander zu vergleichen. Dieses Gemeinsame ist, daß sie alle drei Pro­dukte menschlicher Arbeit sind, die, wenn sie auch in der fchiedenen Formen als Bergarbeit, Tischlerarbeit, Spinn und Webarbeit auftritt, doch in letzter Linie einen Bruch teil der gesamten gesellschaftlichen Arbeit darstellt. Jede Ware ist gewissermaßen kristallisierte gesellschaftliche Ar­beit". Nur als Arbeitsprodukt kann man die Waren mit­

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* Da ich für die Diskussionskurse, denen die vorliegenden Be­sprechungen dienen sollen, teine Voraussetzungen machen möchte, halte ich es für notwendig, an dieser Stelle eine kurze Behandlung des Marrschen Wertgesezes einzuschalten. Die Leiterinnen der Kurse seien zu ihrer eigenen Vorbereitung noch hingewiesen auf die kurze und populäre Einführung in die Werttheorie in der Rede von Karl Marg über Rohn, Preis und Profit", S. 21 bis 27( Frankfurt a. M., Ver lag: Buchhandlung Volksstimme, 20 Pf.), sowie auf Mary' Broschüre Lohnarbeit und Kapital "( Vorwärts- Verlag, 25 Pf.).

einander vergleichen. Alle Arbeit hat ein gemeinschaftliches Maß, das ist die Zeit, die sie erfordert hat. Der Wert einer Ware wird also bestimmt durch die zu ihrer Herstel­lung notwendige Arbeitszeit.

Wie? Da hätte also das Produft eines faulen, ungeschickten Arbeiters oder eines, der mit rückständigem Handwerkszeug arbeitet, einen höheren Wert, als das Produkt eines fleißigen, geschickten, mit den besten technischen Hilfsmitteln ausgerüsteten?

Das ist natürlich falsch: nicht die Arbeitszeit, die Hinz oder Kunz zur Herstellung einer Ware braucht, bestimmt ihren Wert, sondern vielmehr die Arbeitszeit, die ein Arbeiter bei durch­schnittlicher Geschicklichkeit und durchschnittlicher Technik auf die Ware verwenden muß, das heißt die durchschnittliche ge­sellschaftlich notwendige Arbeitszeit.

Der Arbeitswert der Ware also ist es, der der Wellen­bewegung der Preise zugrunde liegt; er bildet das Durch­schnittsniveau, zu dem die Preise sich auszugleichen streben. Warum tun sie das? Jeder Produzent hat doch gewiß ein Interesse daran, den Preis seiner Ware weit über den Wert hinaufzutreiben und hochzuhalten. Aber der eine Warenpro­duzent steht in freier Konkurrenz mit der großen Schar aller anderen Warenproduzenten. Wenn es einem gelingt, seine Ware weit über dem Werte, also mit beträchtlichem Extra­gewinn zu verkaufen, dann werden sich bald auch zahlreiche andere auf die Produktion dieses einträglichen Artikels werfen. Das Angebot übersteigt allmählich die Nachfrage; ein Kon­furrent unterbietet den anderen, um die Käufer an sich zu ziehen; der Preis beginnt daher wieder zu sinken. Sänke er unter den Arbeitswert der Ware, so würden die Produzenten mit Verlust arbeiten; viele von ihnen würden die Produktion des betreffenden Artikels wieder aufgeben, das Angebot ginge zurück und damit begänne der Preis wieder zu steigen. Sturz, wir sehen, daß unter der Herrschaft der freien Konkurrenz die Produzenten sich immer in die Produktionsgebiete drängen, die am gewinnbringendsten scheinen, und sich von denen ab­wenden, wo Verluste zu erwarten sind. Dadurch können sich die Preise weder nach oben noch nach unten dauernd weit von dem Arbeitswert entfernen. So führt die freie Kon­kurrenz in letter Linie das Gesetz durch, nach welchem der Wert eines Produkts durch die zu seiner Her­stellung notwendige Arbeitszett bestimmt wird.

Das Wertgesetz gibt uns damit aber auch zugleich darüber Aufschluß, warum in der Warenproduktion bei freier Kon­furrenz die Warenpreise die Tendenz haben, allmäh lich zu sinken. Ein Produzent kann auf zweierlei Weise einen Extragewinn erzielen: entweder, indem er bei gleichblei bendem Warenwert den Warenpreis erhöht, teurer verkauft, oder indem er bei gleichbleibendem Warenpreis den Waren­wert erniedrigt, billiger produziert. Das erste zu tun, daran hindert ihn die Konkurrenz. Doch steht ihm offen, das zweite zu versuchen. Wenn eine Ware um so weniger Wert darstellt, je weniger gesellschaftliche Arbeit sie verschluckt hat, so wird es darauf ankommen, durch übergang zu einer höheren Technik, durch Anwendung von Maschinen statt langwieriger Handarbeit, durch Einstellung immer vollkommenerer Ma­schinen den Arbeitsprozeß zu verkürzen, mit anderen Worten, die Produktivität der Arbeit zu erhöhen. Der Durch schnittswert der Ware, um den die Marktpreise schwanken, entspricht der durchschnittlichen Höhe der Technik. Gelingt es aber einem Produzenten, durch vervollkommnete Technik einen Vorsprung vor seinen Konkurrenten zu gewinnen, so fließt ihm aus dem Unterschied zwischen Marktpreis und dem durch die erhöhte Produktivität seines Betriebs erniedrigten Warenwert ein Ertragewinn zu. Dieser Ertragewinn ermöglicht es ihm,

* Wir sehen hier der Kürze und Einfachheit halber ab von deur normalen Gewinn, der dem kapitalistischen Produzenten aus ter Ausbeutung des Lohnarbeiters fließt, dem Mehrwert. Diesen, det eigentlichen Profit, erzielt der Kapitalist natürlich auch dann, wenn er seine Ware nur zu ihrem Wert hat verkaufen können; denn er beruht ja darauf, daß der Kapitalist einen Teil des in der Ware aufgehäuften Arbeitsiverts dem Lohnarbeiter unentgeltlich abge= preßt hat.