Nr. 14 Die Gleichheit 211 Anser Tag! Genossinnen! Durch die Parteipresse ist euch bereits be­kannt geworden, daß auch in diesem Jahre wieder ein Frauentag" stattfindet, eine Demonstration, die der Forde­rung des demokratischen Frauenwahlrechtes gilt. Der 12. Mai ist als Termin dafür in Aussicht genommen worden. Tie Genossinnen verschiedener Nachbarländer haben bereits zugesagt, am gleichen Tage eine Frauenwahlrechtsdemonstration zu veranstalten. Der Frauentag am 12. Mai wird also eine internationale Demonstration für das volle Bürgerrecht des Weibes sein. Eure Pflicht, Genossinnen, ist es nun, jede Gelegen­heit zu nützen, um Propaganda für den Frauentag zu machen und daniit seinen glänzenden Erfolg sicherzustellen. Es versteht sich von selbst, daß die Partei, die zugunsten der politischen Mündigkeitserklärung der Frau diese De­monstration veranstaltet, auch in diesem Jahre alles tun wird, was zur Voragitation dafür nötig ist. Der Partei­vorstand hat die Bezirksleiter gehört, bevor der Termin fest­gesetzt wurde. Er hat die Generalkommission ersucht, die Aktion wiederum wie im vorigen Jahre zu unterstützen, und diese hat bereitwilligst versprochen, so zu verfahren. Die Getverkschaftsblätter wird das Arbciterinnensekretariat und die Parteiblätter das Frauenbureau mit Artikeln über die Bedeutung des Tages versorgen. Es sind die Redakteure aufgefordert worden, für den Frauentag zu wirken. Ein Flugblatt, das zur Agitation für die Versammlungen verbreitet werden soll, gelangt frühzeitig zur Versendung, und die Genossinnen müssen es als Ehrenpflicht betrachten, in großer Zahl anzutreten, wenn die politische Organisation seine Verbreitung vornimmt. Gleichzeitig mit dem Flug­blatt kommt eine Resolution zur Versendung. Kein Ort, in dem wir eine politische Organisation haben, darf in diesem Jahre zurückstehen, überall müssen am 12. Mai F r a u e n v e r s a m m l u n g e n stattfinden mit dem Thema:Her mit dem Frauenwahlrecht I " Eine Frauenwahlrechtszeitung wird ebenfalls wieder im Verlag derGleichheit" herauskommen. Sache der Ge­nossinnen wird es sein, dafür zu sorgen, daß sie in weit größerer Anzahl als im vergangenen Jahre Verbreitung findet. D)ie Zeitung wird in diesem Jahre einen mehr agi­tatorischen Charakter tragen. Künstlerische Illustrationen sind vorgesehen, so daß wieder alles geschieht, die Zeitung Su einer wertvollen Gabe für die Frauen zu gestalten. Drei Umstände werden sicher in diesem Jahre unserem Frauentag neue, mächtige Impulse geben. Da ist erstens unser prächtiger Wahlsieg zu nennen, der einen Triumph sondergleichen für die Sozialdemokratie bedeutet, und der ihr moralisches Ansehen und ihre Werbekraft stark erhöht hat. Der Wahlsieg und noch mehr der vorhergegangene kraftvolle Wahlkampfhaben weite Kreisepro­letarischer Frauen zum politischen Leben erweckt, die nunmehr mit Freuden ihrem politischen Streben am 12. Mai demonstrativen Ausdruck geben werden. Ferner wird begeisternd auf unsere Veranstaltung der Umstand wirken, daß die sozialdemokratische Fraktion gleich Zu Beginn des Reichstags einen Antrag auf Demokratisie- rung des Reichstagswahlrechts eingebracht hat, der an der Spitze die Forderung des Frauenwahlrechts enthält. Die rasche Einbringung dieses Antrags, schon zu Anfang der Session, hat bestätigt, was wir in unserem Über- blick über den Wahlkampf sagten: die sozialdemokratische Partei wird, wie bisher, den Frauen Treue um Treue hal­len, sie wird den größeren parlamentarischen Einfluß nützen, um nach wie vor und nun erst recht für die politische Gleich­berechtigung der Frau mit Eifer und Energie zu wirken. . Ganz sicher werden schließlich die g e w a l t i g e n w i r t- schaftlichen Kämpfe des In- und Auslandes ihre Rückwirkung auf unsere Proletarierinnen nicht verfehlen. Und wie in der Arbeiterbewegung überhaupt, so wird diese Rückwirkung sich gleichfalls an unserem Frauentag zeigen. Gibt es doch für uns keinen besseren Anschauungsunterricht über die zwingende Notwendigkeit des Besitzes politischer Waffen, als die großen Kämpfe zwischen Kapital und Arbeit, wie wir sie im Bergarbeiterstreik, in der Schneideraussper­rung, in der Aussperrung der Porzellanarbeiter und anderen Lohnkämpfen vor uns sehen. Dieser Anschauungsunterricht wird um so überzeugender sein, wenn, wie beim Kohlen­gräberstreik, die Sozialdemokratie den Notschrei der Aus­gebeuteten vor das Parlament bringt. Denn alsdann zeigt es sich: Regierung und herrschende Klassen sind taub fit» den Ruf der Grubensklaven nach Brot, nach ein wenig freier Zeit, nach ein wenig Sonne für ihr trostloses, gefahrvolles Dasein. Ja, schlimnier noch, dieser Ruf löst bei jenen, dt« in der Sonne wandeln, nur Ausbrüche des Zornes und des Hasses gegen die Enterbten aus. Die Sorge um deng» heiligten" Profit läßt sie lauter und lauter nach gesetzlicher Knebelung der meuternden Grubensklaven verlangen, nach Eskamotierung des Koalitionsrechts und nach brutale» Niederknüttelung der Ausständigen durch Gendarmen und Militär, und das leider mit Erfolg. Je heißer das Ringen zwischen Ausgebeuteten hier und Ausbeutern dort, desto zwingender ist für die Frauen und Töchter des Proletariats das Pflichtgebot, als treue Waffen­gefährtinnen neben den Männern ihrer Klasse zu stehen; desto wichtiger wird es für uns und unseren gemeinsamen Kampf, daß wir Frauen als Gleichgerüstete diesen führe« können, daß die Waffe des Wahlrechts uns nicht länger vor­enthalten bleibt. Es versteht sich, daß alle die Fragen, die beim Wahlkampf zur Aufrüttelung der Massen dienten, auch weiter ihre aufpeitschende Wirkung ausüben und die Not­wendigkeit politischer Waffen für die Frauen klar und klarer erweisen. So namentlich der Imperialismus und in seinem Gefolge die Rüstungen zu Wasser und zu Lande, die nimmer weichende Teuerung aller Gebrauchsgegenstände, insbesondere der Lebensmittel, der Krebsgang der Sozial­gesetzgebung und anderes mehr. Es ist Aufgabe der Genossinnen, die diesen Stand der Dinge voll erkannt haben, diese ihre Erkenntnis weiter zu tragen in die Kreise der politisch Indifferenten und sie auf­zurufen zum Kampfe für unsere politische Gleichberechti­gung. Das soll geschehen in Frauen- und in Volksversamm­lungen, im Gespräch an der Arbeitsstätte, im Freundes- und Bekanntenkreis und wo immer die Gelegenheit gegeben ist. Aber auch in unseren Lese- und Diskutierabenden, in den Mitgliederversamnilungen der Partei und Gewerkschaften müssen die Genossinnen eine Behandlung der so wichtigen Frage des Frauenwahlrechts anregen und durchsetzen. Kurz­um, sie dürfen keine Gelegenheit versäunien, die geeignet ist, dazu beizutragen, daßunser Tag" zu einer wuchtigen Kundgebung für das Frauen­wahlrecht werde.__ Luise Zietz . Im Reiche der Kohle. Zum Streik der Bergarbeiter im Nuhrrevier. Von Duisburg bis hinter Dortmund erstreckt sich das Ge­biet des rheinisch-westfälischen Kohlenbergbaus und bildet gleichsam eine einzige riesige Stadt. Durchqueren wir mit der Bahn diesen gewaltigen Jndustriebezirk, so huschen un­ablässig Hochöfen und Schachtaufzüge an unseren Augen vorüber. Die zwischen den Städten und Dörfern noch liegen­den Fetzen freien Landes werden spärlicher, immer breitere Striche des Bodens macht sich hier der Jndustriekapitalis- mus Untertan. Welchen Gegensatz bildet zu diesem Bezirk noch die linke Rheinseite, wo erst das mächtige neue Werk von Krupp in das Grün der Wiesen und die Ruhe ländlicher Schönheit Bresche geschlagen hat. Auf der anderen Seite des Flusses aber drängen sich dicht die industriellen Riesen­betriebe und geben der Gegend das Aussehen eines vom Feinde verwüsteten und ausgebrannten Landes. Eine dumpfe,