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Die Gleichheit

Jeden Morgen, bevor wir aufbrachen, gaben wir unserem Parteiblatt telephonisch eine kurze Schilderung der bisherigen Erlebnisse. Sie wurde von den daheim ge­bliebenen Eltern und auch sonst sehr gern gelesen. Wer Naturkenntnisse besitzt, der teile davon bei passen­dem Anlaß den Kindern mit; freilich nicht so, daß diese sich an die Schule erinnern, der sie auf einige Zeit entronnen find. Die Einkäufe besorge man immer nur für einen Tag; am besten tut man das am Abend, wenn die Kinder in ihre Quartiere abgerückt sind. Die vorteilhafteste Ein­kaufstelle ist der Konsumberein des Ortes. Die an­geschafften Eßwaren werden vor Antritt der Wanderung auf die einzelnen Kinder verteilt.

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Zum Schlusse seien einige Speisezettel angegeben. Bei unseren Mittagsgängen hatten wir auf Gerichte ge­halten, die keiner großen Zubereitung bedurften. Wir haben gehabt: 1. Suppe, warme Würstchen, Kartoffeln. 2. Gries- und Reisbrei, mit brauner Butter, gedämpftes Obst. 3. Suppe, Gulasch und Kartoffeln. 4. Makkaroni mit brauner Butter und Brotfrumen, Backobstkompott. 5. Suppe, Bratwurst und Kartoffeln. 6. Dicke Nudelsuppe mit Fleisch­Flößchen, Kartoffeln. 7. Suppe, Klops, Salat, Kartoffeln. 8. Suppe, falte Wurst mit Kartoffelsalat.

Erfahrene Hausfrauen werden gewiß noch manche andere Gerichte kennen, die sich ohne große Mühe herstellen lassen. Man vergesse nicht, einen großen Kochlöffel, eine Schöpf­felle und ein Säckchen zum Durchgießen mitzunehmen. Zum Frühstück gaben wir Zitronenlimonade oder Tee; unterwegs sollte man nicht zu viel faltes Wasser trinken lassen. Nach dem Essen kochten wir Malzkaffee, den wir gemahlen mit­genommen hatten, zum Süßen verwendet man am besten kondensierte Milch. Gute Dienste leisteten Suppenwürfel und Erbswürste.

Wer weitere Auskünfte will, besonders auch über vorteil­hafte Bezugsquellen, der wende sich an den Bildungsaus­schuß der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands , Berlin SW 68, Lindenstraße 3. Wir hoffen, daß die Schülerwande­rungen zu einer allgemeinen, ständigen Einrichtung werden, an deren Ausgestaltung die Mütter ein besonderes Interesse haben und zu der die Genoffinnen sehr viel beitragen können. Eugen Prager.

Die Verbreitung der Geschlechtskrankheiten im Herzogtum Braunschweig .

Im Herzogtum Braunschweig hat das Staats­ministerium im Jahre 1909 eine Statistik über die Ver­breitung der Geschlechtskrankheiten ange­ordnet. Auf Veranlassung des Landesmedizinalkollegiums wurden sämtliche Ärzte des Herzogtums um ihre Mithilfe dabei gebeten. Kürzlich ist nun das Ergebnis der Umfrage vom Staatsministerium veröffentlicht worden. Es eröffnet einen interessanten Einblick in ein Kapitel des Elends, das die besondere Aufmerksamkeit der Arbeiterklasse beansprucht. Die Statistik erstreckt sich über einen Zeitraum von sechs Monaten. Es wurden die Geschlechtskrankheiten gezählt, die in der Zeit vom 1. Februar bis 31. Juli 1909 ärztlich be­handelt worden sind. Man war der Meinung, daß diese Art der Feststellung ein zuverlässigeres Bild ergibt als die Zäh­lung an einem einzigen Stichtag.

Von den Ärzten gingen 842 Zählkarten ein, von denen jedoch 85 ausscheiden, weil die Kranken zwar in Braunschweig von Ärzten behandelt wurden, aber in preußischen Orten wohnen. 10 Zählfarten beziehen sich auf Personen( 8 männ­liche, 2 weibliche), die von den Auskunft erteilenden Ärzten einer anderen Stelle, einem Spezialarzt oder dem Kranken­haus überwiesen worden waren und die von dieser Stelle aus nun ebenfalls gemeldet wurden. 6 Personen waren gleichzei­tig von zwei Geschlechtskrankheiten befallen, sie sind deshalb als Fälle doppelt gezählt worden, erscheinen aber in den Zählfarten nur einmal. Im Herzogtum selbst wurden 747

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geschlechtskranke Personen ermittelt, davon 556 in der Groß­stadt Braunschweig , 100 in den übrigen Städten und 91 auf dem Lande. Auf 10 000 Einwohner entfallen demnach in der Stadt Braunschweig 39,13 Geschlechtskranke, in den übrigen Städten 10,64, in den Landgemeinden 3,55.

Beachtung verdient die Verteilung der Kranken auf ver­schiedene Berufsgruppen beziehungsweise soziale Schichten. Von den überhaupt ermittelten 732 männlichen Ge­schlechtskranken waren 247 gewerbliche Arbeiter, 12 land­wirtschaftliche Arbeiter, 163 Kaufleute, 42 selbständige Ge­werbetreibende, 33 Landwirte, 47 Beamte, 8 Ärzte, Apo­theker, Chemiker, 7 Theaterpersonal, Musiker, 34 Studenten, 4 Rentner, 14 Offiziere, 45 Soldaten, 76 technische Ange­stellte und Angestellte in Bureaus. Zu den 116 ermittelten weiblichen Geschlechtskranken stellten die Ehefrauen 32, die Dienstmädchen 28, die Prostituierten 14, die ledigen Frauen ohne Beruf 13, die Verkäuferinnen und kaufmänni­schen Angestellten 9, die Arbeiterinnen 8, die Schneiderinnen, Blätterinnen, Bukmacherinnen 7, die Witwen und geschie­denen Frauen ohne Beruf 3 und die Kellnerinnen, Sänge­rinnen 2.

Aus dieser Zusammenstellung geht unzweideutig hervor, daß die sogenannten besseren Kreise den weita 11 3 größten Teil der Geschlechtskranten stellen, troß ihrer Minderzahl in der Bevölkerung. Von je 100 der betreffenden männlichen Bevölkerungsgruppe waren geschlechtskrank bei den Landwirten 0,31, bei den land­wirtschaftlichen Arbeitern 0,05, bei den gewerblichen Arbeitern 0,29, bei den Gewerbetreibenden 0,31, bei den Kaufleuten 1,76, bei den technischen Angestellten usw. 1,38 Personen. Die Selbständigen, Beamten, Wissenschaftler, Rentner und Angestellten zählen unter je 100 Personen 1,04 Geschlechtskrante, fast fünfmal so viel als die Ar­beiter. Diese Ziffern zeigen, in welchen Kreisen wir die meisten Träger und Verschlepper der Geschlechtskrankheiten zu suchen haben.

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Auch die braunschweigische Statistik bestätigt die bekannte Tatsache, daß die Geschlechtskrankheiten unter den Offi. zieren und Studenten besonders verbreitet sind, so stark, daß sie prozentual noch um das Mehrfache den hohen Anteil der besseren" Kreise übertreffen. Im Herzogtum Braunschweig gibt es höchstens 170 Offiziere, so daß auf 100 8,24 Geschlechtskranke entfallen, auf 100 gemeine" Soldaten dagegen nur 1,29. Der Prozentsatz der Geschlechtskranken stellt sich bei den Studenten auf 5,08. Eine furchtbare Tat­sache fällt auf und muß den proletarischen Frauen zu denken geben. Die schrecklichste der Seuchen, die Syphilis, tritt bei den Frauen nicht bei den Prostituierten-be­sonders häufig auf. Bon geschlechtskranken Ehefrauen litten 21 an Syphilis, von den Dienstmädchen 18. In weitem Abstand folgt die Zahl der syphilitischen ledigen Frauen, Schneiderinnen, Blätterinnen und Bukmacherinnen, der Verkäuferinnen, Arbeiterinnen aller Art, der Prostitu­ierten und zum Schlusse die der Witwen und geschiedenen Ehefrauen. Leider bringt die Statistik kein vollständiges Material über die Geschlechtskrankheiten weiblicher Personen, da die Frauenärzte die Geschlechtskrankheiten ihrer Batien­tinnen vielfach nicht gemeldet haben. Nur ein einziger Frauenarzt hat Zählfarten eingeliefert, es ist aber zweifel­los wie das Statistische Amt hervorhebt, daß auch die übrigen Frauenärzte Geschlechtskrankheiten behandelt haben. In Preußen wurden am 30. April 1900 auf je 10 000 Er­wachsene im Durchschnitt für den ganzen Staat 28,20 ge­schlechtskranke Männer, 9,24 geschlechtskranke Frauen gezählt. Nach der vorliegenden Erhebung famen in Braunschweig auf 10 000 Erwachsene 40,77 geschlechtskranke Männer und 6,03 geschlechtskranke Frauen. Bei der letzteren Ziffer muß berück­sichtigt werden, daß die Statistik wie bereits erwähnt­die Frauen nur unvollständig erfaßt hat. Zum Vergleic) seien die einschlägigen Städte, darunter solche mit Garni­ son , angeführt. Es wurden im Jahre 1900 Geschlechtskranke

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