198 Di« Gleichheit Nr. 13 Haltungsschule. Eine Freiin   v. Mirbach-Harff meinte, auch die Hausfrauen hätten die Aufgabe, ihre Dienst­mädchen zu erziehen, sie müßten ihnen mehr sein als nur Arbeitgeberin, damit das Mädchen nicht das Gefühl der Stundenarbeit, sondern das der Mitarbeit habe, denn die Kinder seien das Bindeglied zwischen Dienstboten und Herrschaft. Wie doch die Not sogar dienstbotenfreundlich macht! Einen den tatsächlichen Verhältnissen etwas mehr entsprechenden Ton fand Frau Deutsch  , die in der Rück­kehr zur patriarchalischen Familie kein erstrebenswertes Ziel sieht. Nach ihrer Meinung wäre es notwendig, daß die 42 Ge­sindeordnungen aufgehoben würden, die gleichbedeutend seien mit ebensovielen Ausnahmegesetzen. Frau Deutsch   wagte sogar zu behaupten, daß die Stellung der Dienstboten noch ein letzter Rest des Leibeigensystems darstelle, was freilich in der Ver­sammlung deutliche Zeichen des Mißfallens auslöste. Aller­dings, bis zur Forderung völliger Gleichberechtigung der Dienstboten mit anderen Arbeitern ging auch sie ncht, nur für eineReichsgesindeordnung" konnte sie sich begeistern! Aber in allen Reden kehrt der Ruf wieder:Her mit der obli­gatorischen Haushaltungsschule, damit wir Hausfrauen end­lich wieder berufstüchtige Dienstmädchen bekommen und be­ruhigt unser Hauswesen diesen überlassen können." An die Tatsache, daß 10 Millionen Frauen erwerbstätig sind und sich um den Kochtopf nur sehr wenig kümmern können und die Kindererziehung vernachlässigen müssen, ohne in der Lage zu sein, Dienstmädchen zu halten, wagte nur die Flotten­schwärmerin Fräulein Lischnewska zu erinnern. Aus der Tatsache aber folgerte sie lediglich, daß die Gemein­schaftsküche eine dringende Notwendigkeit wird. Die Frau müsse sich heute schon vorbereiten, um in wirtschaft­licher und hygienischer Beziehung den Anforderungen der Gemeinschaft in Zukunft genügen zu können, sie müsse sich jetzt schon üben, die deutsche Armee kräftig und gesund zu ernähren alsA r m e e k o ch f r a u" I Bei diesemZukunfts­ziel" mußten selbst die bürgerlichen Frauen laut auflachen! Schlimm erging es den Konsumvereinen in einer Rede von Frau S taudinger, der Gattin des bekannten bürger­lichen Verfechters der Genossenschaftsbewegung. Frau Stau­dinger sieht in den Konsumvereinen nicht allein, und mit Recht, zweckmäßige und sparende Hilfe für die Hausfrau, sondern auchden Weg zum sozialen Frieden"! Obwohl viele der bürgerlichen Zuhörerinncn keine rechte Vorstellung von einem Konsumverein besessen haben mögen, vernahmen sie mit Genugtuung die Verheißung, daß wieder einmal ein Mittel zum sozialen Frieden gefunden sei. Von Einküchenhäusern und derartigen Einrichtungen, die von verschiedenen Diskussionsrcdnerinnen als durchaus not­wendig erwähnt worden waren, wollte Frau Heuß-Knapp auch in ihrem Schlußwort nichts wissen. Sie blieb, wie sie sich selbst bezeichnete, nach dieser Richtung durchausreak­tionär". Vielleicht ist Frau Heuß-Knapp einer Belehrung nicht unzugänglich, wenn sie von jemand kommt, der fiir die Befreiung der Frau in Wort und Schrift bereits gekämpft hat, als die Dame selber sich noch im Stadium desrück- stäudigen Kindes" befand. August Bebel   schreibt in seinem BucheDie Frau": Die Privatküche ist für Millionen Frauen eine der anstrengendsten, zeitraubendsten und verschwenderischsten Einrichtungen, bei der ihnen Gesundheit und gute Laune abhanden kommt und die ein Gegen­stand der täglichen Sorge ist, namentlich wenn, wie bei den aller­meisten Familien, die Mittel die knappsten sind. Die Beseitigung der Privatküche wird für ungezählte Frauen eine Erlösung sein, Die Privatküche ist eine ebenso rückständige und überwundene Ein­richtung, wie die Werkstätte des Kleinmeisters; beide bedeuten die größte UnWirtschaftlichkeit, eine große Verschwendung an Zeit, Kraft, Heiz- und Beleuchtungsmaterial, Nahrungsstoffen:.sw," Den Faden, den Frau Heuß-Knapp begonnen hatte, spann Frau Marianne Weber   in ihrem Referat weiter. Jetzt handelte es sich nicht mehr um die Frage des Einzel­haushalts, sondern umdie Bewertung der Haus­frauenarbeit". Die Abhängigkeit der bürgerlichen Ehefrau vom Manne und wie sich dieserunwürdige" Zu­stand beseitigen läßt, ist eine seit Jahren wiederkehrende Streitfrage auf allen bürgerlichen Frauenkongressen. Der Gesetzgeber braucht nur die gesetzliche Unterhaltspflicht des ManneS dahin zu präzisieren, daß er der Ehefrau ein Anrecht auf Vereinbarung sowohl eines festen Haushaltsgeldes als auch eines festen SondergeldeS für ihre persönlichen Bedürfnisse zu­erkennt, dann könnten die Frauen aller Schichten das im Rahmen des Familienlebens mögliche Maß pekuniärer Unabhängigkeit ge­winnen, Eine solche Bestimmung käme vor allem den besitzlosen und nicht erwerbstätigen Frauen der Mittelschichten zugute, aber das Anrecht auf Vereinbarung eines festen Haushaltsgeldes wäre auch für die erwerbstätigen und vermögenden Frauen wichtig. Und für alle Kreise, die überhaupt rechnen und einteilen müssen, wäre dadurch die segensreiche Nötigung geschaffen, ein Budget aufzustellen, das im Einklang mit den Einnahmen steht," Leider verriet weder Frau Weber noch die folgenden Rednerinnen, was den Männern geschehen soll, die dem Ge­setze nicht gehorchen. Oder sollen zukünftig auch die ehelichen Frauen auf Alimente klagen können? Keine der Damen stellte die selbstverständliche Forderung, daß der Frau durch das Gesetz das alleinige Verfügungsrecht über ihr einge­brachtes sowohl wie über in der Ehe erworbenes Vermögen zuerkannt werde. Auch für Frau Weber ist wie für alle Rednerinnen des Kongresses der Grundsatz maßgebend, nur ja nicht Ursachen erörtern, immer hübsch an Symptomen herumkurieren. Als die Referentin mit scharfen Worten die traurige Lage der verheirateten Landarbeiterinnen schilderte, deren Taglohn von 20 bis 50 Pf., nicht ihnen selber, sondern ihren Männern ausbezahlt wird, erschien eine nicht vorgemerkte Diskussionsrednerin, Frau v. Puttkamer  , auf dem Plane, die heiligsten Güter des Großgrundbesitzes zu verteidigen. Sie entrollte ein Bild von dem Leben der verheirateten Landarbeiterin, so verlockend schön, daß man eigentlich nur jedem Mädchen raten könnte, schleunigst nach dem Puttkamerschen Paradies auszuwandern.Auf unseren Gütern," sagte Frau v. Puttkamer   wiederholt,gibt es solch niedrige Löhne nicht." Die Ehefrau in Ostelbien arbeitet fast nie, weil sie es nicht nötig hat, die Löhnung ihres Mannes ist so reichlich, von den Kühen und Schweinen gar nicht zu reden, die alle Landarbeiter im Stalle haben. Die 18 ver­heirateten Taglöhnerinnen des Puttkamerschen Gutes ar­beiten 3 Tage in der Woche, nur eine Witwe schafft jeden Tag.. Der übliche Taglohn ist 1 Mk.I Und den Ernte­verdienst von 1,50 bis 1,60 Mk. täglich nehmen auch die Frauen gerne mit. Ja, Frau v. Puttkamer läßt in ihrer Güte, den Wohlstandihre r" Landarbeiter zu heben, auch die Kinder mitverdienen. Außerdem seienihre" Landarbeiterfrauen weit selbständiger als die Bauersfrauen. Beweis: Als die Freiin   eine Ortsgruppe des Vaterländischen Frauenvereins habe gründen wollen, da seien auf ihre Auf­forderung hini h r e" Taglöhnerinnen sofort alle dem Ver­ein beigetreten, indes die selbständigen Bauersfrauen durch­weg erklärten, sie müßten erst ihre Männer fragen. Aber was wäre Wohl den von der Freiin   abhängigen Taglöhne­rinnen geschehen, wenn sie gewagt hätten, dem Vaterländi­schen Frauenverein nicht beizutreten? Für Frau v. Puttkamer war, wie sie sagte, mit ihren Ausführungen über die glän­zende Lage der Landarbeiterinnen die Landarbeiterfrageer­ledigt". Ihre Worte fanden reichen Beifall und nur schwachen Widerspruch. Trotzdem gab Frau Weber in ihrem Schluß­wort ein treffendes Bild von der wirklichen Lage der Land­arbeiter, doch weiter traute auch sie sich nicht als bis zu der Feststellung, daß der Naturallohn nur die Abhängigkeit der Landarbeiter und keineswegs die Selbständigkeit der Frauen erhöhe. So blieb alles in eitel Harmonie. Es folgte ein Referat von Frau Gnauck- Kühne, die überDie Frage des weiblichen Dien st- j ah res" sprach. Frau Gnauck-Kühne möchte nach mili­tärischem Vorbild eine Armee arbeitender Mädchen ein­richten. Von der Schule in die Kaserne, von da, wenn möglich,