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Die Gleichheit

Eine internationale Männerliga für das Frauenwahlrecht entfaltet eine rege Tätigkeit. Den Vorsiz führt der frühere Minister präsident von Südaustralien , Sir Cockburn. Er hat in seiner Heimat den ersten Gefeßentwurf zur Einführung des Frauenwahlrechts vor­gelegt und zur Annahme gebracht. Unter den Mitgliedern der eng­lischen Zweigorganisation der Liga befinden sich recht reaktionäre Elemente, die für die Einführung des Damenwahlrechts agitieren. Ein fürzlich von der Liga verbreitetes Flugblatt dient diesem Ziel, das die Konservativen eifrig begönnern.

Sozialistische Frauenbewegung im Ausland. Das Jubiläum einer sozialistischen Arbeiterinnenzeitung. In diesen Tagen haben die österreichischen Genossinnen einen Freuden­und Ehrentag gefeiert. Am 1. Januar sind es 20 Jahre gewesen, daß die erste Nummer unseres trefflichen Wiener Schwesterorgans erschien: Die Arbeiterinnenzeitung". Es war damals ein fühnes Unterfangen, ein sozialistisches Frauenblatt zu gründen. Die proletarische Frauenbewegung Österreichs steckte noch in ihren An­fängen, flein war die Zahl ihrer Anhängerinnen, nicht groß und allgemein das Verständnis, das sie fand. Das begeisterte und opfer­freudige Häuflein agitatorisch und organisatorisch tätiger Genossinnen sah sich mit geringen materiellen Mitteln einer Riesenaufgabe gegen­über, zu deren Lösung es eines eigenen Frauenorgans bedurfte. Mit der moralischen und materiellen Unterstützung der sozialdemo­fratischen Partei wurde die Arbeiterinnenzeitung" gegründet, und der rasche Aufschwung des Blattes hat seine Eristenzberechtigung vollauf bewiesen. Wie die Partei, so sind auch die Gewerkschaften bestrebt gewesen, die Entwicklung der Arbeiterinnenzeitung" zu fördern, und die Genossinnen haben ihre ganze Straft darangesetzt, ihrem Organ Verbreitung und Bedeutung zu sichern. Ihre freudige Überzeugung von dem notwendigen, sicheren Sieg des Sozialismus und die aus dieser Überzeugung geborene Energie und Selbstlosig­keit fanden in den eifrigen, anhaltenden Bemühungen ihren Aus­druck, die Arbeiterinnenzeitung" zu dem zu machen, was sie heute ist. Alle haben zu diesem Ziele zusammengewirkt: die einfachen, un­genannten Genossinnen, die nicht ermüdeten, ihrem Blatte Leserinnen zu werben, die tüchtigen Mitarbeiterinnen und nicht an lezter Stelle die Redakteurin, unsere Freundin, Genossin Adelheid Popp . Es ist ein großes und ein wertvolles Stück ihrer Lebensarbeit, die

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in der Arbeiterinnenzeitung" und ihrer Entwicklung verkörpert ist, der ganz wesentliche Wichtigkeit für den Aufschwung der sozialistischen Frauenbewegung in Österreich zukommt. Unter Genossin Popps Leitung ist das Organ aus einem fleinen vierseitigen Blättchen zu einer stattlichen, reichhaltigen Zeitschrift geworden, die dem Beispiel der Gleichheit" folgend seit einigen Jahren auch mit zwei Beilagen für die Kinder und Mütter erscheint, die von Genossin Emma Adler redigiert werden. Was die Arbeiterinnenzeitung" für die Erweckung und Schulung des weiblichen Proletariats leistet, das tritt nicht in ihrer Auflage von 26000 Exemplaren allein in die Erscheinung; es wird bezeugt durch die mehr als 50000 gewerkschaftlich organisierten Arbeiterinnen und die 18000 politisch organisierten Genossinnen in Osterreich . Wir sprechen der Gesamtheit der deutschen Genossinnen aus dem Herzen, wenn wir unseren österreichischen Schwestern ver­sichern, daß ihr Ehren- und Freudentag auch der unsere ist, und daß wir der tapferen Arbeiterinnenzeitung" eine weitere glänzende Entwicklung wünschen.

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Die Frau in öffentlichen Aemtern. Parteigenossinnen in Badischen Stadtverwaltungen. Die im Spätherbst beendeten Gemeindewahlen in Mannheim haben der sozialdemokratischen Partei einen erfreulichen Sieg gebracht. Dieser Erfolg erscheint um so bemerkenswerter, als die Wahlen erst­mals nach dem seinerzeit viel umstrittenen neuen Gemeindewahlrecht stattfanden. Unsere Partei eroberte 8 neue Stadtverordnetensize; außerdem ziehen 5 neue Stadträte im Gemeindeparlament ein. Die Vertretung der Sozialdemokratie ist damit von 36 auf 49 Mandate gestiegen. Lezzthin haben nun auch in Mannheim die Wahlen zu den ver­schiedenen Kommissionen stattgefunden. Dabei war Gelegenheit, erst mals die alte proletarische Forderung zu verwirklichen, daß auch Frauen der Arbeiterklasse in den Verwaltungstörpern Sig und Stimme erhalten. Das neue badische Gemeindewahlgesetz verpflichtet in be stimmten Fällen die Kommune, Frauen in die Kommissionen zu wählen. Unter der früheren Zusammensetzung des Gemeindekolle­giums war nicht daran zu denken, daß jemals Parteigenossinnen in den engeren Kreis der bürgerlichen Kommunalpolitiker eindringen konnten. Geradezu eifersüchtig waren die Mannheimer Geldsacks­politiker bemüht, modern denkende Frauen von kommunalen Ehren­ämtern fernzuhalten. Das künstlich erhaltene Privileg der Besizenden

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ist nunmehr mit der schärferen Waffe des neuen Gesezes in Trümmer geschlagen worden. Wohl oder übel mußten sich Frauenstimmrecht. lerinnen und andere Damen bequemen, unseren Arbeiterfrauen Plaz zu machen. Es gelang, bewährte Genossinnen in die Kommissionen zu bringen, die für die werktätigen Schichten des Volkes besonders wichtig sind. Gewählt wurde Genossin Blase in die Armen- und Genossin Kehl in die Krankenhausverwaltung; legtere auch in die Kommission für den städtischen Arbeitsnachweis, Genossin Hoffmann in die Schulkommission und Genossin Pfliegner in die Kommission für Schülerspeisung.

Auch in Schwegingen erzielte unsere Partei nach den Neu­wahlen einen Erfolg in der gleichen Richtung. Genoffin Kahn wurde dort in die Schulkommission gewählt. Aus Karlsruhe ist der nämliche erfreuliche Fortschritt zu berichten. Hier hat Ge nossin Trints Sig und Stimme in der Schult ommission und Armenverwaltung erhalten, Genossin Diez gehört der Kranken­hauskommission an. In Offenburg sigt Genossin Ged seit Jahren in der Armenkommission.

Wir dürfen überzeugt sein, daß alle gewählten Genossinnen mit Energie und Treue den wichtigen Aufgaben ihres Ehrenpostens ge­recht werden. Sie wissen, was es gilt: den modrigen Privilegien der besitzenden Klassen das Recht der arbeitenden Bevölkerung ent­gegenzustellen, Vorurteil und Eigensucht durch den freiheitlichen Geist einer aufsteigenden neuen Zeit und durch Gemeinsinn zu überwinden. Mit der Registrierung der von unserer Partei erzielten begrüßens­werten Erfolge sei zugleich die mit mg. unterzeichnete Notiz in Nr. 2 der Gleichheit" richtiggestellt. So richtig der dort verzeichnete Tat bestand war, so unberechtigt ist die in ihr enthaltene Kritik, wie die Tatsachen bewiesen haben. Genossen Franks Außerung auf dem Magdeburger Parteitag, von dem Recht der Frauen zur Mitarbeit auf fommunalem Gebiet, dank dem neuen Gemeindewahlgesez, war nicht Schall und Rauch. Tatsächlich schafft die neue gesegliche Ord. nung der Dinge die rechtliche Möglichkeit dafür, daß auch unsere Genossinnen, daß proletarische Frauen als gleichberechtigt in der Gemeindeverwaltung tätig sein können. Die Probe aufs Erempel ist gemacht, die rechtliche Möglichkeit ist zu greifbarer Wirklichkeit geworden. Freilich darf die Umsetzung der rechtlichen Möglichkeit in die praktische Tat nicht von der Einsicht und dem Gerechtigkeitssinn der bürgerlichen Vertreter in den Gemeindeverwaltungen erwartet werden. Das hat das Rastatter Beispiel flar genug gezeigt. Das gesetzlich verbürgte Recht gewinnt nur dort mit Sicherheit Leben und Gestalt, wo es von der Sozialdemokratie zum Siege getragen wird. Aber das trifft auch auf andere öffentliche Rechte zu. Ihre Früchte müssen von den Frauen und Männern des werktätigen Volkes gepflückt werden. Daß wir in Baden auf Grund des neuen Gemeindewahlgeseges Erfolge errungen haben, kann uns daher weder veranlassen, die Hände in den Schoß zu legen, noch blind machen gegen die schweren Mängel, die dem Gesetz selbst noch anhaften. Weiter arbeiten, heißt für uns die Parole! Weiter arbeiten, um mittels des neuen Gemeindewahlgeseges alle Vorteile zu gewinnen, die auf kommunalem Gebiet für die Arbeiter und kleinen Leute herausgeschlagen werden können; weiter arbeiten, um dem Gesetz die Giftzähne auszubrechen, die den Interessen der großen Mehrzahl des Volkes gefährlich sind. Unserem eifrigen Bemühen muß es ge­lingen, in der Gemeindeverwaltung der proletarischen Frau den Platz zu erobern, der ihr gebührt. R. B.

Frauenbewegung.

Eine Ausstellung von Frauenarbeit in Haus und Beruf soll im Februar und März in Berlin unter dem Protektorat der Kaiserin stattfinden. Die gemäßigten Frauenrechtlerinnen nehmen regen Anteil an dem Zustandekommen und den Vorbereitungs­arbeiten des Unternehmens, das auf die Initiative des Deutschen Lyceumklubs zurückgeht, einer frauenrechtlerischen Institution, die ihren Hauptsitz in Berlin hat. Die kleine radikale Gruppe um Frau Cauer hat es dagegen abgelehnt, sich an der Ausstellung zu be= teiligen, weil die gewerkschaftlich organisierten Arbeiterinnen nicht zur Mitwirkung aufgefordert worden sind. Die Ausstellungsleitung verfügt nicht über die nötigen Mittel zur Kostendeckung des Unter­nehmens. Es heißt daher, daß große Firmen finanzielle Beihilfe gewähren. Dies aber in dieser kapitalistischen Welt nach dem Grund­fag: do ut des, ich gebe, damit du gibst. Die Ausstellung wird für sie eine Riesenreklame sein, die sich wohl bezahlt macht. Die Um stände, unter denen diese stattfindet, legen überhaupt die Vermutung nahe, daß unter vielem äußeren Pomp ein geschminktes Bild von der Frauentätigkeit entrollt werden wird.

Verantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Bundel), Wilhelmshöhe, Poft Degerloch bet Stuttgart .

Druck und Berlag von J. H. W. Diez Nachf. G.m.b.8. in Stuttgart .