Die Gleichheit 2lZ Nr. 14 Säbel und Flinte bekamen zu tun. Und was! In Herne wurde zur Staatsrettung ein 15 Jahre alter Junge er­schossen. In R o t t h a u s e n erhielt eine 65 Jahre alte Frau einen Schuß ins Vein. In Wattenscheid wurden zwei Bergleute von einem aufgehetzten Gendarmen erschossen, und zwar waren die beiden Arbeitswilligel An der Ge­meindewirtschaft in Hordel standen Frauen. Ganz ruhig. Nicht einmal ein Wort wurde gesprochen. Ein Gendarm trat heran und trieb die Frauen mit dem Kolben auseinander. In Eppendorf fand eine Hochzeit statt. Ein Gendarm trieb alle Gäste zum Haus hinaus. In B o t t r o p schimpften Streikbrecher eine Frau Hure: als die Beleidigte sich das verbat, wurde sie verhaftet! Das Kapitel des Terrors gegen die Streikenden und ihre Angehörigen ist unerschöpf­lich. Wie die staatlichen Organe zur Sicherung der Ordnung ihres Amtes walteten, bezeugt unter anderem auch ein bürgerliches Blatt, derDuisburger Generalanzeiger": »Uns kommen von den verschiedensten Seiten und von den ein- wandfrcieslen Zeugen begründete Klagen darüber zu Gehör, daß die Organe der Sicherheit teilweise nicht mit der Ruhe und Um­sicht verfahren, die der Ernst des Augenblicks erheischt. Wenn wir heute noch nicht mit Einzelfällen der Öffentlichkeit dienen, so tun wir es lediglich in der ernsten Hoffnung, daß sich die maßgebenden Behörden eine Mahnung gern gefallen lassen werden. Sollten aber noch mehr einwandfreie Personen, deren Gesinnung über jeden Zweifel erhaben ist, in dem Gefühl bitterster Kränkung ihres Ge- rcchtigkeitsempfindenS sich an uns wenden, so werden wir kein Be­denken mehr tragen, diejenigen an den Pranger zu stellen, die sich zu Ausschreitungen als Sicherheitsorgane hinreißen lassen, die daS, wozu sie von Berufs wegen bestimmt sind, in da? Gegenteil verkehren. Wir werden nicht verhindern können, daß sich die Mei- nung in unserer Bevölkerung festsetzt, daß die Negierung unvor­sichtig gewesen ist in der Auswahl der zum Schutze der Arbeits­willigen bestimmten Organe, daß man zu glauben beginnt, daß eS sich nicht handelt um alte, erfahrene, im Sicherheitsdienst er­probte und mit der Volksseele vertraute Sicherheitsmonnschaften, sondern um Aushilfsmannschaften, die unter Umständen mehr schaden als nützen können. Natürlich feierte auch die Justiz des Klassenstaates nicht.Recht schnell", war ihre Losung. Warum? Um auf das Ende des Streiks einzuwirken, um sich, die sonst so wegen ihrer Schwerfälligkeit verhöhnt wird, als brauchbares Werkzeug der Klassenherrschaft zu erweisen. Wurde doch offen erklärt, daß nian sogar die mit geringen Strafen belegten Streikenden gleich festhalten müsse,um sie von der Straße fernzuhalten". Irgend einen rechtlichen Grund aus der gesetzlichen Nüstkammer unsere» Klassenstaate» anzu­führen, wurde gar nicht der Mühe wert gehalten. Wozu auch eine Hülle für die nackte Gewalt I Der lechzende Eifer der Justiz hatte keine Zeit, den Schein zu wahren I Aber in der wahnsinnigen Eile vergaß man trotzdem nicht, Licht und Schatten richtig zu verteilen. In L ü n e n, wo auch die Mit­glieder des christlichen Gewerkvereins gegen den Willen ihrer Führer mitstreikten, hat einer dieser Herren einen Streikenden erschossen. Die Polizeistellte fest", daß der Tätereinen Waffenschein besaß", und sie ließ den Mann laufen I Ein Pfui gegen Streikbrecher brachte aber Streiken­den und ihren Frauen schwere Gefängnisstrafen und so­fortige Verhaftung! Bei einer Frau, die wegen des Zurufs Streikbrecher" einen Monat Gefängnis erhalten hat, uahin das Gericht nur deshalb von einer sofortigen Verhaftung Ab­stand, weil die Verurteilte vier kleine Kinder zu versorgen hatte! Ein Dortmunder Jurist nahm in einer bürgerlichen Zeitung gegen solche Art Justiz Stellung. Zu dem Aufgebot brutaler Gewalt erscholl als Begleitung die wütende Hetze von Regierung und bürgerlichen Parteien in den Parlamenten. Fast ganz allein kämpfte dort die Sozialdemokratie gegen die reaktionäre Meute. Als Zechenanwälte bewährten sich wieder die Minister, und diefreisinnigen" Freunde der Hirsch-Dunckerschen Gewerkschafter schwangen sich zumal im preußischen Dreiklassenparlament nur zu einer matten Ver­teidigung der Streikenden auf. Die bürgerliche Presse nahm mit wenigen Ausnahmen gegen die Streikenden und für die Unternehmer Partei. Irreführende Zahlen wurden ver- öffentlicht. Die Grubenbesitzer drohten den Kämpfenden mit Lohnabzug von sechs Schichten wegen Kontraktbruch. Sie verlangten die Räumung der Zechenwohnungen. Die bei­spiellose, nie dagewesene Hetze brachte die Reihen der Strei­kenden zum Wanken. Das Aufgebot von Gendarmen, In­fanterie, Kavallerie und Maschinengewehren, die grausame Handhabung der Justiz, das alles verfehlte seinen Eindruck auf einfache, lang unterjochte Menschen nicht. Ein Teil der Kämpfenden bröckelte ab, und es stand zu befürchten, daß der Streik langsam verbluten würde. Eine Abstimmung der Vertrauensmänner ergab nicht mehr die erforderliche Drei­viertelmehrheit für die Weiterführung des Kampfes, und so erfolgte der Beschluß, den Streik abzubrechen, ob- schon noch ungefähr 156666 Knappen ausständig waren. Wohl haben die Bergarbeiter eine Niederlage erlitten, aber niedergeworfen sind sie nicht, und sie haben auch nicht vergeblich gekämpft! Der Streik im Ruhrrevier beleuchtet grell diesich ausgleichenden Klassengegensätze". Sobald die großen Arbeiterorganisationen nur einen Schritt tun, um angesichts der Riesengewinne der Kapitalisten von dem stei­genden Arbeitsertrag den Arbeitenden-einen menschenwür­digen Lohn zu sichern, bietet die bürgerliche Gesellschaft ihre sämtlichen Werkzeuge und Einrichtungen gegen sie auf. Re­gierung, Parlament, Presse, Militär, Polizei, Justiz und Kirche stellt das Kapital als Meute in seinen Dienst, um den Proletarier niederzuhetzen, der sich seinem Joche zu ent­ziehen wagte. So hat der Streik der Bergarbeiter wieder größere Klarheit über daS Kampffeld zwischen Kapital und Arbeit gebrockt: der ganze Boden der bürgerlichen Ordnung ist Feindesland für die Arbeiterklasse. Den schwersten Schlag in diesem Kampfe hat daher in Wirklichkeit das Zentrum und seine Gewerkschaften erlitten, die dem Arbeiter da» Schwert des Klassenkampfe» zu entreißen suchen. Die Wir­kungen des niederträchtigen Verrats an der Arbeitersache werden ihnen ihre hämische Siegesfreude bald vergällen. Aus Wut iiber die gegnerischen Organisationen ließen sich die christlichen Arbeiterführer hinreißen, die Interessen der Arbeiter mit Füßen zu treten. Bereits beginnt die Rache sie zu erreichen. Schon verlangen die Unternehmer, die christ­lichen Gewerkschaften sollten sich offen mit den gelben Werk­vereinen verbinden; nicht lange mehr, und diegleichen Brüder" tragen auchgleiche Kappen". Die Sieger im Lager der Unternehmer aber sollen sich ihres Erfolges nicht zu lang erfreuen. Sie können sicher sein, die besiegten Bergknappen kehren reisiger wieder". W. Häusgen, Dortmund . Der deutsche Frauenkongreß. («chluß.) Der Mittwochvormittag war Bildung»- und Erziehungs­fragen gewidmet.Die Frage des gemeinsamen Unterrichts der Geschlechter(Koedukation) wurde von drei verschiedenen Referentinnen behandelt. Als erste sprach Frau vr. M e w a l d t- v. W e d e l, Greifswald , als zweite Professor Florence Keys, Vassar College , im Osten der Vereinigten Staaten von Nordamerika . Beide traten für die gemeinsame Erziehung der Ge­schlechter ein. Die amerikanische Hochschullehrerin ent­rollt ein interessantes Bild von der Entwicklung der Schule in den Vereinigten Staaten . Sie sieht in dem gleichen Unter­richt eines ganzen Volkes die einzige Stütze einer wirklichen Demokratie. Schade, daß eine sonst kluge und weitblickende Frau völlig in der bürgerlichen Auffassung stecken bleiben konnte! Was nutzen die schönsten Bildungseinrichtungen, wenn Millionen keinen Gebrauch davon machen können, weil ihre Armut sie zwingt, frühzeitig zu verdienen? Mit keinem Worte gedachte die Vortragende der vielen, die vom vier­zehnten Jahre an um ihr tägliches Brot arbeiten müssen,