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Die Gleichheit

gestellter wegen Nichtbeachtung der Konkurrenztlaufel in Haft genommen wurde. Die schädlichen Folgen dieser Konkurrenz­flausel für Handlungsangestellte, Werkmeister usw. sind schon oft geschildert worden. Wer sich einer solchen Klausel im Anstellungs­vertrag unterwirft, ist an den Betrieb gefesselt und darf nach Lösung des Arbeitsverhältnisses meist am Orte und in meilen­weitem Umkreis in feinem gleichartigen Geschäft in Stellung treten. Ein Werkmeister in Mannheim hatte einen Ver­trag geschlossen, nach dem er innerhalb zweier Jahre nach seinem Dienstaustritt bei verschiedenen namhaft gemachten Firmen im Umkreis von 100 Kilometern nicht in Stellung treten durfte, an­dernfalls er eine Konventionalstrafe von 3000 mt. zu zahlen hatte. Der Mann hat eine zahlreiche Familie, und als die Not hoch stieg, nahm er Stellung bei einer Konkurrenzfirma an. Die Firma, in der er bisher beschäftigt gewesen war, erwirkte beim Gericht eine einstweilige Verfügung. In dieser wurde dem Werkmeister auf­gegeben, sofort aus seiner jebigen Stellung auszuscheiden, andern­falls eine Haftstrafe von 6 Tagen und für jeden weiteren über­tretungsfall wieder eine solche von 6 Tagen gegen ihn verfügt würde. Da der Werkmeister weiterarbeitete, steckte ihn das Gericht in Haft. Der Werkmeister schilderte vor Gericht seine Notlage, das störte aber das Mannheimer Landgericht nicht, ihn in Haft zu nehmen. Eine starkbesuchte Versammlung des Werkmeistervereins erhob Protest gegen das Vorgehen des Gerichts.

In der Metallindustrie des Kölner Industrie­gebiets hat eine Lohnbewegung begonnen. Es fanden große überfüllte Versammlungen statt. Verlangt wird in der Hauptsache eine Regelung der Arbeitszeit, weiter nur ein Lohnausgleich für die verkürzte Arbeitszeit. Die Arbeitszeit soll auf wöchentlich 56 Stunden festgesetzt werden, sie beträgt nach einer vom Verband aufgenommenen Statistik jetzt durchschnittlich über 10 Stunden täglich, in einzelnen Betrieben sogar noch mehr.

Die Mainflößer sind in eine Lohnbewegung eingetreten. Sie fordern eine Erhöhung der Löhne um durchschnittich 4 Mt. in der Woche, Regelung der Arbeitszeit und Innehaltung der strom­polizeilichen Vorschriften während der Fahrt. Durch Tarif war die Arbeitszeit im Jahre 1907 auf 12 Stunden festgelegt worden, doch wird diese Vereinbarung jetzt nicht mehr eingehalten. Die Flößer sind jetzt im Transportarbeiterverband gut or­ganisiert und werden ihre recht bescheidenen Forderungen sicher durchsetzen können.

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In der Kartonnageindustrie von Annaberg- Buch­ holz Gehma streiken die Arbeiter und Arbeiterinnen. Die Unternehmer lehnten eine Besserbezahlung der Affordarbeiten ab. Die Löhne bleiben zumeist unter 20 Mt., womit heute selbst ein anspruchsloser Erzgebirgler nicht mehr seinen Lebensbedarf be= streiten kann.

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Aus der Textilarbeiterbewegung. Im ersten Halbjahr 1912 regte sich die Textilarbeiterschaft allerorten, um höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu erringen. Ihre Bestrebungen hatten meist Erfolg: über 152 Lohnbewegungen wird berichtet, und von diesen verliefen 146 für die Arbeiter günstig und nur 6 waren erfolglos. Auf 352 Betriebe mit 45 208 Beschäftigten erstreckten sich die Bewegungen, und es beteiligten sich an ihnen 25 670 Personen, von denen 13 052, also etwas mehr als die Hälfte, organisiert waren. Weitaus die Mehrzahl der Beteiligten, nämlich 19 657 Arbeiter in 220 Betrieben, rangen um eine Ver­besserung ihrer Lohn- und Arbeitsbedingungen, und nur 263 in 11 Betrieben hatten einer Verschlechterung des Arbeitsvertrages entgegenzutreten. Ebenso überwogen die Angriffsstreits mit 4230 Beteiligten in 90 Betrieben die Abwehrstreits mit 356 Beteiligten in 9 Betrieben und die Aussperrungen, von denen 1164 Personen in 22 Betrieben betroffen wurden. Erfolge errangen insgesamt 21 097 Personen, sie waren in erster Linie der Macht der Organi­sation zu verdanken, tamen aber auch 8045 Unorganisierten zugute. Die Erfolge bestehen: für 6699 Personen in 14 650 Stunden Ar­beitszeitverkürzung in der Woche, für 16 862 Personen in 19 384 Mr. Lohnerhöhung in der Woche, für 3278 Per­sonen in besserer Bezahlung der Überzeitarbeit und für 11 231 Personen in sonstiger Verbesserung der Arbeitsbedingungen.

Von den 25 670 Proletariern, die in einer Lohnbewegung stan= den, waren Arbeiterinnen 11 654, das sind 45 Prozent oder nahezu die Hälfte. Leider mußten die Arbeiterinnen aus einer größeren Zahl von Lohnbewegungen mit ihren berechtigten For­derungen ausscheiden, weil sie zu mangelhaft organisiert waren. Die organisierten Arbeiterinnen selbst müssen es in Zukunft ver­hindern, daß sie unter der Gleichgültigkeit ihrer Arbeitsschwestern leiden. Es genügt durchaus nicht, daß sie dem Verband beitreten,

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die Agitation unter den Unorganisierten aber den Männern allein überlassen. Damit eine planmäßige Werbearbeit unter der noch so großen Schar der uns fernstehenden Arbeiterinnen mit Erfolg be­trieben werden kann, müssen in allen Orten die Agitationsaus­schüsse durch Frauen verstärkt werden. Nur durch tatkräftiges Wir­ten in der Organisation und für die Organisation können unsere Arbeitsschwestern ihre Interessen schützen und ihre Lage heben. sk. Die deutschen Drechslereiarbeiter konnten Ende August auf eine 25jährige Organisationstätigkeit zurück­bis 30. August 1887 zu Naumburg tagenden Kongreß die erste Ver­einigung der Drechsler Deutschlands " gegründet. Schon im April des einigung der Drechsler Deutschlands gegründet. Schon im April des gleichen Jahres war in Hamburg eine Fachzeitung der Drechsler" ins Leben gerufen worden, die unter der Redaktion des im vorigen Jahre verstorbenen Genossen Mehlheff stand und als Bindeglied unter den Gewertsangehörigen dienen sollte. Als Vorsitzender der neuen Zentralorganisation wurde Karl Legien , der heutige Vor­fizzende der Generalfommission der Gewerkschaften gewählt; der jetzige Vorsitzende des Deutschen Holzarbeiterverbandes, Theodor Leipart , gehörte diesem ersten Vorstand ebenfalls an, dessen Vorsitzender er später nach der Berufung Legiens in seine jebige Stelle wurde. Die Vereinigung brachte es zunächst nur auf 276 Mitglieder, zählte jedoch ein Jahr nach der Gründung deren bereits 1355. Um Mitte des Jahres 1890 hatte sie ihren Höchst­stand mit 3169 Mitgliedern erreicht. Unter dem Einfluß der ein­sezenden Krise war diese Zahl bis auf 1957 am 1. Juli 1893 zurückgegangen. Zu diesem Zeitpunkt erfolgte der Zusammenschluß der einzelnen Gewerbezweige in der Holzindustrie zu dem heutigen Industrieverband. Unter dessen Fittichen hat dann die Organisa­tion der Drechsler trotz des Zurückgehens der eigentlichen Holz­drechslerei gewaltige Fortschritte gemacht. Heute zählt der Deutsche Holzarbeiterverband rund 10 000 Mitglieder aus den Berufen der ehemaligen Drechslervereinigung, denn zu ihr gehörten neben den Holzdrechslern auch die Steinnuß und Perl­muttknopfmacher, die Stod und Schirmarbeiter und die Kammacher. Diese Berufe stellen heute dem Verband 869 weibliche Mitglieder, doch ist dies nur ein Bruchteil der in ihnen tätigen Arbeiterinnen. Allein in den Holzdrechslereien werden in Deutschland rund 800 Arbeiterinnen beschäftigt, von denen zu Ende 1911 aber nur 174 organisiert waren. In den an­deren Branchen bilden aber die weiblichen Personen einen großen, in manchen sogar den überwiegenden Teil der Beschäftigten. Hier fk. gibt es noch viel zu gewinnen.

I. K. Gewerkschaftliche Arbeiterinnenorganisation in Defter­reich. Nach der nun vorliegenden Statistik der Gewerkschafts­tommission für 1911 waren am Schlusse dieses Jahres in den österreichischen Zentralverbänden 47991 Arbeiterinnen organi­siert. Gegen das Vorjahr beträgt die Zunahme der weiblichen Ge­werkschaftsmitglieder 5325, das sind 12,51 Prozent, während die Zahl der männlichen Mitglieder in demselben Zeitraum um 16015 gleich 4,47 Prozent stieg. Ist auch dieses prozentuell stärkere Wachs­tum der weiblichen Mitglieder natürlich in erster Linie durch den Umstand bedingt, daß verhältnismäßig noch größere Scharen un­organisierte Arbeiterinnen der Organisierung harren, so tommt in ihm doch gleichzeitig zum Ausdruck, daß nunmehr auch die Frauen die Notwendigkeit des gewerkschaftlichen Zusammenschlusses erfassen. Der bisher höchste Stand weiblicher Gewerkschaftsmitglieder war im Jahre 1907 mit 46901 erreicht worden, doch waren in diese Zahl die tschechischen Mitglieder eingeschlossen, die diesmal von der Zählung nicht erfaßt wurden. Nicht mitgezählt sind ferner die über 800 organisierten Dienstmädchen, da diese der Gewerkschafts­tommission noch nicht angeschlossen sind. Die Wasch- und Auf­wartefrauen, die in Deutschland den Hausangestellten zugerechnet werden, sind in Österreich unter den Heimarbeiterinnen mitgezählt. Die organisierten Arbeiterinnen verteilen sich wie folgt auf die ein­zelnen Berufe: Tertilarbeiter 15907; Tabatarbeiter 7232; Chemische Arbeiter 3578; Buchbinder 2060; Buchdruderei­hilfsarbeiter und Zeitungsarbeiter 1976; Metallarbeiter 1475: Heimarbeiterinnen 1406; Schneider 1271; Hutmacher 1095; Zeitungsausträger 1065; Handlungsgehilfen 1006; Handels- und Transportarbeiter 830; Lithographen und Steindruder 702; Holzarbeiter 592; Versicherungsange­stellte 587; Schuhmacher 410; Bauhilfsarbeiter 390; Braue reiarbeiter und Faßbinder 386; 8uderbäder 385; Schirm­macher 325; Kürschner 309; Glasarbeiter 290; Goldarbeiter 241; Drechsler 109; Kellner 105; Steinarbeiter 104. Dazu tommen noch 404 Arbeiterinnen in 15 Berufszweigen, von denen jeder weniger als 100 organisierte Frauen zählt. Die Fortschritte der gewerkschaftlichen Arbeiterinnenorganisation fallen nicht nur zeit­