Nr. 12

Die Gleichheit

den Christlichen bescheinigt, daß ihre Warmung vor dem Streik ge­sunde gelbe Gedanken" enthalte, denen die Gelben nur beipflichten tönnten und denen sie nichts hinzuzufügen hätten. Eine grausame aber gerechte Kennzeichnung! Ob jedoch im Ernstfall die Mitglieder des christlichen Bergarbeiterverbandes den Treubruch ihrer Führer mitmachen werden, bleibt abzuwarten. Das Zutrauen der Arbeiter zu dieser Organisation ist im Schwinden begriffen. Nach dem Jahres­bericht für 1911 ist die Entwicklung des christlichen Verbandes zum Stillstand gekommen, während der alte Verband im gleichen Zeit­raum auf erfreuliche Fortschritte zurückbliden fann und wohlgerüstet zum Kampfe dasteht. In England erscheint der Streit unvermeid­lich, obgleich sich die Regierung um eine Einigung der streitenden Barteien bemüht. Der Premierminister hat ihnen Vorschläge unter­breitet, die auf eine Hinausschiebung des Streits hinzielen und den Grubenbesizern die Anerkennung eines Minimallohns anempfehlen. Beharren die Grubensizer in ihrer ablehnenden Haltung, so kommt es zum Kampfe, denn die Arbeiter denken gar nicht daran, nach­zugeben. Die Behörden treffen denn auch bereits ebenso wie in Frankreich   Vorkehrungen für den Fall, daß der Ausstand zur Tat wird. Namentlich steht das Militär zur Entsendung in die Streifgebiete bereit. Durch den Streit der Bergarbeiter würden auch andere Gewerbe in großem Umfange in Mitleidenschaft ge= zogen werden, so namentlich die Transportarbeiter zu Wasser und zu Lande. Das zu London   tagende internationale Bergarbeiter fomitee hat im Fall eines Ausstands in England eine internationale Attion beschlossen.

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Die Bauunternehmer rüsten eifrig weiter. Schon gleich nach Beendigung der großen Bewegung im Jahre 1910 haben sie mit thren ausländischen Erwerbsgenossen Kartellverträge abgeschlossen, durch die sich die Unternehmer des einen Landes bei Streifs in einem anderen Lande zur Solidarität verpflichteten. Ferner wurden die Lieferanten von Baumaterialien gezwungen, für je 1000 Mt. verkaufter Materialien 3 Mt. in die Kriegskasse der Baukapitalisten zu zahlen. In einer geheimen Zusammenkunft haben die Unter­nehmer des weiteren eine Startellierung der Unternehmerverbände der verwandten Berufe der Töpfer, Stuffateure, Maler usw.- zustande gebracht. Sie haben beschlossen, eine einheitliche Tarif­politik zu verfolgen und die Kämpfe gegen die Arbeiter gemeinsam zu führen. Zu diesem Zwecke soll für die in nächster Zeit ablaufenden Tarifverträge ein einheitlicher Ablauftermin bestimmt werden. Auch der Kampf um den Arbeitsnachweis wird in einigen Orten immer noch mit großer Zähigkeit geführt. Durch Tarifvertrag ist diese Frage für das Baugewerbe noch nicht allgemein geregelt. Die Unternehmer wollen ihre parteiischen Nachweise nicht aufgeben, während die Arbeiter mit gutem Recht auf Errichtung paritätischer Nachweise dringen. So ist im Baugewerbe viel Zündstoff angehäuft, und die Unternehmer sinnen auf Krieg. Sollte er kommen, so wird er die Bauarbeiter bereit finden.

Über die Tarifregelung in der Herrenmaßschneiderei wird zunächst in der zentralen Schlichtungskommission verhandelt. Wenn die Hauptvorstände feine Einigung erzielen fönnen, so wird der Kampf sich auf 24 Städte erstrecken, da der Unternehmerverband die Tarife für diese Orte gemeinsam erledigen oder aber alle Streit­fragen offen lassen will. Er hat schon alle Maßnahmen für einen etwaigen größeren Kampf getroffen. Trotzdem ist es nicht aus­geschlossen, daß es noch zu einer Einigung kommt.

Daß gegen den Geist des Klassentampfes schließlich auch der zünftigste Beruf auf die Dauer nicht gefeit ist, beweist die Bes wegung der Leipziger   Schornsteinfeger. Im Schornsteinfeger­gewerbe herrscht bekanntlich der Zunftgedante noch sehr start. Als Ideal schwebt jedem Schornsteinfeger vor, daß auch er einmal zur Meisterwürde emporsteige, die ihm dank der zünstlerischen Organi sation des Gewerbes ein Einkommen von 10000 bis 20000 Mt. jährlich sichert. Aber die meisten Angehörigen des Berufs sterben, ehe sie ihr Jdeal erreichen, oder sie bleiben arm und werden alt und grau, nachdem sie in jahrzehntelanger gefährlicher Arbeit ein wenig beneidenswertes, getnechtetes Dasein gefristet haben. Geringer Lohn, Kost- und Logiszwang sind die hervorstechenden Merkmale der Arbeitsbedingungen für die Gehilfen dieses Gewerbes. Die Leipziger   Schornsteinfeger verlangen daher die Beseitigung des Kost- und Logiszwanges und die Gewährung eines Wochenlohns bon 32 bis 35 Mt. Die reichen Meister bieten ihnen 2 Mt. Zu­lage und die Teilung des etwaigen Nebenverdienstes der Gehilfen. Hoffentlich ist die Bewegung der erste Anstoß zu der besseren Ein­ficht der Schornsteinfeger, daß nicht in zünstlerischen Vereinen, son­bern nur in einer gewerkschaftlichen Organisation ihre Interessen wirksam vertreten werden können.

Der Bergarbeiterverband hat einen herben Verlust zu be flagen. Der Haupttassierer Genosse Horn erlag einem Nerben

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leiden. Genosse Horn war seit 1880 Mitglied des Zentralvorstandes und verwaltete seit 1903 die Hauptkasse. Noch bei der letzten Reichs­tagswahl war er, soweit es seine Kräfte erlaubten, agitatorisch tätig. Die Bitternisse des Klassenkämpfers blieben auch ihm nicht erspart; die Klassenjustiz verbannte ihn wegen Beleidigung eines Bergrats für ein Jahr hinter Gefängnismauern. Genosse Horn hat sich um die Sache der Bergarbeiter wohlverdient gemacht. Sein Gedächtnis wird in Ehren bleiben. #

Die Arbeitslosenzählung im deutschen Textilarbeiterver­band, die im Januar stattgefunden hat, ergab bei insgesamt 132448 Mitgliedern, 83528 männlichen und 48920 weiblichen, am Stichtage 935 Arbeitslose. 194 davon waren Arbeiterinnen. Als auf der Reise befindlich wurden am selben Tage 121 Mitglieder gemeldet, davon 4 weibliche. 28 Filialen mit 1725 Mitgliedern haben sich nicht an der Zählung beteiligt, von der insgesamt 98,7 Prozent der Mitglieder erfaßt worden sind. sch,

Genossenschaftliche Rundschau.

Ein Ausnahmesteuergeset gegen die Konsum. vereine schärfster Art plant man in Preußen. Nach einer Bestimmung des Entwurfes zu einem neuen Einkommensteuer­gesetz sollen die Konsumvereine künftig als Einkommen auch die festen Rabatte versteuern, die bisher der Besteuerung nicht unter­liegen. Diese Änderung wird nur für die Konsumbereine vorgeschlagen, während Händler und Versicherungsgesellschaften diese Rabatte nach wie vor abziehen können. In Preußen sind schon bisher die Genossenschaften höchst ungleichmäßig behandelt worden. Nach dem geltenden Steuerrecht unterliegen der Ein­tommenbesteuerung nicht solche Genossenschaften, die ihre Tätig keit nicht über den Kreis ihrer Mitglieder ausdehnen. Konsum vereine sind hiervon jedoch ausdrücklich ausgenommen, obwohl das Genossenschaftsgesetz sie zwingt, ihre Tätigkeit auf den Mitglieder­freis zu beschränken. Die Folge davon ist, daß in Preußen die Konsumbereine bedeutend mehr Steuern zahlen müssen als die anderen Genossenschaften, und daß nahezu 14 800 Genossenschaften in Preußen steuerfrei sind. Es haben die preußischen Genossen­schaften des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine im Jahre 1910 rund 800 000 Mt. Steuern gezahlt. Das ist keine Summe, die für den Etat des preußischen Staates eine Rolle spielt. Es ist bei einem Umsatz von 122,3 Millionen Mark jedoch eine Steuer­leistung, bei der kein Mensch von ungerechtfertigter Bevorzugung der Konsumgenossenschaften reden kann. Die Ungerechtigkeit, die in dieser Besteuerung der Konsumbereine liegt, ist um so größer, als die bevorzugten Genossenschaftsgruppen bedeutend größere Umsätze haben als die Konsumbereine. Für die dem Reichsverband angeschlossenen preußischen Genossenschaften betrug die Summe des Warenbezugs 204 Millionen Mark und die des Waren­absatzes 338,4 Millionen Mart. Zieht man nun die Umsätze der Zentralen ab, so ergibt sich für den Haupt- und für den Reichs­verband eine Gesamtsumme von 431,6 Millionen Mark. Die An­gaben über den Hauptverband gewerblicher Genossenschaften und den Reichsverband landwirtschaftlicher Genossenschaften stellen je­doch immer erst einen Teil der genossenschaftlichen Arbeit in Preußen dar. Es kommen noch hinzu die dem Allgemeinen Ver­band deutscher Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften ange­schlossenen Genossenschaften von Kleingewerbetreibenden usw. Es fäme weiter die genossenschaftliche Arbeit des Bundes der Land­wirte in Betracht. Leider ist das Zahlenmaterial nicht so vollständig, daß man einen Gesamtüberblick über die genossenschaftlichen Um­säße in Preußen gewinnen kann. Jedenfalls zeigt es sich jedoch für jeden Unbefangenen ganz klar, daß die wirtschaftlich viel bedeu­tungsvollere Arbeit der landwirtschaftlichen und anderen Ge­nossenschaften von der Steuergesetzgebung begün­stigt wird, während die Konsumvereine mit hohen Steuern be­legt werden. Das ist schon jetzt ein Mißbrauch der Steuerpolitik zu mittelständlerischen Aktionen. Wird der Entwurf angenommen, was die organisierten Konsumenten mit aller Macht verhindern müssen, so wird diese ungerechtigkeit noch gesteigert.

Sehr bemerkenswert ist, wie ein bekannter Steuertheoretiker, Dr. Strung, Senatspräsident des preußischen Oberverwal­tungsgerichtes, in einem Werte über Die Neuordnung der direkten Steuern in Preußen" zur Sache sich äußert. Er sagt in bezug auf die Besteuerung der Konfumvereine folgendes:... Die Vereine zum gemeinschaftlichen Einkauf von Lebens- oder Hauswirtschaft­lichen Bedürfnissen im großen und Ablaß   im kleinen( Konsum­vereine) gehören ebensowenig in die Gesellschafts- wie in die Ein­kommensteuer. Es ist noch weniger widersinnig, zu einer auf die