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Die Gleichheit

Es ist aber nicht hinreichend, daß sich einzelne wenige unserer Genossinnen dieser Agitationsarbeit widmen, sondern wir bedürfen dazu ihrer viele. Wenn eine große Arbeit von vielen zugleich angefaßt wird, ist sie bald getan, und sie wird der einzelnen nicht zu schwer. Sollen sich aber nur einige wenige damit abmühen, so werden sie über ihre Kräfte in Anspruch genommen und können die Arbeit trotzdem kaum erfolgreich erledigen. Wo viele helfen wollen, ist eine Ab­lösung leicht, eingeteilt nach Wahlkreisen oder Stadtteilen. In den Städten, wo Ortsgruppen unseres Verbandes bereits bestehen, werden ihre Leiterinnen die Helferinnen mit Freu­den empfangen, mit ihnen die Agitation besprechen und ihnen Material zur Verfügung stellen. Wo sich noch keine Orts­gruppe befindet, ist die Zentralstelle gern bereit, zu liefern, was zur Gründung nötig ist. Es wäre dann wünschenswert, wenn eine Genoffin es übernehmen würde, sich das Material für alle Helferinnen am Orte schicken zu lassen und die Ver­teilung der Arbeit mit ihnen zu besprechen. Diese Genossin wolle sich wenden: an den Zentralverband der Haus­angestellten", Berlin , Michaelfirchplatz 1.

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Keine Genoffin denke: Es werden sich genug Helferinnen finden, dich wird man nicht brauchen." Im Gegenteil soll jede meinen: Wer weiß, ob sich eine Genossin meldet, i ch werde es jedenfalls tun." Und noch eins. Wohl jede Gleich­heit"-Leserin hat in ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis wenigstens ein Dienstmädchen oder eine Wasch- oder Rein­machfrau, die noch nicht der Organisation angehört. Wir bitten die Genossinnen, auch dann ihre Schuldigkeit zu tun und diese eine dem Verband zuzuführen. Auch alle Leite­rinnen von Frauenleseabenden, Frauenversammlungen und ähnlichen Zusammenkünften ersuchen wir, im Sinne dieser Ausführungen die Genossinnen stets zur Mithilfe für den Verband der Hausangestellten aufzufordern. Material stellt die Zentrale in jeder verwendbaren Menge zur Verfügung. Wenn jede Genossin, jede Gleichheit"-Leserin, die die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Aufklärung und Organi­fierung der Hausangestellten erkennt, im Sinne unserer Worte wirkt und den Verband fördert, so können wir gewiß recht bald von größeren Erfolgen berichten. Erfolge, die nicht nur für die Dienstboten errungen werden, sondern die darüber hinaus der ganzen Arbeiterklasse und nicht zuletzt auch den Frauen selbst wieder zugute kommen. Die Dienst­boten sind meist zufünftige Frauen der Arbeiter, die Mütter der proletarischen Jugend: Ihnen Aufklärung zu bringen und sie reif zu machen, unsere Ideen und Forderungen über die Grenze der rein wirtschaftlichen Interessen hinaus zu ver­stehen, um mit uns auch für politische Reformen und Rechte und für die Befreiung aller Unterdrückten und Ausgebeute­ten zu kämpfen, einzutreten, dazu ist die gezeigte Vorarbeit dringend nötig. Genossinnen, jede sei bemüht, ihr Teil zu solcher Arbeit beizutragen, dann wird der Erfolg sicher sein. Ida Baar.

Aus der Bewegung.

Von der Agitation. In Niederhaßlau , Schmiedeberg, Stauchau, Riesa , Chemnik und Limbach fanden im April, Mai und Juni öffentliche Frauen-, Mitglieder- und Volksversammlungen statt. Sie waren durchweg sehr gut besucht, auch von Frauen. Welches Interesse haben die Frauen und Mädchen an den Bestrebungen der Sozialdemokratie?" lautete das Thema. Rednerin war die Unterzeichnete. In Limbach war es seit Jahren wieder die erste öffentliche Frauenversammlung, die stattfand, um in diesem In­dustriemittelpunkt die Proletarierinnen wachzurütteln. Nach Lim­bach kommen Montags Tausende von Arbeiterinnen aus dem Erz­ gebirge , um die Woche über in den Fabriken zu schuften. Die Stadt hat nicht nur viele Webereien, sondern ist ein Hauptsitz der Handschuhindustrie, fast in jeder Wohnung flappert die Handschuh­nähmaschine, da Fabrik- und Heimarbeit eng verbunden ist. Der Versuch, das Jnteresse der arbeitenden Frauen und Mädchen zu weden, ist gelungen, nun harrt der Boden der planmäßigen Be­arbeitung.

Nr. 22

Am 1. Mai sprach die Unterzeichnete in Niederhäßlich. Am 12. Mai fanden in Erfurt und Gräfenthal i. Th. glänzende Rundgebungen für die Frauenrechte statt. In Erfurt werden wohl an die tausend Personen in der Versammlung gewesen sein, die der Frauen- und Mädchengesangverein mit einem stimmungs­vollen Lied schloß.

Gleich der Partei entfalten auch die Gewerkschaften unter den Unorganisierten eine rege Werbearbeit. So berief die Zahlstelle Dresden des Fabritarbeiterverbandes acht Fabrik­versammlungen ein, in denen über die Notwendigkeit der gewerk­schaftlichen Organisation gesprochen wurde. Zwei große Fabrik­arbeiterversammlungen fanden ferner statt in Leipzig und je eine in Baugen und in Sinkwit- Oberguhrig. Auch in letzterem Orte wurde die unermüdliche Agitationsarbeit von Erfolg be­lohnt. Die Versammlung wies einen leidlichen Besuch auf. Man bedenke, hier sind noch in den Papierfabriken für schwere Arbeit Frauenlöhne unter 10 Mart in der Woche üblich. Die Männerlöhne schwanken zwischen 12 und 18 Mark und erreichen nur in einzelnen Fällen 20 Mark wöchentlich. Kein Wunder, wenn bei solchen Löhnen der Fabrikant reicher und reicher wird. Nur eine starke Organisation kann der Arbeiterschaft eine Besserung ihrer Lage bringen. Heute freilich triumphiert noch der Herr Direktor, der mit böhmischem Bier, Semmeln und Würstchen die Arbeiter von den Versammlungen zurückhält. Auf die Dauer werden sich aber die hungrigen Mägen der Arbeiter nicht mit solchen Spenden stopfen lassen. Wir kommen wieder!

Die Tabafarbeiter hielten eine Versammlung in Bannen­wit ab, die aber besser hätte besucht sein können. Eine Versamm­lung der Holzarbeiter fand in Geißing- Altenberg statt. Die dortige Bahlstelle des Holzarbeiterverbandes hat sich dank un­ermüdlicher Kleinarbeit in letzter Zeit gut entwickelt. Um die Arbeiter vom Beitritt zur Organisation abzuschrecken, wenden die Unternehmer die schändlichsten Mittel an und werfen namentlich verheiratete Arbeiter aufs Pflaster. So wurde einem Vater von fünf Kindern kurz vor Weihnachten, dem Feste der Nächstenliebe, gekündigt. Aber gerade eine solche Behandlung kann den Wert der Organisation in den Augen der Ausgebeuteten nur erhöhen. Das zähe Zusammenhalten der Arbeiter hat hier dem Holzarbeiter­verband eine bleibende Stätte gesichert. Ein ermutigender Anblick war es, als acht fünfzehn- bis sechzehnjährige Arbeiter gemein­sam zur Versammlung angerückt kamen. Unsere junge Garde", sagten die älteren Proletarier mit sichtlichem Stolze.

Dem Rufe zu einer Versammlung hatten fast sämtliche Ver­täuferinnen der großen Läden des Löbtauer Konsumvereins feine Folge geleistet. Die Versammlung bildete eine aus der Reihe der Agitationsversammlungen, die die Genossinnen der drei Dresdener Kreise unter den Verkäuferinnen Dresdens und Umgegend veranstalten. Das große Verkaufshaus in Löbtau , wo gegen dreißig Verkäuferinnen tätig sind, war durch keine ein­zige von ihnen vertreten, ebensowenig die ältesten Filialen Wall­wikplatz, Neißewißerstraße, Lübeckerstraße, Kesselsdorferstraße, und Cotta, Kronprinzenstraße. Wir können hier nicht untersuchen, warum die Verkäuferinnen ausgeblieben sind. Wir wollen auch nicht den Verdacht gelten lassen, der in der Löbtauer Versamm­Tung laut wurde, daß die Verkäuferinnen sich nämlich schämten, mit Sozialdemokratinnen zusammen zu sein. Sagen wollen wir ihnen aber das eine: fie verdanken es den sozialdemokratischen Arbeitern und Arbeiterfrauen, die die Träger der Konsumvereins­bewegung sind, wenn sie besser gestellt sind als ihre Arbeits­schwestern in Brivatunternehmungen. Es sollte in den Berjamm­lungen auf die Verkäuferinnen fein gwang ausgeübt werden, sich politisch zu organisieren. Sie sollten nur die Gelegenheit erhalten, sich selbst ein Urteil zu bilden über die Notwendigkeit der Be­tätigung am politischen Leben. Doch diese Gelegenheit haben sie verschmäht. Wir werden unsere Arbeit im Herbste noch einmal aufnehmen, und wir hoffen, daß sie dann erfreulichere Ergebnisse zeitigen wird. Wir lassen uns durch einen Mißerfolg nicht ent­mutigen, wir wissen, daß es nimmerruhender Kleinarbeit bedarf, um die großen Erfolge zu erzielen. Marie Wad wit.

Agitation in Württemberg. Mit seinem abwechslungsreichen Hügelland, mit seinen Weinbergen und Obstgärten gehört Württem­berg zu den Gegenden, die von der Natur verschwenderisch mit land­schaftlichen Schönheiten bedacht sind. Wenn im Frühjahr an den Berghängen die unzähligen Obstbäume in Blüte stehen, so ist das ein Bild unvergleichlicher Lieblichkeit. Und wie groß wirkt die Alb mit ihren steil aufragenden Gipfeln, fahlen Felsen und ihren weiten Hochflächen. Das anmutige Land, das früher fast rein bäuerlich war, wird heute von dem modernen Kapitalismus umgewälzt. Damit wird der soziale Acer für unsere Jdeenaussaat gepflügt. Bom 19. April