Nr. 25
Die Gleichheit
die alle Monate im Volkshaus stattfinden. Das Schlußwort des Vorsitzenden Hang in dem Wunsche aus, die Frauen möchten hinausgehen und weiter werben unter ihren Schwestern, damit der nächste Geschäftsbericht eine weit größere Zahl weiblicher Parteimitglieder aufweise und die nächste Kreiskonferenz von Frauen aus allen Teilen des Kreises beschickt würde. Wir wollen nicht verfehlen, die Proletarierinnen Zittaus auf die Zu= sammenkünfte aufmerksam zu machen, die regelmäßig im Volkshaus, Zimmer Nr. 4, stattfinden. Diese Zusammenfünfte sollen die organisierten Frauen zu denkenden, geschulten, politisch tätigen Genossinnen erziehen. Die Zusammenkünfte werden in der„ Volkszeitung" bekannt gegeben. Weibliche Vertrauens= person für Zittau ist Genossin Heimann; im Vorstand der Ortsgruppe Zittau des ersten sächsischen Reichstagswahlkreises ist als Beisizerin Genossin Feist tätig.
r. sch.
Die sozialdemokratische Frauenbewegung in den Unterweserorten hat im letzten Jahre riesige Fortschritte gemacht. In früheren Jahren saß nur in einem Ortsverein, in Lehe , eine Genossin im Vorstand; vor zwei Jahren wurden in jedem Ortsverein und auch im Zentralvorstand eine Genossin als Beisigerin gewählt. Toch erst im letzten Jahre schlossen sich die Genossinnen der einzelnen Ortsvereine zur gemeinsamen Werbe- und Aufklärungsarbeit unter den proletarischen Frauen zusammen. Der Ver= trieb der„ Gleichheit", die bis dahin in unserem Gebiet nur wenige Leserinnen zählte, wurde von den Genossinnen selbst in die Hand genommen und eine rege Agitation für diese Zeitschrift ins Werk gesezt. Man wollte damit den Frauen ein Organ zur Aufklärung und Schulung in die Hand geben und durch den Vertrieb zugleich die Mittel gewinnen zur Lösung weiterer Erziehungsaufgaben unter den Genossinnen. Die erste planmäßige Haus agitation wurde im September und Oktober vorigen Jahres unternommen, und sie brachte uns 264 weibliche und 15 männliche neue Parteimitglieder und 415 Leserinnen für die„ Gleichheit". Während des Reichstagswahlkampfes, der im November einsetzte, beteiligten sich die Genossinnen an allen erforderlichen Arbeiten mit ganzer Kraft. Sie verbreiteten Flugblätter und Agitationsbroschüren und waren am Wahltag selbst als Schlepperinnen und Listenführerinnen usw. tätig. Nach der Wahl wurde in Lehe und Bremerhaven abermals eine Hausagitation ins Werk gesetzt, die gleichfalls von gutem Erfolg gekrönt war, gewannen wir doch durch sie 190 weibliche und 70 männliche neue Parteimitglieder, und die Zahl der Abonnenten der„ Gleichheit" stieg von 415 auf 635. Im Februar dieses Jahres fonnten wir mit dem überschuß der„ Gleichheit"-Kasse für die Genossinnen Lese abende einrichten. Leider fanden diese Veranstaltungen zunächst noch nicht die richtige Beachtung. An vier Abenden wurde Bebels Buch„ Die Frau und der Sozialismus" durch Genossen Thienst in recht verständlicher Weise erläutert. Durchschnittlich nahmen 15 bis 20 Genossinnen an den Leseabenden teil. Anfangs März hatten wir eine öffentliche Frauenversamm lung einberufen. In ihr sprach Genossin Bohm- Schuh über „ Die sexuelle Aufklärung der Kinder" unter großem Beifall. Auch diese Veranstaltung, bei der wir Leserinnen für die„ Gleichheit" und Parteimitglieder gewannen, wurde aus dem überschuß des Vertriebs der„ Gleichheit" bestritten. In den gleichen Monat fiel in Bremerhaven die Stadtverordnetenwahl; bei ihr betätigten sich die Genossinnen in hervorragender Weise. Der erste Mai gestaltete sich auch in diesem Jahre zu einer eindrucksvollen Kundgebung des Proletariats; fast alle Betriebe ruhten in den Unterweserorten, und gegen 500 Frauen marschierten in unserem Zuge mit. Am 12. Mai, unserem Frauentag, demonstrierten wir, wie auch im vorigen Jahre, für das Frauenwahlrecht. Die Leher und Geestemünder Genossinnen marschierten aus ihren Vereinslokalen geschlossen zur Versammlung nach Bremerhaven . An dieser Versammlung, in der Genossin Paustian Altona- Ottensen sprach, nahmen gegen 1200 Frauen teil. 55 neue Kämpferinnen wurden in ihr für die Partei gewonnen und auch einige Jugendliche ihrer Organisation zugeführt. Im ganzen zählen wir jetzt in den Unterweferorten 1300 politisch organisierte Frauen und 635„ Gleichheit"-Abonnenten.
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A. Schl.
Jahresbericht der Genossinnen Stettins.„ Ein Jahr voll Arbeit, Kampf und Not" ging für die Stettiner Genossinnen zu Ende. Fiel doch in dieses Jahr die Reichstagswahl, bei der die Genossinnen ihr gut Teil dazu beitrugen, den Feind niederzuringen und den Sieg an unsere Fahne zu heften. Alle, die während des Wahlkampfes ihre volle Schuldigkeit getan haben, werden wohl nie das Gefühl vergessen, das sie beseelte, als am Abend verkündet wurde:" Sieg auf der ganzen
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Die
Linie". Und es war in Stettin ein herrlicher Sieg über unsere Bedrücker und Ausbeuter, die das Mandat vor der Wahl schon in der Tasche zu haben glaubten. Wir werden unsere ganze Kraft dafür einsetzen, daß das Banner des Sozialismus für alle Zeiten über Stettin weht. Außer den laufenden Distrikts- und Generalversammlungen fanden im Berichtsjahr noch sechs öffentliche Frauenversammlungen und zwei Mitgliederversammlungen statt, die ausschließlich der Propaganda unserer Ziele unter den Frauen und der Schulung der Genossinnen dienten. Zur Weiterbildung der Genossinnen werden ferner die Diskussionsabende abgehalten, die im Sommerhalbjahr wegfallen, im kommenden Winterhalbjahr aber in vollem Umfang wieder aufge= nommen werden. Denn nur mit geschulten und denkenden Genossinnen können wir den Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung erfolgreich führen. Glänzend verliefen die Versamm= lungen am 12. Mai. In Scharen erschienen die proletarischen Frauen und Mädchen und bewiesen dadurch, daß sie die Notwendigkeit des Kampfes um ihr volles Bürgerrecht begriffen haben. In der Stadt fanden drei Versammlungen, in der Provinz nicht weniger als zwölf Versammlungen statt, die außerordentlich stark besucht waren. In Stettin wurden 157 neue Kämpferinnen und Kämpfer für unsere Sache und auch eine Zahl neuer Leser für unsere Parteipresse gewonnen, und in der Provinz konnten 100 Frauen und Mädchen unserer Organisation zugeführt wer= den. Durch unablässige Aufklärung und Werbearbeit ist es uns gelungen, die Zahl der weiblichen Parteimitglieder in diesem Jahr von 315 auf 500 zu bringen. Dieser Erfolg kann uns nur ein Ansporn sein, auch in kommender Zeit tatkräftig weiterzuarbeiten, denn noch ist die Masse der Gleichgültigen ungeheuer groß. Kinderschuhkommission, die wir in diesem Jahre be= deutend erweitert haben, indem wir aus jedem Distrikt noch zwei bis drei Genossinnen hineinsandten, hat ein gut Stück Arbeit ge= leistet. Vier Sizungen fanden statt, um zu beraten, wie man der Kinderausbeutung am wirksamsten begegniet. Frühmorgens wur den durch die ganze Stadt Streifzüge unternommen, und auf diesen gelang es, eine Reihe von übertretungen des Gesetzes fest= zustellen. Meist versuchten wir, durch persönliche Vorstellung bei den Eltern Abhilfe zu schaffen. Damit der Kommission in finanzieller Hinsicht die Hände nicht zu sehr gebunden sind, wur den ihr auf ihren Antrag je 100 Mt. von beiden Parteivereinen und dem Gewerkschaftskartell bewilligt. Dadurch wird es uns auch möglich sein, in Fällen großer Not selbst lindernd einzugreifen. In einer Sizung mit den Gesellschaftern unserer Presse wurde durchgesetzt, daß sich die Austräger unseres Parteiblattes verpflichten müssen, beim Austragen der Zeitung keine Hilfe von Kindern in Anspruch zu nehmen. Die Jugendlichen, deren Verein sich jetzt aufgelöst hat, kommen zwanglos in unserem Jugendheim im Volkshaus zusammen. Genossen und Genossinnen haben sich be= reit erklärt, der Jugend bei ihren Unterhaltungen und auch bei ihren Ausflügen beratend zur Seite zu stehen. Auch werden von den Bezirksjugendausschüssen allerlei Veranstaltungen zur Belehrung und Aufklärung der Jugendlichen getroffen werden. Wenn wir so auf jedem Gebiet unsere ganze Kraft einsehen, dann muß und wird es uns gelingen, unser Ziel zu erreichen. Berta Horn. Jahresbericht der Genoffiunen Lübecks . Die sozialdemo kratische Frauenbewegung in Lübeck hat auch im Jahre 1911/12 Fortschritte gemacht. Die Zahl der weiblichen Parteimitglieder ftieg von 560 auf 644, nahm also um 84 zu. Erfreulich ist auch, daß sich die Zahl der organisierten Frauen in den zu unserem Wahlkreis gehörigen ländlichen Orten nicht nur gehalten, sondern etwas vermehrt hat. Die Agitationsversammlungen für Frauen standen in diesem Jahre im Zeichen der Wahlen. Zur Bürgerschaftswahl im November war eine Versammlung einberufen, in der Genossin Käte Leu sprach. Genossin Leu, die aus der Lübecker Frauenbewegung hervorgegangen ist, sprach in Lübeck zum erstenmal in einer großen öffentlichen Ver= sammlung, und sie verstand es ausgezeichnet, die mehr als tausendföpfige Menge zu begeistern. Während des Reichstagswahlkampfes sprach Genossin Greiffenberg , nachdem sie in Travemünde und drei Landorten gute Versammlungen gehabt, in überfüllter Versammlung in Lübeck selbst. Zum Frauentag, bei dem Genossin Hoppe die Rede hielt, waren trotz der eifrigen Verbreitung von Flugblättern durch die Genossinnen weit weniger Besucher erschienen, als wir erwartet hatten. Außer den verschiedenen Veranstaltungen, die bei dem so günstigen Ausflugswetter gerade aut 12. Mai stattfanden und uns die noch Gleichgültigen und Lauci entzogen, ist wohl auch die Nähe der Maifeier an dem geringen Erfolg schuld. Unsere Genossinnen haben es jedenfalls nicht at sich fehlen lassen. Bei den Wahlen hatte eine große Anzahl vo.i