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Die Gleichheit
Am 1. Januar 1905 wurde auch Redaktion und Expedition der " Holzarbeiterzeitung", die sich bis dahin in Hamburg befunden hatten, mit dem Verbandsbureau vereinigt. Dieses war zu diesem Zwecke nach einem größeren Lokal in der Adlerstraße in Stutt= gart Hesla ch verlegt worden. Dort blieb es, bis der Verbandstag zu Stettin im Jahre 1908 beschloß, die gesamte Verbandsleitung nach Berlin zu verlegen. Die übersiedlung erfolgte am 1. Oktober 1908 in ein oberes Stockwerk eines großen Bureauhauses im Zentrum der Riesenstadt.
Der Grundstein des stolzen Baues, der jetzt für das eigene Verbandsheim errichtet wird, bildet zugleich auch einen Markstein in der Geschichte des Verbandes. Gehören doch diesem heute bereits die meisten Zweige des Holzgewerbes an. Der Bau wird Beugnis ablegen von der Macht, die in der Vereinigung jener Tausende von Holzarbeitern und-arbeiterinnen liegt. Bis er bezogen werden kann, dürfte der Deutsche Holzarbeiterverband das zweite Hunderttausend seiner Mitglieder überschritten haben. fk.
Aus der Bewegung.
Von der Agitation. In Posen hat der Stampf der verbohrten Hakatisten gegen die polnisch sprechende Bevölkerung naturgemäß den Erfolg, daß diese mit um so größerer Bähigkeit an ihrer Sprache und ihren Sitten festhält. Der Unwille gegen die Unterdrücker ihres Voltstums ist so start, daß er sich ohne Unterschied gegen alles wendet, was deutsch ist. Dieser Deutschenhaß erschwert auch in hohem Maße die Agitation der sozialdemokratischen Partei. Die Pfaffenherrschaft und der Branntwein tragen das ihre dazu bei, die in den elendesten Verhältnissen lebende Bevölkerung für die Aufflärung unzugänglich zu machen. So ist es verständlich, daß die Agi tation in der Provinz Posen trotz unsäglicher Mühe nur geringe Erfolge zeitigt. Ganz besonders schwer sind die Frauen zu unserem Stampf heranzuziehen. Wies doch die zum Frauentag in Bromberg einberufene Versammlung unter ungefähr 120 Besuchern nur etwa 40 Frauen auf. Die nachfolgenden Versammlungen in Nakel und Schneidemühl waren gleichfalls nur mäßig besucht. Zufriedenstellender war die Zahl der Teilnehmer in dem Städtchen Schönlante, das im herrlichsten Obstbaumblütenschmud prangte. Jedenfalls hat der in diesem Drt schon 11 Wochen dauernde Streit der Holzarbeiter die Gemüter aufgerüttelt und empfänglicher für die Erörterung öffentlicher Angelegenheiten gemacht. Eine Anzahl Frauen wurden hier für die Drganisation gewonnen. Auch in Colmar , einem von Wald und Seen umgebenen Ort mit Holz-, Borzellan- und Steingutindustrie, war die Versammlung ziemlich gut besucht; etwa 90 Männer und 60 Frauen hörten aufmerksam den Vortrag an, und unter ihnen konnten ebenfalls einige neue Mitglieder für die Bartei gewonnen werden. Die Hauptstadt der Provinz , Posen, weist großstädtischen Zuschnitt auf. Neben einer Anzahl schöner, alter Gebäude zieht der gewaltige Bau der„ Ansiedelungskommission" den Blid auf sich; in ihm wird eine nach Hunderten zählende, von den Steuern des Boltes zehrende Beamtenschar be schäftigt, man fragt sich nur erstaunt, womit eigentlich. Auch das neue, progige Schloß, das etwa 600 Zimmer und Säle umfaßt, aber von niemandem als der Schloßwache bewohnt wird, reizt zu bitteren Bergleichen auf mit dem Wohnungselend der schwer arbeitenden Bevölkerung. Sie muß in den allerunzulänglichsten Räumen zufammengepfercht hausen, die jeder Hygiene spotten. Die Versamm lung in Bosen war schlecht besucht, doch war die Stimmung der Teilnehmer gut, die Rede fand aufmerksame Zuhörer und starken Beifall, und es wurden 10 Mitglieder der Partei neu zugeführt. Deutschenhaß und Verhezung durch die Pfaffen sind wohl schuld an einigen Schreiben unflätigen Inhalts, die der Rednerin zugingen. -Die Versammlungen in Schwerin und in Birnbaum hätten gleichfalls besser besucht sein können, doch gelang es dort, mehr Beser für die sozialdemokratische Presse zu gewinnen. Genossin Bodahl- Berlin sprach in allen Versammlungen über„ Die Frauen als rechtlose Staatsbürger". Der Hinweis auf die schmachvollen Borgänge im preußischen Dreitlassenhaus rief überall helle Entrüstung hervor, die sich in Pfuirufen gegen die preußische Schande Luft machte. Die Polizei war in der Person von Uniformierten und auch Kriminalbeamten auf dem Plan, um den bedrohten Staat zu retten. Gert.
Auf Wunsch der Parteileitung für Schleswig- Holstein sprach die Unterzeichnete in der Zeit vom 13. bis 27. April in den Orten Sauenburg, Oldesloe , Segeberg , Ottensen , Wandsbek, Binneberg, Breez, Stodelsdorf, Rendsburg , Edernförde, Sabersleben, Tondern , Husum und Heide. Das Thema lautete in allen stattgefundenen Versammlungen Die Frauen und
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die Politik". In einigen Drten, so in Tondern , waren sehr wenig Frauen erschienen und im allgemeinen ließ der Besuch zu wünschen übrig. Nur in Lauenburg , Segeberg , Wandsbed und Dttensen war die Teilnehmerzahl zufriedenstellend. Diese schwache Beteiligung an den Versammlungen ist zum Teil in besonderen Verhältnissen der Provinz begründet. So müiffen namentlich im Norden die Minderbemittelten nach Feierabend noch ihre fleine Landwirtschaft bestellen. Trotzdem war die Agitationstour nicht erfolglos. Besonders in den größeren Orten wurden Genossinnen und Gleichheitleserinnen gewonnen; in anderen wiederum wurden die Drganisierten angeregt, weiterzuwirken im Sinne des Sozia E. Röhl. lismus.
Der sozialdemokratische Bezirksverband Magdeburg hatte für den 28. April eine Frauenkonferenz zusammenberufen, zu der 81 Drie 51 Vertreter entsandten. Als Beauftragte des Barteivorstandes nahm Genossin Ottilie Baader an der Konferenz teil. Genosse Beines sprach über die Bedeutung des Frauentages und die ergiebigste Art der Agitation für diese Kundgebung. Eine lebhafte Diskussion knüpfte sich an seine vorzüglichen Ausführungen. Das zweite nicht minder wichtige Referat der Tagung über die Arbeit der weiblichen Mitglieder in der sozialdemokratischen Organisation" lag in den Händen der Genossin Baader. Jm Bezirk Magdeburg find zwar bereits in vielen Organisationsvorständen und Bezirksleitungen und Ausschüssen Frauen vertreten. Doch macht gerade die immer größer werdende Bahl der weiblichen Mitglieder eine engere Arbeitsgemeinschaft zwischen Genossen und Genossinnen in der Leitung der Organisationen zur Notwendigkeit, sollen die weiblichen Mitglieder an deren Leben tätigen Anteil nehmen. Für die Organisationsleitungen erwachsen die Aufgaben, unablässig für die Gewinnung neuer weiblicher Mitglieder zu sorgen, die gewonnenen zu halten, zu den Parteiarbeiten heranzuziehen und sie für den Kampf und das geistige Leben der Partei zu schulen. Die lebhafte und inhaltsreiche Erörterung dieser Fragen bewies, welche geistige Regsamkeit unter den Genoffinnen herrscht. Neben anderen wichtigen Fingerzeigen wurde auf die wichtige Rolle hingewiesen, die gerade die Frau beim Lesen der Bresse spielt, und es wurde betont, daß eben die Genossinnen die besten Agitatorinnen für unsere Blätter abgeben werden. Da es an Vortragenden für die Lese- und Diskussionsabende mangelt, so wurde empfohlen, Kurse für Funktionärinnen abzuhalten, um nach und nach einen Stamm von Genoffinnen beranzubilden, die an den Frauenabenden belehrend wirken können. Sicherlich haben Anregungen und Gedankenaustausch dieser Konferenz das gegenseitige Berstehen zwischen Genossen und Genossinnen gefördert und die 0. B. Arbeitslust für unsere Sache erhöht.
Eine Frauenkonferenz für den Bezirk Erfurt tagte am 5. Mai in Erfurt . Die vier dem Bezirk angehörenden Kreise hatten 17 Delegierte entfendet. Die Bezirksleitung, die die Konferenz einberufen hatte und leitete, war vollzählig anwesend. Als Vertreterin des Parteivorstandes nahm Genoffin Bieg an den Beratungen teil. Ihr war auch das einleitende Referat übertragen worden über: „ Die Betätigung der Frau im politischen Leben". Über die Agitation im Bezirk referierte Genoffe Berkling. An beide Referate knüpfte fich eine lebhafte und interessante Diskussion, in der die Genofsinnen die Wünsche äußerten, von deren Erfüllung sie sich Erfolg bei der Aufrüttelung und Organisierung von bisher In differenten und bei der Weiterbildung bereits Organisierter ber sprechen. Beschlossen ward: 1. Ofter öffentliche Frauenversammlungen zu veranstalten. Sie sollen an aktuelle Fragen an knüpfen und der Agitation zum Zweck der Gewinnung von weiblichen Mitgliedern für die Partei dienen. 2. Jn Übereinstimmung mit den Vorständen der Ortsvereine Genoffinnen an den einzelnen Drten auszuwählen und zu ernennen, die dauernd in den Versammlungen die Aufnahme neuer Mitglieder und die Sammlung von Abonnenten für die Parteipresse zu übernehmen haben. 8. Der Hausagitation eine größere Aufmerksamkeit zu schenken. 4. Überall Reseabende zu errichten und bei deren Ausgestaltung den Leitfaden zu benüßen, der vom Parteivorstand fürzlich herausgegeben ward. Durch die Beschaffung der vom Frauenbureau herausgegebenen Broschüren sollen die lautgewordenen Wünsche nach Agitations- und Schulungsliteratur erfüllt werden. In kurzen, trefflichen Darlegungen zeichnete Genosse Nitsche die Bedeutung des Frauentages und forderte zur eifrigen Propaganda für ihn auf. Mit dem Wunsche, daß die Konferenz die Bewegung unter dent proletarischen Frauen bestens fördern möge, schloß der Vorsitzende die erste Frauenkonferenz des Erfurter Bezirkes.
L. Z.