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Die Gleichheit

das Erbpachtgut Schwanheide   in Mecklenburg- Schwerin erworben. Die K. R." teilt darüber folgende Einzelheiten mit: Der Besitz ist 399 Hektar groß und liegt unmittelbar an der gleich namigen Haltestelle der die Ländereien durchschneidenden Bahn Hamburg  - Berlin  , 58 Kilometer von Hamburg   entfernt. Das Gut ist vorzüglich arrondiert. Von den 1600 Morgen Boden waren bisher 350 Morgen Weiden   und Wiesen, 1150 Morgen Acker, davon allerdings 350 Morgen vorübergehend als Tannen­schonung verwendet, 70 Morgen Wald( dreißigjähriger Kiefern­bestand) und 30 Morgen Moor. Gebaut wurden Roggen, Hafer und Kartoffeln. Der inzwischen bereits vergrößerte Viehbestand umfaßt 11 Pferde, 90 Rinder( einschließlich Jungvieh) und 100 Schafe( einschließlich Lämmer). Landwirtschaftliche Maschinen find in großer Bahl vorhanden. Der Kaufpreis des Gutes beläuft sich ausschließlich der Kosten auf 350 000 Mark. Außer dem Gute wurde ferner für 56 000 Mark eine im Jahre 1911 eröffnete, neu eingerichtete Molkerei erworben. Durch Verträge, die noch neun Jahre laufen, ist eine Reihe Landwirte der Umgegend zur Liefe rung der Milch von 250 Kühen verpflichtet. Das Lieferungsgebiet ist erweiterungsfähig. Die Bewirtschaftung der Betriebe wird zunächst in der bisherigen Weise geschehen, der Ausbau für die Zwecke der Genossenschaft muß schrittweise erfolgen. Zurzeit sind im Sommer 31 Personen auf dem Gute beschäftigt. Für die Aus­führung der landwirtschaftlichen Arbeiten auf dem Gute waren Saisonarbeiter bereits angenommen auf Grund eines für den Nachfolger bindenden Vertrags. Die neue Verwaltung hat sofort für eine bessere Ausstattung des Schnitterhauses Sorge getragen und auch die Gutswohnungen der ständigen Arbeiter besser ein­gerichtet. Als Verwalter des Gutes hat die Gesellschaft einen praktischen Landwirt eingestellt, der seit langen Jahren Genossen­schaftler ist. Diese Ankäufe stehen im engsten Zusammenhang mit den wachsenden Bedürfnissen der sich ausdehnenden Betriebe. Was unsichere Milchzufuhr bedeutet, haben im letzten Sommer vor allem auch manche Brotproduktivgenossenschaften gespürt. Ebenso hat der in den letzten Jahren immer fühlbarer gewordene Mangel an Schweinen, die für Dauerware tauglich find, die Entschließungen beeinflußt. Die Besitzerin des Gutes ist selbst Konsument der er­zeugten Ware; sie kann also die Sache vom Konsumentenstand­punkt anpacken, unbeeinflußt vom Mästerstandpunkt, der auf die Berücksichtigung der Konsumenteninteressen eben nicht immer hin­weist. Es handelt sich alles in allem um einen wohlerwogenen Versuch, der mit der nötigen Vorsicht ausgeführt werden wird. Die verantwortlichen Hamburger Genossenschaftler kennen die bis­her auf dem Gebiet genossenschaftlicher Landbewirtschaftung be­sonders in England gemachten Erfahrungen. Sie spannten daher ihre Grwartungen hinsichtlich der Rentabilität nicht zu hoch, sind aber der zuversichtlichen Hoffnung, daß bei geschickter, ruhiger Durchführung des Gesamtplans nicht nur der Genossenschaft fein Nachteil erwachsen, sondern eine Grundlage geschaffen werden wird, auf der weitergebaut werden kann.

Bereits seit längerer Zeit unterhält die Verlagsanstalt des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine eine Versiche= rungsabteilung, die vor Jahresfrist erweitert wurde. Durch die fachmännische Vertretung der Konsumvereinsintereffen gegen­über den Versicherungsgesellschaften ist es möglich gewesen, Prä­mienermäßigungen, hohe Rabatte und gute Provisionen heraus­zuholen. Die Konsumvereine stehen jetzt ihren Versicherungs­gesellschaften ganz anders gegenüber. Im Schadensfalle werden ihre Interessen durch einen Fachmann vertreten, auf den die Ge­sellschaften weitgehende Rücksichten nehmen müssen, wenn sie nicht viele Versicherte verlieren wollen. Bei der Haftpflicht- und Un­fallversicherung war es, da es sich nun um ein sehr großes Objekt handelte, ebenfalls möglich, günstigere Bedingungen zu erzielen. Ferner wurden von der Versicherungsabteilung die Vorarbeiten für eine tonsumgenossenschaftliche Pferdeversicherungsgilde er­ledigt, die die Pferdeversicherung der deutschen Konsumvereine be­treiben wird. Da die Konsumvereine ihre Pferde gut halten und nicht anstrengen, wird diese Gilde viel billiger arbeiten als die Versicherungsgesellschaften, die viel Risiko haben. Es ist der Ver­sicherungsabteilung möglich gewesen, einen recht erheblichen Pro­visionsgewinn zu erzielen, der im anderen Falle der Genossen­schaftsbewegung verloren gegangen wäre. Jetzt stehen diese Gelder für allgemeine Genossenschaftszwecke zur Verfügung und dienen insbesondere dazu, die juristische Abteilung im Sekretariat des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine zu unterhalten.

Der Genossenschaftstag des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine wird in der Woche vom 17. bis 22. Juni in Ber­Iin abgehalten. Die Tagesordnung enthält einige wichtige Punkte von allgemeinem Interesse. Für den weiteren Ausbau der inne­

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ren Organisation werden tiefeinschneidende Vorschläge gemacht. Es ist das erste Mal, daß ein berartiger Kongreß in Berlin   statt­findet. Wie üblich, schließt sich daran die Generalversammlung der Großeinkaufsgesellschaft, die ihren Jahresbericht vor kurzem den angeschlossenen Vereinen zugehen ließ.

über die Entwicklung der Genossenschaften in Groß­ britannien   macht ein Bericht des englischen Handelsamtes bemerkenswerte Angaben. Wir entnehmen Auszügen daraus folgendes: Im Jahre 1909 hatten die verschiedenen Konsum- und Produktivgenossenschaften 2 597 236 Mitglieder. Die Zahl der Mit­glieder war seit dem Jahre 1899 um 917 221 oder 55 Prozent ge­stiegen. Der Umsatz aller Genossenschaften betrug im Jahre 1909 ( ausschließlich der Bank-, Kredit- und Versicherungsgeschäfte und der Bautätigkeit) beinahe 182 000 000 fund Sterling( 2640 Mil­lionen Mark), was gegen 1899 eine Zunahme von 75 Prozent ( 562 Millionen Pfund Sterling  ) ausmacht. Die große Mehrheit der Gesellschaften find Arbeitergenossenschaften. Es gab deren im Jahre 1909 1580 mit einer Mitgliedschaft von 2 512 048. Der Wert der von diesen Genossenschaften verkauften und produzierten Waren betrug im Jahre 1909 128 Millionen Pfund Sterling und hatte gegen 1899 um 74 Prozent( 45 Millionen Pfund Sterling) zuge­nommen. Die Konsumgenossenschaften allein setzten im Jahre 1909 annähernd 70/2 Millionen Pfund Sterling um, 25 Millionen Pfund Sterling mehr als 1899. Die beiden Großeinkaufsgenossen­schaften( die englische und die schottische) hatten einen Umsatz von über 33 Millionen Pfund Sterling, beinahe 14 Millionen Pfund Sterling mehr als im Jahre 1899. Etwa 50 Prozent der verkauf­ten Waren wurden in Betrieben unter genossenschaftlicher Kon­trolle, wozu die landwirtschaftlichen gerechnet sind, hergestellt. Der Wert der auf genossenschaftlichem Wege produzierten Waren be trug 24 Millionen Pfund Sterling, wovon 21 Millionen Pfund Sterling auf die produktiven Betriebe der Konsum- und Groß­einkaufsgenossenschaften entfielen. Die landwirtschaftliche Ge nossenschaftsbewegung seßte ein im Jahre 1895. Im Jahre 1909 bestanden 653 landwirtschaftliche Genossenschaften mit einem Ge samtumsatz von 3 609 172 Pfund Sterling( 72 188 440 Mark). Die neueste genossenschaftliche Entwicklung in Großbritannien   ist die genossenschaftliche Lebensversicherung. Die Gesellschaft wurde im Jahre 1904 ins Leben gerufen. Gegen Zahlung einer jährlichen Prämie, deren Höhe sich nach dem Umsatz der Konsumgenossenschaft richtet, kann die Konsumgenossenschaft das Leben ihrer einzelnen Mitglieder versichern. Die Höhe der von dem Versicherten zu zah lenden Prämie richtet sich nach seinem Wareneinkauf bei der Kon­sumgenossenschaft. Ende 1910 gehörten 277 Genossenschaften der genossenschaftlichen Versicherungsgesellschaft an; diese Genossen. H. F. schaften hatten zusammen 441 979 Mitglieder.

Notizenteil.

Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen.

Im Röcknitz- Wurzen- Grimmaer Steinbruchgebiet streiken seit einigen Wochen die Steinarbeiter und Steinarbeiterinnen. Ihr Kampf lenkt die Aufmerksamkeit auf ihre höchst verbesserungsbedürftigen Ar­beitsbedingungen, wie sie in einer gut besuchten Versammlung in Lüptiz bei Wurzen   beleuchtet wurden. Nach einer Statistik für 1910 schwanken die Jahreseinkommen der Steinarbeiter zwischen 992 und 1114 Mt. Gewiß niedrig genug, besonders aber in Anbetracht der ge­fährlichen und schweren Arbeit. Da die Männer so wenig verdienen, müssen auch die Frauen mit in die Steinbrüche. Ihr Taglohn für sechs. stündige, anstrengende Arbeit beträgt 1 Mt., 1,20 Mt, manchmal 1,50 Mt. Weit über ihre Jahre hinaus gealtert sehen die Frauen aus, die in den Steinbrüchen dem Kapital fronden. Die Statistik der Berufsgenossenschaft führt nach den Grubenarbeitern die Stein­bruchsarbeiter als die Arbeiterschicht auf, die durch ihren Beruf am gefährdetsten ist. Und die Ursachen des Streiks, in dem 900 Ar­beiter stehen, darunter fast 100 Frauen? Die Arbeiter forderten einen Lohntarif, wie er schon in vielen Steinbruchgebieten einge führt ist. Dieser Tarif hätte einige Lohnverbesserungen gebracht, die durch die Lebensmittelteuerung sowie erhöhte Steuerlasten nur allzu gerechtfertigt werden. In der Versammlung herrschte ein tampfesfreudiger Geist und die anwesenden Proletarier gaben ihrem Willen Ausdruck, fest zusammen zu stehen, bis der Sieg errungen ist. Aug. Hennig.

Wo wäre die weibliche Arbeitskraft nicht willkommen, um dem Kapital Mehrwert zu schaffen? Auch in der Gelbmetallbranche werden mit Vorliebe weibliche Arbeitskräfte ausgebeutet. So sind bei der Aktiengesellschaft und Weltfirma Hugo Schneider in Leipzig   Paunsdorf von 2000 beschäftigten Personen 1400 Frauen.