4

Die Gleichheit

Nr. 1

deten Kinder- 23 Knaben und 7 Mädchen- beriefen wir mit ihren Angehörigen zu einer Besprechung zusammen, in der wir den Wanderplan darlegten, ihnen erklärten, wie die Ausstattung beschaffen sein müsse, und schließ­lich Wünsche und Anregungen entgegennahmen. Es durften keine hohen Anforderungen an den Geldbeutel der Eltern gestellt werden, darum verlangten wir nur das Notwendigste: getragene, aber noch gut haltbare Kleidungsstücke, eine Belle­segments crine  , einen Mantel oder ein Tuch für schlechtes Wetter, einen

pingen ausgenutzt hat, um aus der Redaktion der Freien Volkszeitung" den Genossen Thalheimer zu entfernen. Das aber trog trefflicher Leistungen lediglich der Richtung" wegen. Bei dem Rattenkönig unerfreulicher Erscheinungen, die sich zu dem Fall Göppingen  " zusammengewirrt haben, fonnten übrigens die Verhandlungen vor dem Plenum des Parteitags keine Klärung bringen. Zu einer solchen hätte es einer gründlichen Kommissionsberatung und eines umfang reichen Zeugenapparats bedurft.

Wir haben gerade die Verhandlungsgegenstände kurz er­örtert, die den Stoff zu scharfen Konflikten in sich trugen, der Klärung bedurften und über die die Meinungen zum Teil noch jetzt auseinandergehen. Denn diese Fragen werden, müssen wiederkommen und uns alle noch oft beschäftigen. Wir müssen darauf verzichten, die vielen guten Anregungen für die Agitation, die Frauen- und Jugendbewegung, die Bil­dungsbestrebungen insbesondere, für die verschiedensten Seiten und Aufgaben des Tages auch nur zusammenfassend zu würdigen. Unsere Genossinnen werden aus ihnen reiche Förderung gewinnen. Auch wenn man die Arbeit des Partei­tags noch so illusionsfrei und kritisch würdigt, bleibt der Eindruck der Größe, Kraft, Entschlossenheit, mit der die Sozialdemokratie ihren Weg geht. Wenn nicht immer so rasch und geradeaus, als das Wünschen des einzelnen möchte, so doch unabirrbar dem einen Ziele zu, das die Geschichte weist.

Schülerwanderungen.

Einige Wochen vor Beginn der großen Schulferien faßte der Erfurter Arbeiterbildungsausschuß den Beschluß, eine zehntägige Schülerwanderung in den Thü­ ringer Wald   zu veranstalten. Wer unseren Bildungsaus­schüssen nur die Aufgabe zuweist, den Arbeitern das tiefere Verständnis der sozialistischen   Weltanschauung zu vermitteln, der mochte wohl den Kopf darüber geschüttelt haben, daß mit dem Beschluß ein Gebiet betreten wurde, das der proleta­rischen Aufklärungs- und Erziehungsarbeit scheinbar ferne liegt. Jedoch wir meinen, daß diese Arbeit nicht zu eng auf gefaßt werden darf. Die Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse gehört zu ihr, wie auch die Sorge darum, daß die Stadtkultur in unsere Kindern nicht den Sinn für die Schönheiten des weiten Landes ertöte. In anderen Orten haben Bildungsausschüsse und ähnliche Körperschaften nun ebenfalls Ferienwanderungen junger Proletarier veran staltet, aber sie dauerten gewöhnlich nur einen Tag, waren also eigentlich nur Tagesausflüge. Um für das nächste Jahr eine rege Wanderbewegung in den Schulferien anzuregen, sei hier über den Verlauf unserer Thüringer   Wanderung berichtet. Aus unseren Erfahrungen können auch andere Orte manche Lehren für die Zukunft schöpfen, denn das sei gleich voraus­geschickt: solche Wanderungen müssen rechtzeitig und sorg­fältig vorbereitet werden.

Im örtlichen Parteiorgan veröffentlichten wir eine Auf forderung zur Beteiligung an der Wanderung. Daraufhin wurden uns 30 Kinder gemeldet. Wir hatten die Dauer der Wanderung auf zehn Tage festgesezt und als Kosten­beitrag für jedes Kind 10 Mr. angegeben. Für diesen Betrag war vollständige Verpflegung versprochen worden. Die Zahl von 30 Kindern erschien uns für den ersten Versuch gerade hoch genug. Daß die Meldungen nicht viel zahlreicher ein­gelaufen waren, hatte seinen Grund vor allem darin, daß es schon besser gestellte Arbeiter sein müssen, die ohne weiteres 10 Mk. und die notwendige Ausrüstung für ein Kind auf­bringen können. Sind in der Familie mehrere größere Kinder da, die sich an der Wanderung beteiligen möchten, so nimmt die Schwierigkeit zu. Als Alter der Teilnehmer hatten wir 12 bis 14 Jahre angegeben, wir wiesen aber auch jüngere Kinder nicht zurück, wenn sie kräftig genug schienen, die Strapazen der Wanderung zu ertragen. Mehrere unserer Wanderer waren noch nicht 10 Jahre alt, find aber doch von Anfang bis zum Ende wacker mitmarschiert. Die angemel­

gewöhnlichen Rucksack, Eßnapf, Trinkbecher, Löffel usw. Jedes Kind bekam eine Aufstellung dessen, was mitzunehmen war; ein zweites Hemd, ein zweites Paar Strümpfe, Wasch­und Buzzeug, ein Paar Haus- oder Turnschuhe, ein Ottab­heftchen, das als Tagebuch dienen sollte. Der Bildungsaus­schuß lieferte das Liederbuch der Arbeiterjugend. Von da an beriefen wir die Kinder allwöchentlich zu einer Sing­st un de zusammen. Bei dieser Gelegenheit wurden sie mit­einander bekannt, Freundschaften entstanden, bevor noch die Wanderung begonnen hatte. Wir ließen die von der Schule bekannten Wanderlieder singen, dazu kam die Einstudierung einiger proletarischer Kampflieder.

Unsere Hauptsorge bildete die äußere Organisa­tion der Wanderung. Der Bildungsausschuß war sich dar­über klar, daß die Verpflegung der Wandernden vom Wirts­haus unabhängig bleiben mußte. Nach Abzug der Bahn­fosten und einiger kleineren Spesen blieben uns pro Kind und Tag nur 70 Pf. Dafür hätten wir in der Wirtschaft knapp das Mittagessen bezahlen können, wir aber wollten doch 24 Stunden davon leben! Wir mußten also die Ver­pflegung in eigene Regie übernehmen. Es wurden zwei große Aluminiumkessel angeschafft, von denen jeder 15 Liter faßte, und die sich recht gut tragen ließen. Dazu kamen drei Wasser­säcke von ansehnlicher Größe. So ausgerüstet, konnten wir unsere Mahlzeiten selbst bereiten, und da wir niemals Reste hatten, trop der recht beträchtlichen Portionen, die wir koch­ten, so durften wir annehmen, daß es den Kindern gut ge­schmeckt hat. Freilich ist bei diesem Abkochen im Freien, auf offenem Holzfeuer, äußerste Vorsicht geboten. Im Walde und in der trockenen Heide darf niemals Feuer ge­macht werden. Davon abgesehen, daß das gesetzlich verboten ist, muß es als selbstverständlich gelten, daß auf unseren Wanderungen niemals der geringste Schaden verursacht wird. Es sei bei dieser Gelegenheit bemerkt, daß es nicht überall gestattet ist, das dürre Holz im Walde zu sammeln. Die wichtigste Frage war die Beschaffung des Nachtquartiers für die Kinder. Wir hatten mit Hilfe der wegekundigen Naturfreunde" unsere Wandertour vor­her sorgfältig ausgearbeitet. Jeden Tag sollte etwa 20 Kilo­meter gewandert werden, was gerade genug schien, da ja die Kinder den gepackten Rucksack zu tragen hatten. Wir setzten uns brieflich in Verbindung mit den Vorsitzenden der Bil­dungsausschüsse oder, wo es solche nicht gab, mit den Leitern der sozialdemokratischen Organisationen der Orte, in denen wir zur Nacht bleiben wollten. Bei ihnen fragten wir an, ob wir wohl für unsere kleine Schar Quartier und dazu ein kleines Frühstück bekommen könnten. Wir erhielten von überall die freundlichste Zusage, es werde für alles aufs befte gesorgt werden. Und bei dieser Gelegenheit hat es sich ge­zeigt, daß das proletarische Solidaritätsge. fühl keine leere Phrase ist. Wo wir auch hinkamen, wir fanden überall die herzlichste Aufnahme; die Kinder wurden von ihren Quartiergebern so bewirtet, daß wir Erwachsenen fast in Sorge darüber gerieten, die kleinen Wandersleute möchten allzusehr verwöhnt werden. Die Kinder erhielten in der Regel noch Abendessen, am Morgen gab es ein kräftiges Frühstück, und im Rucksack steckte gewöhnlich noch ein großes Stück Butterbrot mit Belag, das die Schlummermutter" zum Mitnehmen zurecht gemacht hatte. Zuweilen brachte das eine oder das andere Kind noch bares Geld ntit, das es vom Schlummervater" erhalten hatte. So gut das gemeint war, erscheint uns doch diese Freigebigkeit aus verschie­