Nr. 21
Die Gleichheit
der Metallarbeiter die zumeist in hohem Maße mitbeteiligten Holzarbeiter von diesen zu spät oder auch gar nicht benachrichtigt würden. Gegen solches untameradschaftliches Verhalten einiger örtlicher Leitungen wurde von Bremer Delegierten die Selbst= hilfe als bestes und erfolgreichstes Mittel empfohlen. Bei den kommenden Tarifabschlüssen soll besonderer Wert auf die Entlohnung der ungelernten Arbeiter gelegt werden, um zu vermeiden, daß deren niedrige Löhne den Verdienst der gelernten Arbeitskräfte verringern. Ferner sollen bei Bewegungen großer Städte möglichst die Vororte mit einbezogen werden.
Von besonderer Bedeutung für unsere Leserinnen ist ein Beschluß, der auf einen Nürnberger Antrag hin gefaßt wurde: die Streikunterstützung für die weiblichen Mit= glieder zu erhöhen. Bisher erhielten diese entsprechend ihren Beitragsfäßen in allen Fällen, also auch bei Streifs, die Hälfte der Unterstützung erwachsener männlicher Mitglieder. Diese beginnt nach 26wöchiger Mitgliedschaft mit 9 Mt. in der Woche und beträgt nach 52 Wochen Mitgliedschaft 12 Mt., nach 156 Wochen 13 Mt. und nach 260 Wochen also nach fünf Beitragsjahren 14 Mt.; hinzu kommt auf allen Staffeln für je ein Kind in der Woche 1 mf. bis zu höchstens 6 Mt. Ohne Berücksichtigung etwaiger Buschläge aus den örtlichen Stassen schwankt also die Streitunterſtüßung männlicher Mitglieder zwischen 9 und 20 Mt. die Woche. Nunmehr ist beschlossen worden, daß der Verbandsvorstand weiblichen Mitgliedern über 17 Jahren die Streikunterstützung bis zu zwei Dritteln der vollen Säße gewähren fann. Diese Maßnahme soll und wird den Arbeiterinnen das Ausharren im Lohnkampf erleichtern.
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Die Tariffämpfe der nächsten Jahre können möglicherweise zu ernsten Auseinandersetzungen mit den Unternehmern führen. Der Verbandstag hielt daher eine Stärkung der Verbandshauptkasse für zwedmäßig. Die vor zwei Jahren beschlossene stärkere Heranziehung leistungsfähiger Bahlstellen auf Grund freiwilliger Einschäzung hat nicht den erhofften Ertrag gebracht. Deshalb wurde jetzt festgelegt, daß die Leistungsfähigkeit nach der Höhe des er hobenen Ortszuschlags zum allgemeinen Verbandsbeitrag von 60 Pf. in der Woche zwangsweise eingeschätzt wird. Von diesem Betrag werden jest je 50 Bf. mit der Hauptkasse verrechnet, während die restlichen 10 Pf. und die Ortszuschläge zur örtlichen Verfügung verbleiben. Künftig sollen nun die Zahlstellen bei 70 f. Gesamtbeitrag 52 Pf. und so steigend bis 58 Pf. bei 1 Mt. an die Hauptkasse verrechnen.
A
In einer recht eingehenden Aussprache über die Regelung der Arbeitszeit spielte die Frage des freien Sonnabendna ch mittags eine erhebliche Rolle. Eine vom Verbandsvorstand eingebrachte Resolution legt das Hauptgewicht auf die Verkürzung der täglichen Arbeitszeit und will die Forderung des freien Sonnabendnachmittags erst anerkennen, wenn der achtstündige Arbeitstag erreicht ist. Dieser Grundsatz wurde von mehreren Rednern unterstützt. Die Delegierte aus Nürnberg berichtete, daß dort für rund 4000 Arbeiterinnen und Arbeiter der Bleistiftindustrie der freie Sonnabendnachmittag vertraglich festgelegt ist. Die vorgelegte Resolution wurde schließlich dahin abgeändert, daß an die Einführung des freien Sonnabendnachmittags erst ernstlich herangetreten werden kann, wenn die tägliche Arbeitszeit in ausreichendem Maße verkürzt ist". Sie fand in dieser Form Annahme. Eine in Stuttgart vorgekommene Verlängerung der täglichen Arbeitszeit an vier Wochentagen, um dadurch den halben Samstag frei zu bekommen, wurde vom Verbandstag ausdrücklich miẞbilligt.
Bezüglich der Arbeitsvermittlung im Holzgewerbe erflärte sich die Tagung nach einem Referat des Verbandsvorsitzenden für die Regelung auf paritätischer Grundlage und verpflichtete die Mitglieder zu alleiniger Benutzung der vom Verband anerfannten Arbeitsnachweise. Für diese selbst wird die Verpflichtung beider Parteien gefordert, also auch die der Unternehmer. Solange diefe Herren an einem Orte für einen paritätischen Nachweis nicht zu haben sind, soll die Errichtung eigener Arbeitsnachweise mit allen Mitteln gefördert werden.
Zum Punkte„ Das Rekrutierungsgebiet des Verbandes" gelangte eine Resolution zur Annahme, die entschieden die Versuche einzelner anderer Verbände zurückweist, in das dem Holzarbeiterverband zustehende Rekrutierungsgebiet einzudringen, und die Bereitwilligkeit des Verbandes erklärt, solche Grenzstreitigkeiten durch Abschluß von Kartellverträgen dauernd zu reyeln. Des weiteren werden die Mitglieder zu besonders reger Werbearbeit aufgefordert. Von den zahlreichen dem Verbandstag sonst noch vorliegenden Anträgen find viele rein verwaltungstechnischer Natur. Sie wurden teils angenommen, teils dem Vorstand
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zur Erwägung" oder zur Berücksichtigung" überwiesen. Unter ihnen ist bemerkenswert der Auftrag an den Vorstand," Mittel und Wege zu suchen, um die Kollegen der Holzindustrie durch Anschauungsunterricht über die schädlichen Einflüsse der Arbeitsmethoden und insbesondere über die ungenügenden Arbeitsräume aufzuklären". Ferner der weitere Beschluß, der Verbandsvorstand möge dem nächsten Verbandstag eine Vorlage über die Unfall. versicherung der unbesoldeten Verbandsfunktionäre machen". Durch die Annahme eines besonderen Antrags verpflichtete der Verbandstag die Delegierten und Verbandsfunktionäre, tatkräftig für Aufklärung über die volkswirtschaftlichen, körperlichen und geistigen Schäden des Alkoholgenusses zu wirken, insbesondere aber für bessere Durchführung des Schnapsboykotts zu sorgen. Ebenso schloß er sich den bereits von anderen Verbandsinstanzen erhobene Forderungen auf höheren Unfallschutz der Maschinenarbeiter und Schutz der Zelluloidarbeiter gegen Brandgefahr einmütig an.
In einer Woche anstrengender Verhandlungen find die Richtlinien der künftigen Verbandsarbeit gezogen worden. Nun liegt es bei den Mitgliedern, die in der Organisation gebotene Waffe fk. zu ihrem eigenen Segen auszubauen und zu benutzen.
Aus der Bewegung.
Von der Agitation. Im Anschluß an die Agitation für das Frauenstimmrecht referierte Genossin Brandenburg für den Gau Gera des Textilarbeiterverbandes in Triebes , Zeulenwerda, Reichenbach i. V. und Netschkau. Jn Triebes arbeiten ungefähr 1000 Frauen und 500 Männer in einer Jutefabrik unter standalösen Lohn- und Arbeitsverhältnissen. Ein raffiniert ausge flügeltes Prämiensystem ist eine Quelle ständiger Streitigkeiten unter der Arbeiterschaft. Hierüber mehr an anderer Stelle. Beulenwerda ist berühmt durch seine Kunsttischlerei. Die Tischler sind hier seit Jahren gut organisiert und haben dank dessen gute Arbeitsverhältnisse und hohe Durchschnittslöhne errungen. Anders die Arbeiterschaft in den großen Gummiwebereien und Strumpfwirtereien. Der größte Teil aller Beschäftigten in diesen Betrieben sind Frauen, die unsäglich schwer für die Organisation zu gewinnen sind. Erschwert wird die Werbearbeit unter ihnen noch dadurch, daß die Heimarbeit start verbreitet ist, die natürlich weit schlechter als die Fabrikarbeit bezahlt wird. Obgleich annähernd 1000 Frauen in 8eulenwerda in der Textilindustrie beschäftigt sind, ward eine gut besuchte Versammlung nur dadurch möglich gemacht, daß man hierzu den regelmäßigen Sparklubabend der Frauen mit obligatem Kaffeefränzchen benußte. Emsiges Stricknadelgeklapper begleitete die Ausführungen der Referentin. Erst deren eindringlicher Hinweis auf das Recht auf Faulheit" veranlaßte die fleißigen unermüdlichen Hände, zeitweilig zu ruhen. Etliche nach Schluß der Versammlung gemachten Aufnahmen lassen vermuten, daß auch hier der Unverstand der Massen zu schwinden beginnt. In Reichenbach i. V. werden fast ausschließlich Herren- und Damenstoffe angefertigt. Diese Industrie verlangt intelligente Arbeitskräfte, worauf es wohl zum Teil zurückzuführen ist, daß hier eine gewerkschaftlich wie politisch gut geschulte Arbeiterschaft vorhanden ist. In Reichenbach , überhaupt im ganzen Gau Gera , ge= winnen die Tarifverträge mit den Unternehmern immer mehr Boden. Dadurch wird eine gesunde Grundlage für bessere Arbeitsberhältnisse geschaffen. Auch in Netsch kau ist ein bewährter Stamm Arbeiter und Arbeiterinnen vorhanden. Doch ist er leider noch nicht stark genug, um mit den empörenden Zuständen in der Jutefabrik aufzuräumen, in der annähernd 1500 Personen, und zwar größtenteils Frauen, beschäftigt sind. Hier trifft man die im übrigen Deutschland wenig bekannte Erscheinung, daß die im Winter in der Jutefabrik beschäftigten Textilarbeiter während der Sommermonate Arbeiten auf Bauten übernehmen. Die Folge für den Textilarbeiterverband ist, daß die oft mit vieler Mühe durch Hausagitation usw. gewonnenen Mitglieder im Sommer zum Bauarbeiterverband übertreten und in diesem Mitglied bleiben, weil er während mehrerer Wintermonate keinen Beitrag von feinen Mitgliedern erhebt. Begreiflicherweise herrscht in den Kreisen der Netzschkauer Textilarbeiterschaft darüber Unzufriedenheit, die die Arbeitsfreude zur Gewinnung neuer Mitglieder stark beeinträchtigt. Hoffentlich gelingt es den beteiligten Verbänden, einen Ausgleich zu finden, damit nicht die Werbearbeit für die gewerkschaftliche Organisation und damit auch deren Stoßkraft Einbuße erleidet.
e. g.