Nr. 11

Die Gleichheit

Großgrundbesizes, 4 Vertreter der Großindustriellen, 6 Ver­treter der hohen Beamten und 2 Vertreter der evangelischen Geistlichkeit. Bei dieser Reform" der Berufsvertreter auch an eine Vertretung der Handwerker, Unterbeamten, Klein­bauern, Arbeiter usw. zu denken, ist der Regierung nicht ein­gefallen. Sie hat ängstlich alles vermieden, was der Wahl­reform den Charakter eines reaktionären Machwerkes hätte nehmen können. In einer der Wahlreform beigegebenen Dent­schrift begründet die Regierung die Beibehaltung der Berufs­standsvertretung damit, daß diese das fehlende Herrenhaus erseze. Andere Staaten wären froh, wenn sie fein Herren­haus hätten, Braunschweig   schafft sich einen Ersatz dafür. " Der fehlende Keffelstein ist sofort zu beschaffen," schrieb jener Landrat unter den Bericht des Fabrikinspektors, der in den Dampfkesseln einer Fabrik keinen Kesselstein gefunden hatte.

Im übrigen sucht die Denkschrift es so darzustellen, als ob die Bevölkerung Braunschweigs nur über die indirekte Wahl mißgestimmt sei und nur die direkte Wahl fordere. Es ist natürlich ganz anders. Die Hauptsache ist die gleiche Wahl. Die Abschaffung des Dreiklassenwahlsystems wird zu allererst verlangt. Wenn die Regierung die Hauptsache als Neben­sache hinstellt und die Nebensache zur Hauptsache macht, so ist das ein alter abgebrauchter Demagogentrick, der ihr aber nichts hilft, weil er gar zu leicht zu durchschauen ist. Die Wahlreform wird von dem Landtag ziemlich unbesehen an­genommen werden. Das Proletariat aber wird den Wahl­kampf mit verdoppelter Energie weiter führen. Der Regierung scheint das ihr schlechtes Gewissen bereits gesagt zu haben. Denn sie hat in den Etat eine Verstärkung der Polizei und die Errichtung einer berittenen Polizeitruppe eingesetzt mit dem Hinweis auf zu erwartende Straßendemonstrationen. Richard Wagner  .

Frauenkonferenzen in Desterreich.

I. K. Die österreichischen Genossinnen sind an der Arbeit, die Beschlüsse der Innsbrucker   Frauenkonferenz durchzuführen. Es fanden seither schon vier Frauentandestonferenzen und eine Frauenkreis­fonferenz statt. Zuerst tagte am 26. November die Kreiskonferenz der Genossinnen von Reichenberg, deren Organisation im ganzen Gebiet eine glänzende Entwicklung nimmt. Die Organisierung der Genossinnen vollzieht sich hier im Rahmen der Lokalorganisationen. Die Genossinneu bilden dört besondere Sektionen und halten ihre eigenen Versammlungen ab, die jedoch von der Lokalorganisation beschlossen und materiell ermöglicht werden. Die Frauen führen teine eigene Kasse, sondern entrichten ihre Beiträge an die Lokal­organisation; nur die Höhe ihrer Beiträge bestimmen sie selbst. So entschied die Kreiskonferenz, die monatlichen Beiträge der Genos­sinnen zu erhöhen, um den in Innsbruck   beschlossenen Wahlfonds einführen zu können. Die Zahl der organisierten Genossinnen ist int Reichenberger Kreise von 438 im Jahre 1910 auf über 1000 im Jahre 1911 gestiegen. Für Steiermark  , wo die Konferenz am 8. Dezember tagte, konnte berichtet werden, daß die Zahl der po= litisch organisierten Frauen von 500 auf 1080 gestiegen ist. Auch hier wurde beschlossen, den Wahlfonds einzuführen und zu diesem Zwecke eine Beitragserhöhung von 84 auf 40 und von 14 auf 20 Heller monatlich eintreten zu lassen. In Oberösterreich   fand die Konferenz der Genossinnen am 18. Dezember statt. Trozz schwierigster Verhältnisse hat hier die Organisation der Genossinnen ebenfalls nennenswerte Fortschritte gemacht. Die Erhöhung der Bei­träge zugunsten des Wahlfonds wurde auch von dieser Konferenz be­schlossen. Überall arbeiten die Genossinnen mit großem Opfermut an der politischen Organisierung der Frauen, stets bemüht, das Heer der sozialdemokratischen Streiterinnen zu vermehren. Am 1. Februar tagte die Konferenz für Niederösterreich  . Im Partei­haus, in dem auch die Arbeiterinnen- Zeitung" und das Frauen­reichskomitee ihren Siz haben, tamen die Genossinnen zusammen. Obwohl die Tagung auf einen Wochentag fiel, war sie äußerst zahlreich beschickt. 69 Genossinnen nahmen an ihr teil, davon waren 19 aus Provinzorten und 11 von gewerkschaftlichen Zentral­verbänden delegiert. Die Reichs- und Landesparteivertretung und die Landtagsfraktion sowie die Gewerkschaftskommission waren ver treten. Die Berichte wurden von den Genossinnen Pölzer und Proft erstattet. Sie zeigten das erfreuliche Resultat, daß im Be­richtsjahr 10 neue politische Frauenorganisationen gegründet worden

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find und daß die Zahl der politisch organisierten Frauen von ins gesamt 8338 auf 4879 gestiegen ist. Die Frage der Beitragserhöhung führte zu einer umfangreichen Debatte, doch wurde schließlich mit großer Majorität beschlossen, einen monatlichen Beitrag von 40 Heller ( bisher 80, 32 und 36 Heller) für nur politisch organisierte Frauen einzuführen, und von 20 Heller( statt 10 Heller) für gewerkschaftlich und politisch organisierte Mitglieder. 4 Heller von der Beitrags­erhöhung werden dem Wahlfonds zugeführt. Die Konferenz be­stimmte des weiteren, daß anfangs März die schon früher be­schlossene Aktion gegen den§ 30 des Vereinsgesezes erfolgen soll. Das Datum des Frauentags wird im Einvernehmen mit den deutschen Genossinnen endgültig festgesetzt, da die Genossinnen Österreichs Wert darauf legen, mit ihren Schwestern im Reiche ge= meinsam für die vollen Bürgerrechte des weiblichen Geschlechts zu

demonstrieren.

Der Delegierte der Parteivertretung, Genosse Winarsky, hielt ein Referat über die kommenden Gemeinderatswahlen in Wien  . Er besprach dabei auch den Antrag, den die sozialdemokratische Frat­tion im Wiener   Gemeinderat eingebracht hat, um die Änderung der Wahlordnung durch Einführung des Proporzes herbeizuführen. Unter den Genossinnen war vielfach die Meinung verbreitet, daß die Frat­tion es bei dieser Gelegenheit unterlassen habe, das Frauenwahlrecht zu fordern. Genosse Winarsky erklärte dazu, daß es sich bei diesem Antrag darum gehandelt habe, die Christlichsozialen vor die Frage zu stellen, ob sie bereit seien, auch nur jene Forderungen zu ver= wirklichen, die sie selbst als Punkte ihres Programmes proklamiert hätten. Genosse Winarsky verwies darauf, daß die sozialdemokra tische Gemeinderatsfraktion bereits früher einen Wahlrechtsantrag eingebracht hat, in welchem ausdrücklich das Frauenwahlrecht ver­langt wird. Am 31. Januar hat sie diesen Antrag im Gemeinderat als dringlich gestellt und dabei ausdrücklich betont, daß die Sozial­demokratie das kommunale Wahlrecht für alle Männer und Frauen fordere, die in der Gemeinde wohnen und 21 Jahre zählen. Es wurde beschlossen, daß die Genossinnen bei den kommenden Ge­meinderatswahlen in eine lebhafte Agitation eintreten und in allen Versammlungen nachstehende Resolution einbringen sollen:

Die Frauen der arbeitenden Klassen in Österreich  , die die dop­pelte Bürde der Lohnarbeit und der Hauswirtschaft zu tragen haben, erheben Protest, daß sie nur als gleichberechtigt gelten, wenn die Lasten aufgeteilt werden, daß sie aber als Minderwertige behandelt werden, wenn Rechte verliehen werden. Die Frauen der arbeitenden Klassen protestieren, daß sie zwar in der Gemeinde wie im Staate alle Steuern entrichten müssen, Lebensmittel-, Verzehrungs­und Hauszinssteuern, ebenso wie Einkommen und Erwerb steuer, daß sie aber von der Verwaltung und Mitberatung in der Gemeinde ausgeschlossen sind.

Die Frauen, die als Arbeiterinnen, Mütter und Gemeindebürge rinnen ihre volle Pflicht erfüllen, fordern, daß ihnen auch ihr volles Recht eingeräumt werde. Die Frauen der arbeitenden Klassen verlangen das Wahlrecht für die Frauen in der Gemeinde wie in Staat und Land, und erklären, mit allen Mitteln tätig zu sein, daß nur Männer in den Gemeinderat gewählt wer den, die bereit sind, mit allem Nachdruck für das gleiche und all­gemeine, aktive und passive Wahlrecht der Frauen einzu­treten."

Schließlich wurde noch mitgeteilt, daß am 3. März anläßlich des 20 jährigen Bestehens der Arbeiterinnen- Zeitung" ein großes Ar­beiterinnenfest stattfinden werde, und daß ein Gedenkbuch der österreichischen Arbeiterinnenbewegung im Erscheinen be­griffen sei, an dem alle Genosfinnen mitarbeiten, die auch schon vor 20 Jahren in der Belegung tätig waren. Alles in allem ver­lief die Konferenz sehr schön und hat alle Teilnehmerinnen hoch befriedigt. a. p.

Aus der Bewegung.

Von der Agitation. Reichstagswahl und Sozialdemokratie" lautete das Thema, das die Unterzeichnete in Bersammlungen be­handelte, die auf Veranlassung des Wahlkomitees für die Provinz Brandenburg  , für den ersten weimarischen und den zweiten anhal­tinischen Wahlkreis in den folgenden Orten stattfanden: Granse und Freie Scholle in der Provinz Brandenburg  ; Frose   und Hecklingen   in Anhalt  ; Apolda  , Flurstedt, Gebstedt, Her­resen, Mattstedt  , Nauendorf, Niederroßla  , Niedertreba, Oberndorf  , Oberroßla und Rohrbach im weimarischen Land. Die Versammlungen waren gut besucht, zum Teil sogar überfüllt, und das trotz der ungünstigen Witterung und obgleich viele Teil­nehmer weite Wege bis zum Lokal zurücklegen mußten. Die Aus­führungen der Referentin über die Taten des letzten Reichstags