218 Die Gleichheit Nr. 14 Frauenleiden werden zum großen Teile von den erbärmlichen sozialen Zuständen verursacht, in denen das Proletariat lebt. Und daß die herrschenden Klassen gar nicht den guten Willen haben, daran etwas zu bessern, das hat das Schicksal des Säuglings- und Mutterschutzes bei der Schaffung der Reichsversicherungsordnung unerschütterlich festgestellt. Gibt es eine bessere Gelegenheit zur Aufklärung der Frauen darüber als das von Genossin Warten­berg gewählte Thema? Es versteht sich, daß diese die soziale Ver- ständnislosigkeit und Gewissenlosigkeit der herrschenden Klassen gehörig geißelte. Der Beifall, den sie erntete, bewies nicht nur, daß sie von den proletarischen Frauen verstanden wurde, sondern daß sie ihnen auch aus dem Herzen gesprochen hatte. Kein Wunder, daß deshalb eine Versammlung immer besser besucht war als die andere. Die zahlreichen und guten Lichtbilder, an denen Genossin Wartcnberg ihre Ausführungen erläuterte, trugen we­sentlich dazu bei, das Verständnis zu erhöhen. Die Vorträge be­handelten außer dem bereits angegebenen Thema noch die Frauen- und Kinderarbeit und ihre Wirkung besonders in der Heim­industrie; Mutterschaft und Kindererziehung: die sozialen Ur­sachen der Prostitution: die Geschlechtskrankheiten usw. Zu allen Fragen gab die Neferentin praktische Winke und Anregungen; nie kam bei ihren Ausführungen das Gefühl auf, als werde ein oberflächlich zusammengesuchtes Sammelsurium von allerhand Tatsachen vorgebracht. Man empfand, das Gebotene war inner­lich gut durchdacht und verarbeitet, und die anwesenden Frauen haben viel gelernt. Wir hoffen in Gotha , daß diese Vorträge uns für den kommenden Frauentag so viel nützen, wie sie uns schon bei der Wahl genützt haben, wo zahlreiche Frauen durch Flugblatt- und Stimmzettelverteilen sich als tüchtige Helferinnen erwiesen. O. G., Gotha . Von den Organisationen. Die Organisation der Genossinnen in Wirges im Westerwald macht in der letzten Zeit wieder gute Fortschritte. Durch eine Hausagitation und eine Frauenversamm­lung haben die Genossinnen die Zahl der weiblichen Parteimitglieder in den letzten Wochen verdoppelt. Wirges ist ein Glasmacherdorf mit kaum 3l)00 Einwohnern, von denen die Hälfte verbissene Gegner der Sozialdemokratie sind. Durch die Abwanderung von GlaSmacher- familien war die proletarische Frauenbewegung in den letzten Jahren leider zurückgegangen, so daß nur noch 33 Genossinnen der Partei angehörten. Dieser Rückgang ist nun wieder wett gemacht worden. Die Zahl der organisierten Genossinnen ist auf 75 gestiegen, die der Leserinnen derGleichheit"' auf 80. In dem Nachbarort Höhr haben die Genossinnen die ersten Ansätze gemacht, Frauen für die Partei zu gewinnen. Ihre aufklärende Arbeit wird den Proletarie­rinnen der Gegend die Ideen des Sozialismus bringen, mag der Westerwald einstweilen noch so schwarz sein. Rosa Hubert. Am 13. März fand in Stuttgart eine öffentliche Versammlung der politisch organisierten Genossinnen statt, die Stellung zu der am 23. April nach dort einberufenen württembergischen Frauenlonferenz nahm. Genossin Zetkin hielt einen Vortrag überDie Entwicklung der Frauenarbeit in Württem­ berg " und gab auf Grund ihrer Darlegungen über die wirt­schaftliche Lage der Frauen des Landes Anregungen zur künftigen Förderung der proletarischen Frauenbewegung. An der Diskus­sion beteiligten sich die Genossinnen Vorhölzer, Claire Seiffer», Müller, Duncker und Zetkin. Die Diskus­sionsrednerinnen klagten namentlich darüber, daß ein großer Teil der politisch und gewerkschaftlich organisierten Männer in Würt- temberg der Organisierung der Frauen gleichgültig, ja abwehrend gegenüberstehen. Unter der Arbeiterbevölkcrung herrschen vielfach veraltete Ansichten, die die Agitation unter den Frauen sehr er­schweren. Der Landesvorstand habe es bisher an der notwendigen Arbeit zur Organisierung der Proletarierinnen fehlen lassen. Ge­nossin Zetkin wies auf den Zusammenhang zwischen Frauen­bewegung und Jugendbewegung hin und betonte, wie nötig eS für die Genossinnen sei, die letztere mit allen Mitteln zu fördern. Der folgende Antrag, den Genossin Duncker einbrachte und be­gründete, wurde von der Versammlung einstimmig angenommen und soll der Frauenkonferenz unterbreitet werden: Zur Betreibung einer energischen und systematischen Agi­tation unter den proletarischen Frauen Württembergs beschließt die Frauenkonferenz: 1. Es wird eine Frauenagitationskommis- sion gebildet, zu der vom 1. Wahlkreis zwei, vom 2., 3., 5. und 10. je eine Genossin gewählt wird. 2. Diese Agitationskommission hat die Aufgabe, in Verbindung mit dem Landcsvorstand und den in Betracht kommenden Organisationen die Agitation unter den Arbeiterinnen und Arbeiterfrauen ständig zu fördern und für die prinzipielle Schulung der weiblichen Mitglieder Sorge zu tragen. Zu diesem Zwecke kommen die Mitglieder der Kommission all­vierteljährlich einmal zusammen, besprechen ihre Erfahrungen und stellen den Agitationsplan für das kommende Quartal auf. Auch das Programm für etwaige Lese- und Diskussionsabende der Genossinnen wird von ihnen beschlossen. 3. Sobald als irgend möglich ist eine Sekretärin für die Frauenagitation in Württem­ berg anzustellen, deren Wahl durch die genannte Kommission im Einverständnis mit dem Landesvorstand und den beteiligten Or­ganisationen stattfindet. Die Frauenagitationskommission steht dieser Genossin zur Seite, berät mit ihr ihren Arbeitsplan und kontrolliert ihre Leistungen." Ein weiterer Antrag der Genossin Seifsert, auf der Frauenkonferenz ein Referat über die Ent­wicklung der Frauenarbeit in Württemberg von Genossin Zetkin halten zu lassen, gelangte gleichfalls zur Annahme. Genossin Seifsert beantragte außerdem, auf die Tagesordnung der Konferenz je ein Referat überdie Bedeutung der Landtags- und Kommunalwahlen für die Frauen" und über dieAlkoholfrage" zu setzen. Im Hinblick auf die kurze Verhandlungszeit der Kon­ferenz wurde in der Diskussion vorgeschlagen, Genossin Claire Seifsert möge die letzeren Anträge zurückziehen und dafür der Frauenkonferenz Resolutionen zu den beiden Fragen vorlegen. Damit erklärte sich die Antragstcllerin einverstanden. Die organi­sierten Genossinnen von Zuffenhausen sind in einer gut besuchten Versammlung dem Beschluß der Stuttgarter Genossinnen beige­treten. Eine Konferenz der Genossinnen, die in den Vorständen und Ortsverwaltungen deS vierten, fünften und sechsten sächsischen Wahlkreises tätig sind, fand am 27. Februar in Dresden statt. Auf der Tagesordnung standen folgende Fragen: 1. Wie stellen sich die Genossinnen zur Einführung von Beschwerdestellen für Arbeite­rinnen? s. Wie denken sich die Genossinnen diese? b. Wieviel Beschwerdestellen sind zu errichten und wo? 2. Der Frauentag am 12. Mai und seine Bedeutung. 3. Aufhebung aller Beschlüsse für die drei Kreise, welche die Delegationen zum Parteitag und zu den Landeskonferenzen betreffen. Zu jedem Punkte gab Genossin Wackwitz eine Einleitung. An der lebhaften Diskussion be­teiligten sich 21 Genossinnen. Es wurden folgende Beschlüsse ge­faßt: Nach Ansicht der in den Verwaltungen der drei Kreise tätigen Genossinnen sind Beschwerdestellen für Arbeiterinnen notwendig. Diese Beschwerdestellen sollen keine Abzweigung der gewerkschaft­lichen Organisation darstellen, sondern dazu beitragen, die Ar­beiterinnen mehr denn je für den Gedanken des gewerkschaftlichen Zusammenschlusses zu gewinnen. Es sollen nach der Ansicht der Genossinnen dadurch diejenigen gewonnen werden, die nicht in die Fabrikbcsprechungen kommen und ihre Beschwerden dort nicht vor­bringen. Wie die Genossinnen in den Beschwerdestellen zu arbeiten haben, das zu bestimmen bleibt dem Kartellvorstand überlassen. Nach der Meinung der Genossinnen wären Beschwerdestellen in den großen Fabrikzentren zu errichten, so für den sechsten Kreis in Löbtau , Striesen , Plauenscher Grund, für den fünften Kreis im Volkshaus und in der Adam-Kaulbachstraße, für den vierten Kreis in Neustadt, Pieschen und Radebeul . Auch darüber soll da? Gewerkschaftskartell selbst bestimmen. Die Genossinnen, die in den Beschwerdestellen arbeiten würden, müßten das nötige Ma- terial dafür erhalten, wie Gewerbeordnung, Kinder- und Arbeiter­schutzgesetz, dazu ein Kontrollbuch zum Notieren der einzelnen Be- schwerden. Die eingegangenen Beschwerden sind sofort entweder dem Kartell oder den einzelnen Gewerkschaften zu übermitteln. Zum dritten Punkt der Tagesordnung wurde der Wunsch an die KreiS- vorstände gerichtet, die veralteten Beschlüsse über die Delegation zum Parteitag und zu den Landeskonferenzen aufzuheben und jedem Kreis die Pflicht aufzuerlegen, bei der Wahl der Dele­gierten eine Genossin mit in Vorschlag zu bringen und zu dele­gieren. Die gefaßten Beschlüsse wurden den Kreisvorständen und dem Vorstand des Gewerkschaftskartells zur weiteren Erwägung übergeben. Marie Wackwitz . SlgitationSliteratur. Den Genossinnen, die in letzter Zeit im Frauenbureau angefragt haben wegen des Bezug« der Broschüre: Die Frau und der politische Kampf", die im vergangenen Jabre von Genossin Zietz im Auftrage deS Parteivorstandes geschrieben wurde, diene zur Nachricht, daß in den nächsten Tagen die zweir« verbesserte und erweiterte Auflage in der BuchhandlungVorwärts", Berlin , erscheint. Die Broschüre, die im Buchhandel 20 Pf. kostet, wird bei größeren Bezügen für 6 Pf. das Eremplar abgegeben. Außerdem erscheint eine Ausgabe in besserer Ausstartung, deren Preis noch durch Annonce bekannt gegeben wird. Aus dem Inhalt heben wir hervor: 1. Die Wandlung in den Anschauungen der Frau; 2. Umfang und Hauptursachen der Frauen­erwerbsarbeit; 3. Fraueninteressen und Politik, u. Das Koalitions­recht und der Arbeiterinnenschuy, b. Die Arbeiterverstcherung, o. Die