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Aus der Bewegung.
Die Gleichheit
Von der Agitation. Ende März sprach die Unterzeichnete über das Thema:„ Die Befreiung der Frau durch den Sozialismus“ in Halberstadt , Osterwiec, Calbe und Aschersleben . Die Versammlungen hätten durchschnittlich besser besucht sein können, doch wurden immerhin etwa 60 neue Mitglieder für die Partei gewonnen. Die große Anspannung der Frauen während des Wahlkampfes scheint jezt ein Ruhebedürfnis zur Folge zu haben. Aber es darf kein Stillstand in der Agitation eintreten. Wir haben keine Zeit, müde zu sein; unsere Parole ist stets: Vorwärts zu neuer Arbeit, um unsere noch fernstehenden Mitschwestern in den Kampf für ein besseres Leben zu ziehen. W. Kähler.
über den sittlichen Wert der seguellen Aufklärung in der Arbeiterfamilie sprach die Unterzeichnete im Monat März in Burgdamm, Hemelingen und Bremerhaven . In Hemelingen , wo die Versammlung vom Bildungsausschuß veranstaltet war, hatte der Herr Landrat zunächst Einspruch dagegen erhoben, daß ge= meinsam vor Männern und Frauen über eine solche Frage gesprochen werden solle. Die sittlichen Bedenken des hohen Herrn wurden jedoch von dem Vorsitzenden, Genossen Fras untiwicz, entkräftet, und die Versammlung durfte stattfinden. Der Verlauf der Versammlungen war überall schön, und es wurde von vielen Seiten der Wunsch geäußert, daß den Eltern öfter Gelegenheit geboten werden möchte, etwas über moderne Erziehungsfragen, unter Berücksichtigung der seguellen Aufklärung, zu hören. Dieser Wunsch ist sehr berechtigt, da die Unkenntnis über die wichtigsten Lebensvorgänge und die schlimmen Folgen geschlechtlicher Verirrungen für die kommende Generation geradezu erschreckend groß ist. Die Vortragende betonte, daß man sich frei machen muß von dem Begriff„ Aufklärung", der die meisten Mütter abschreckt, und daß alle jungen Mütter ihre Kinder nicht über geschlechtliche Dinge aufklären", sondern sie in einer reinen Auffassung der Menschwerdung zu geschlechtlicher Vollreife erziehen sollen. Logisch gliederten sich an diese Ausführungen Beispiele aus der Praxis mit besonderer Berücksichtigung der Werdevorgänge in der umgebenden Natur an. Selbstverständlich wurde der hemmende Einfluß unserer heutigen kapitalistischen Wirtschaftsordnung auf die Erziehung der proletarischen Jugend eingehend erörtert. Erfreulich war das Verständnis, welches die Ausführungen fanden. Von den Jugendausschüssen in Vegesad und Bremerhaven waren Versammlungen mit dem Thema„ Der junge Arbeiter und die Kulturentwicklung" einberufen worden. Die Versammlung in Vegesac konnte leider örtlicher Verhältnisse wegen nicht stattfinden; der Verlauf derjenigen in Bremer haven war sehr gut. Klara Bohm- Schuch.
Von den Organisationen. Einen sehr erfreulichen Aufschwung nimmt in letzter Zeit unsere Bewegung in Merseburg . Es ist gelungen, auch die Frauen mehr und mehr für die sozialdemokra tischen Ideen zu interessieren. Das ist um so erfreulicher, als es die Hoffnung zuläßt, daß dadurch der hier bestehenden Vereinsmeierei etwas Abbruch geschieht. Zahlreiche Frauen sind der Parteiorganisation beigetreten. Sie halten an jedem ersten Diens tag im Monat einen Diskussionsabend ab, in dem sie über wichtige Tagesfragen aufgeklärt werden. Man hofft, daß sie dadurch Verständnis für die Politik gewinnen. Manchem Genossen wird durch solche Schulung der Genossinnen die Arbeit für die Partei, die Gewerkschaft und Genossenschaft erleichtert werden. Erhält die Frau erst Einblick in die segensreiche Tätigkeit dieser drei Zweige der Arbeiterbewegung, so wird sich im häuslichen Kreise manche Gelegenheit zum Gedankenaustausch zwischen Mann und Frau finden. Der günstige Einfluß davon auf die Kinder kann nicht ausbleiben. Der erste Diskussionsabend der Genossinnen war von 32, der zweite von 58 Frauen besucht. An der letzten Veranstaltung hielt Genosse Krüger einen Vortrag über Kindererziehung, dem die Frauen voller Aufmerksamkeit lauschten. Hoffen wir, daß ihr Interesse für die Behandlung ernster Fragen anhält.
Genossin Krüger.
Der Zusammenschluß der proletarischen Frauen von Köln ant Rhein in der sozialdemokratischen Partei macht Fortschritte. Die Zahl der weiblichen Mitglieder ist so gestiegen, daß sie bald tausend betragen wird. Am 17. April fand der erste Frauenleseabend statt. Alte und junge Genossinnen nahmen an ihm teil, die alle voller Hoffnungsfreudigkeit und Betätigungseifer waren und mit großem Interesse den Worten des Genossen Runge lauschten. In leichtverständlicher Weise legte er dar, was an den Frauenleseabenden gelehrt und diskutiert werden soll. Es war eine Freude, zu sehen, wie zahlreich und lebhaft die Frauen an der Diskussion teilnahmen. Immer und immer wieder meldeten
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fich neue Genofsinnen zum Worte und gaben allerlei Anregungen, zum Beispiel über Ferienspaziergänge mit den Kindern, über Kinderschutz usw. So ist die erste Zusammenkunft der Genossinnen sehr schön verlaufen und hat die Hoffnung geweckt, daß die Arbeit der Leseabende zur Schulung der Genossinnen erfolgreich sein wird, zum Nußen der proletarischen Frauenbewegung und damit der Gesamtbewegung in Köln . Die nächste Zusammenkunft der Genossinnen findet am Dienstag den 14. Mai statt. Gewiß werden die Genossinnen sie wieder zahlreich besuchen und so anregend gestalten wie die erste. Von nun an muß es in Köln mit der Arbeit der Genossinnen ununterbrochen vorwärts gehen. J. R.
Wir fordern.
Ihr meine Schwestern, die ihr schafft In Scheun' und Stall, in Flur und Feld, Ihr meine Schwestern, deren Kraft In dumpfiger Fabrik zerschellt, Und ihr, die ihr die fleiß'ge Hand In Heimarbeit beständig regt, Und denen erst am Grabesrand Die Feierabendglocke schlägt.
Ich ruf euch alle! Kommt herbei Aus Nacht und Elend, Not und Leid, Macht euch von euren Ketten frei, Euch ruft der Geist der neuen Zeit. Euch ruft, was groß und stark und rein, Euch ruft das Recht und ruft die Pflicht, Seht, dort im hellen Flammenschein Erglänzt der Zukunft Angesicht!
Ihr macht durch eure Armut reich Den Feind, durch euren Hunger satt. Ist eine einz'ge unter euch, Die nur genug zum Leben hat? Geht nicht, selbst in der besten Zeit, Die Sorge ständig aus und ein, Und raunt euch zu: So ging es heut, Wie aber wird es morgen sein? Bon früh bis in die späte Nacht Ist es ein Heben ohne Ruh.
Ihr schafft den Reichen Lust und Pracht Und seht mit leeren Händen zu. Jedoch nun wollen endlich wir Die Früchte unserer Arbeit sehn Und nicht vor des Gesetzes Tür Als Bettler ohne Nechte stehn. Denn wir sind stark! Und unsre Kraft, Erprobt in Kampf und tausend Plagen, Soll uns in heil'ger Leidenschaft Vorwärts zum hohen Siege tragen. Was höhnt ihr und was schmeichelt ihr? Des Willens Glut fönnt ihr nicht zähmen! Das Frauenwahlrecht fordern wir.
Ihr gebt's uns nicht: Wir werden's nehmen! Emma Döly.
Politische Rundschau.
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Die Wehr vorlagen und die Dedungsvorlagen find dem Reichstag am 15. April zugegangen, und die Bescherung, die dem deutschen Volke zugedacht ist, läßt sich jetzt genauer übersehen. Wenn man in den letzten Wochen nach der offiziösen Mitteilung der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung" angenommen hatte, daß die Kosten der Rüstungsverstärkung eine halbe Milliarde nicht überschreiten würden, so hat man den Appetit des Militarismus unterschätzt die Vorlagen ergeben einen Kostenaufwand von 650,5 Millionen Mark, die sich auf sechs Jahre berteilen. Das ist aber noch nicht alles, was in den nächsten sechs Jahren mehr als bisher schon für Heer und Flotte aufgebracht werden soll. Denn schon nach den bestehenden Gesetzen über Heer und Flotte erhöhen sich die Ausgaben für beide in den Jahren 1912 bis 1916 um 239,2 Millionen Mart, so daß also in den nächsten sechs Jahren im ganzen 889,7 Millionen Mart mehr als bisher für die sogenannte Landesverteidigung berausgabt werden sollen. Dabei haben wir ohnehin schon einen Rüstungsetat Heer, Marine, Verzinsung der Reichsschuld, Kolonialausgaben und Invaliden- und Pensionsfonds für Militärpersonen und -beamte von rund 1600 Millionen Mark. In einigen Jahren
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