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Die Gleichheit

gilt die Jugend- und Bildungsbewegung zu fördern. Frauen her­aus! Frauen vor die Front! Hinein in den Kampf mit dem alten Trotruf: Und wenn die Welt voll Teufel wär' Und wollt' uns gar verschlingen, So fürchten wir uns nicht so sehr, Es muß uns doch gelingen."

Aus der Bewegung.

Nr. 18

Eine Konferenz der organisierten Genoffinnen des zehnten fächsischen Reichstagswahlkreises tagte am 21. April in Döbeln  . Fast aus allen Orten waren zahlreich Teilnehmerinnen er­schienen. Genoffin Baader- Berlin hielt einen sehr eingehenden und belehrenden Vortrag darüber, wie die Agitation unter den Arbeiterfrauen und Arbeiterinnen betrieben werden soll und wie Emil Unger. notwendig der Anschluß der proletarischen Frauen an die sozial­demokratische Partei ist. Sie erntete reichen Beifall für ihre zwei­stündigen Ausführungen. In der Diskussion zeigte Genossin Spindler an der Hand von Zahlen, wie drückend Zölle und indirekte Steuern den Arbeiterhaushalt belasten und die Wirt­schaftsführung der Frauen erschweren. Genossin Drechsler kennzeichnete das geringe Interesse mancher Männer dafür, daß auch die Frauen und Töchter aufgeklärt und der politischen Or­ganisation zugeführt werden. Sie forderte die Genossen dringend auf, in der Förderung der proletarischen Frauenbewegung nicht zu erbahmen. Dem Kreisvorstand sprach sie im Namen der or­ganisierten Genossinnen den Dank für das Zustandekommen der Konferenz aus. Auf die Notwendigkeit, daß auch die Frauen die sozialdemokratische Presse. und Literatur lesen, wies Genossin Schilling hin. Sie widerlegte dabei die Ausreden mancher Frauen, daß sie keine Zeit zum Lesen hätten. Solange sie Zeit fänden, meinte unsere Genossin, um überstunden zu machen, die die Löhne drücken, wie dies hauptsächlich in der Tabakindustrie der Fall sei, müßten sie auch Zeit für ihre Bildung gewinnen. Nach einem kräftigen Schlußwort der Genossin Baader fand die anregende Veranstaltung ihr Ende.

Von der Agitation. Für die Aufklärung der proletarischen Frauen in Thüringen   hatte die Unterzeichnete zu wirken. Im Kreise Nordhausen   referierte sie in Heinrode, Salza  , Großwechsungen  , Kleinwechsungen, Großwerther, Nordhausen  , Ellrich  . Im Mühlhausener   Streise fanden in Tennstedt  , Langensalza  , Mühl­ hausen   und Sömmerda   Versammlungen statt. Gispersleben  , Dießhammer, Stüßerbach und Silbach wurden im Kreise Erfurt   von der Agitation erfaßt. Eine in Heiligenstadt   ge= plante Versammlung mußte infolge Lokalabtreibung ausfallen. Es waren meist kleine Orte, wo die sozialistische Ideensaat ausgestreut werden sollte, doch war der Versammlungsbesuch mit einer Aus­nahme ein recht guter. In Diethammer zum Beispiel waren etwa 300 Personen anwesend. Was der Unterzeichneten im schönen Thü­ ringer   Lande am meisten auffiel, das war die große Armut der Bewohner und dabei wiederum die überaus elende Lage der Frauen. Blage und Entbehrung ist hier das Los der Arbeiterschaft. In den rheinisch- westfälischen Industriezentren gibt es wahrlich auch Massen elend genug, aber so erbärmliche Lebensverhältnisse wie sie in Thüringen   die Regel sind, findet man dort trotz alledem im all­gemeinen nicht. In der Landwirtschaft, in der Industrie und in der Heimarbeit quälen sich die thüringer   Proletarierinnen ab, um den fargen Verdienst der Männer zu ergänzen. Der Kapitalismus lastet schwer auf ihnen, mit hartem Griff raubt er ihnen Zeit und Kraft, Weib, Mensch zu sein. Da die sozialdemokratische Frauen­bewegung in der Gegend meist noch sehr schwach ist, oder erst auf­zukeimen beginnt, lebt die Mehrzahl unserer Klassenschwestern dort hoffnungslos dahin. Erst mit dem Sozialismus wird ihnen die Stunde der endlichen Erlösung. Wohl denen, die ihre Hoffnung an diesem Stabe fürs Leben emporranten! An manchen Orten erhielt ich durch Hausagitation Einblick in solchen Jammer, daß mir die Wahrheit des Sages von Karl Marx   aufging: Das Proletariat hat nichts zu verlieren als seine Ketten, aber eine Welt zu ge= winnen." In den Versammlungen waren die Frauen sehr auf­merksam. Vielen ging da eine neue Welt auf. Es erwachte der Mut, zu leben, zu kämpfen für sich und die Zukunft des Proleta­riats. Die Partei gewann in den Versammlungen gegen 170 neue Mitglieder. Wir hoffen, daß der Stamm tüchtiger Genossinnen in Thüringen   rührig die nötige Kleinarbeit verrichten wird, um die Gewonnenen zu halten und zu schulen. Die Befreiung der werk­tätigen Frauen kann nur durch den Sozialismus erfolgen, dessen Erfüllung das Werk der gesamten Arbeiterklasse sein muß. Aber die große Befreiungstat hat zur Bedingung, daß jeder einzelne seine ganze Kraft für das gemeinsame Ziel einsetzt. Für die Frauen gilt dasselbe wie für die Männer. L. Agnes, Düsseldorf  .

Im Auftrage des Fabrikarbeiterverbandes, Verwaltungs­stelle Braunschweig   sprach die Unterzeichnete anfangs Mai in Versammlungen in Braunschweig  , Wolfenbüttel  , Steterburg und Lehndorf  . Das Thema lautete: Die Frauen im Kampf ums Brot." Gerade in diesen Orten müssen tausende von Frauen bei elender Entlohnung erwerbstätig sein, und viele von ihnen haben bereits den Weg zur Organisation gefunden. Mit Ausnahme von Steter­burg waren trotzdem die Versammlungen nicht besonders gut besucht. Es scheint, als ob im allgemeinen die Zeit für die Versammlungen nicht allzu günstig war; vor allem folgten sie zu dicht auf die Mai­feier. Wolfenbüttel   ist übrigens wegen seiner schlechtbesuchten Ver­sammlungen unrühmlichst bekannt. Der Braunschweiger   Verbands­leiter, Genosse Genzen  , legte denn auch nach dem Vortrage den An wesenden ans Herz, tatkräftiger für den Besuch der Versammlungen, wie für den Anschluß an den Verband zu werben. Die Wolfen­ bütteler   Arbeiterschaft solle sich ein Beispiel nehmen an Braun­ schweig  , wo sich im letzten Jahre der Verband gut entwickelte. Aufnahmen für die Organisation wurden überall gemacht, besonders in Steterburg, wo die Versammlung außerordentlich gut besucht war, und wo auch die meisten Unorganisierten an ihr teilnahmen. Haben die Versammlungen leider nicht ganz den Erwartungen ent­sprochen, so darf das nicht entmutigen, sondern soll eine Mahnung sein zur rastlosen Aufklärungsarbeit unter den Massen.

Frieda Wulff.

M. D.

Eine Konferenz der sozialdemokratischen Frauen Württem­bergs hat unter dem Vorsitz des Landesvorstandes am 28. April in Stuttgart   stattgefunden. Die Parteiorganisationen von 27 Orten hatten sie mit zusammen 67 weiblichen Delegierten be­schickt. Außer ihnen und der Vertretung des Landesvorstandes nahmen an ihr eine größere Anzahl Gäste teil sowie Genossin Ziet als Beauftragte des Parteivorstandes. Die Tagesordnung wurde mit einem Begrüßungslied eröffnet, das Mitglieder der Lassallia und der Stuttgarter   Damenchor unter Leitung von Frau Brenner wirkungsvoll vortrugen. Genosse Hildenbrand, der die Verhandlungen leitete, begrüßte die Konferenz im Namen des Landesvorstandes. Er gab einen Überblick über die Entwid­lung der sozialdemokratischen Frauenbewegung in Württemberg  , wies auf die Aufgabe der Genofsinnen hin und betonte, daß der Landesvorstand bestrebt sein werde, sie tatkräftig zu fördern.

Genossin 3ie erstattete ein Referat über Die Frauen und der politische Kampf". Es brachte eine lichtvolle Dar­stellung der wirtschaftlichen und sozialen Umwandlungen, welche die Frauen in wachsender Zahl aus dem Hause zur Erwerbstätig­keit drängen und darum für das weibliche Geschlecht veränderte Daseinsbedingungen und Interessen, eine neue Welt des Fühlens, Denkens und Wollens schaffen. Diesen Umschwung der Dinge zeigte Genossin 8ieß an beweiskräftigem Bahlenmaterial über den Umfang der weiblichen Erwerbstätigkeit im Deutschen Reiche. Sie wies darauf logisch zwingend nach, daß auch für die Frauen heutzutage die Notwendigkeit vorliege, sich an den politischen Kämpfen zu beteiligen und wertete im Zusammenhang damit die grundsätzliche und praktische Bedeutung des Frauenwahl­rechts. Schließlich erörterte sie die Forderungen, die die Prole­tarierinnen um das Banner des Sozialismus sammeln müssen, wenn sie ihr Wohl und das der ihrigen verteidigen und volles Menschentum erringen wollen. Der Vortrag fand lebhaften Bei­fall, wie auch das zweite Referat, das Genossin 8ettin übe: " Die Frauenarbeit in Württemberg  " hielt. Es gab ein Bild der besonderen geschichtlichen Verhältnisse, die Württem­ berg   in den Malstrom der kapitalistischen   Entwicklung einbezogen und es aus einem Agrarland in einen Industriestaat verwandelt haben. Die Entwicklung und die Art der Frauenarbeit in Würt­ temberg   wies sie durch Vergleiche zwischen den Ergebnissen der Be­rufs- und Gewerbezählungen von 1882, 1895 und 1907 nach und hob dabei den großen Umfang und den veränderten Charakter der Frauenarbeit in der Landwirtschaft scharf hervor. über die Lage der bedeutendsten Gruppen der Industrie- und Heimarbeiterinnen gab sie Stichproben an der Hand offiziellen Materials, das nic­drige Löhne und lange Arbeitszeit aufwies. Der Vortrag legte einige besondere Umstände dar, die für die Frauenarbeit in Würt­ temberg   bestimmend sind und bei der Agitation berücksichtigt wer­den müssen. Es sind dies vor allem außer den niedrigen Löhnen das Nebeneinander- und Jneinandergreifen von Industrie- und Landarbeit, der weite Weg zwischen Heim und Arbeitsstätte und der dadurch beträchtlich verlängerte Arbeitstag, die noch ganz oder Halbbäuerliche Umwelt des Heimes und die ihr entsprechende